Moldau-Protestbewegung als Modernisierungsschub?

Weil eine Milliarde Euro durch Korruption bei Offshore-Banken verschwunden sind, fordern in Chisinau Zehntausende den Rücktritt der pro-europäischen Regierung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am vergangenen Sonntag forderten nach unterschiedlichen Schätzungen 40.000 bis 100.000 Demonstranten im Zentrum der Moldau-Hauptstadt Chisinau den Rücktritt von Regierung und Präsidenten sowie vorgezogene Neuwahlen des Parlaments. Geforderte wurde auch die Neubesetzung aller wichtigen staatlichen Schlüsselposten, wie der Generalstaatsanwaltschaft und der Zentrale Wahlkommission.

Die friedlichen Proteste in Chisinau halten an. Auf dem Platz vor dem Haus der Regierung gibt es ein Lager mit 300 Zelten. Neue Proteste werden erwartet. Doch in Prognosen tun sich die Beobachter schwer. Nur eins scheint festzustehen: Die Macht in Moldau ist so korrupt und von Oligarchen dominiert, dass die Politiker und Medien in der EU die Proteste bisher freundlich begleiten. Mark Tkatschuk, Politologe und ehemaliger Funktionär der Kommunistischen Partei von Moldau, vermutet, dass die Protestbewegung durchaus im Sinne der EU ist, da sie das Land modernisiere und den übermäßigen Einfluss der Oligarchen zurückdrängen könne.

Im Unterschied zur Ukraine richten sich die Rücktrittsforderungen in Moldau nicht gegen eine Russland-freundliche Regierung sondern eine Regierungskoalition, die das Land in die EU führen will. Die Proteste wiederum werden von einer "Bürgerplattform für Würde und Wahrheit" geführt, die ebenfalls EU-freundlich ist.

Linke Organisationen in Moldau sind an den Protesten beteiligt, spielen aber keine führende Rolle. Während die Masse der Demonstranten am 6. September vor dem Haus der Regierung demonstreirte, zog ein Demonstrationszug der linken Partei Unser Haus - Moldova vor das Gebäude des Generalstaatsanwaltes. Als die Linken dort ein Zeltlager aufbauen wollten, griff die Polizei ein. Der Leiter von "Unser Haus - Moldova", Grigori Petrenko, sowie zwei seiner Mitarbeiter wurden wegen "dem Schüren von Massenunruhen" für 72 Stunden festgenommen.