Flüchtlinge und Kosten: Eine ernüchternde Bilanz

Asylbewerber-Heim in Gräfelfing. Foto: Redaktion

Die Belastung für den Bundeshaushalt und die Kommunen fällt geringer aus, als viele befürchteten. Allerdings sehen die Aussichten auf Integration in den Arbeitsmarkt nicht so gut aus, wie viele hofften

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

75 Millionen Euro hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) außerplanmäßig bereitgestellt. 100.000 Flüchtlinge sollten damit mittels Ein-Euro-Jobs in den Arbeitsmarkt integriert werden. Doch eine erste Bilanz fällt ernüchternd aus: Nur 739 Teilnehmerplätze für die sogenannte "Flüchtlingsintegrationsmaßnahme" wurden bis zum 9. September dieses Jahres beantragt. Flüchtlinge, die tatsächlich in einem der Ein-Euro-Jobs arbeiten: Kein einziger.

In Berufung auf eine Kleine Anfrage der Günen-Haushaltspolitikerin Ekin Deligöz berichtete dies die Süddeutsche Zeitung vergangene Woche und gibt damit einer alten Frage neue Nahrung: Sind Flüchtlinge eine finanzielle Belastung für die deutsche Gesellschaft?

Nur sechs Prozent der Kommunen gaben an, überlastet zu sein

Unter all den finanziellen Ängsten, die Medien und Politik mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbanden, stach im vergangenen Jahr vor allem eine heraus: die Belastung der Kommunen. Berichte über überfüllte Turnhallen bestimmten die Schlagzeilen. Gefühlt täglich diskutierten Talkshows über die Grenzen der Belastbarkeit. "Die Kommunen brauchen dringend Hilfe", wandte sich Eva Lohse, die Präsidentin des Deutschen Städtetags, hilfesuchend an die Öffentlichkeit.

Der Grüne-Oberbürgermeister von Tübingen schrieb medienwirksam auf seiner Facebook-Seite: "Wir schaffen das nicht!". Knapp ein Jahr später stehen hingegen viele neu gebaute Flüchtlingsunterkünfte leer, wie in Thüringen wo von zehn Erstaufnahmeeinrichtungen nur noch drei belegt sind: Was ist also dran, an der Erzählung von den überforderten Kommunen?

Das ARD-Magazin Monitor ist dieser Frage bereits im Februar dieses Jahres und damit zu einer Zeit nachgegangen, als viele Unterkünfte noch voll waren. Das überraschende Ergebnis schon damals: Als die Reporter bei den 700 größten Kommunen des Landes nachfragten, widersprachen die meisten dem Eindruck, sie seien überfordert. Lediglich sechs Prozent gaben an, überlastet zu sein.

Der Bund plant 2017 für Flüchtlinge Ausgaben von 19 Milliarden Euro ein

Kosten fallen für die Aufnahme von Flüchtlingen natürlich dennoch an. Ein Blick in den Haushaltsplan der Bundesregierung für das Jahr 2017 verrät: Die Unterbringung, Verpflegung und Integration von Flüchtlingen kostet viel Geld. Fasst man die Ausgabe aller Ressorts für Flüchtlinge zusammen, kommt man für 2017 auf einen Betrag von rund 19 Milliarden Euro.

Damit gibt der Bund rund 6 Prozent seines Gesamthaushaltes (329 Milliarden) im kommenden Jahr für Flüchtlinge aus. Neue Schulden oder Steuersteigerungen sind dafür aber dank des hohen Haushaltsüberschusses nicht nötig. Laut Statistischem Bundesamt lag dieser für im ersten Halbjahr 2016 für Bund, Länder und Gemeinden bei 18,5 Milliarden.

Ohnehin kann der Hinweis auf staatliche Ausgaben die Frage nach den Flüchtlingskosten bestenfalls zur Hälfte beantworten. Denn wie jeder andere konsumieren Flüchtlinge auch und tragen damit zur wirtschaftlichen Nachfrage bei. Außerdem werden sie als Arbeitskräfte der deutschen Wirtschaft nutzen. So zumindest war der Tenor vieler Arbeitgebervertreter, die den Zuzug von hunderttausenden Flüchtlingen im vergangenen Jahr als Glücksfall für die deutsche Wirtschaft anpriesen.

Dax-Unternehmen stellten 54 Flüchtlinge ein

Doch von dieser Euphorie dürfte heute nicht mehr viel übrig sein. Im Juli machte eine Umfrage der FAZ Schlagzeilen: Demnach hatten die 30 wertvollsten Dax-Konzerne, die insgesamt rund 3,5 Millionen Menschen beschäftigen, bis Ende Juni gerade einmal 54 Flüchtlinge eingestellt. Deren Chefs verteidigten sich damit, dass die Flüchtlinge eben erst einmal qualifiziert werden müssten oder zumindest Deutsch lernen müssten.

Damit könnten die DAX-Chefs Recht haben, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Forscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Berliner Humboldt-Universität haben untersucht, was aus den Flüchtlingen geworden ist, die zwischen 1990 und 2010 nach Deutschland kamen. Ein Ergebnis ihrer Untersuchung: Flüchtlinge sind durchschnittlich schlechter qualifiziert als Arbeitsmigranten.

Nur rund zwei Drittel der geflüchteten Männer und jede vierte geflüchtete Frau konnte innerhalb der ersten fünf Jahre eine Arbeit finden. Allerdings würden die Flüchtlinge diese Defizite nach einiger Zeit aufholen: So lag die Arbeitslosenquote unter den Flüchtlingen, die zwischen 1990 und 2010 nach Deutschland kamen, nur noch bei 13 Prozent.

Noch eine Feststellung machten die Forscher: Wenn Flüchtlinge Arbeit finden, dann geschieht dies in den meisten Fällen über soziale Kontakte. Mehr als die Hälfte aller befragten Flüchtlinge mit Arbeit hat diese über Freunde, Bekannte oder Verwandte gefunden. Staatliche Vermittlungsversuche wie das eingangs erwähnte Minijob-Programm brachten vergleichsweise wenig.