Russland und USA auf Konfrontationskurs in Syrien

Russland bereitet vermutlich eine Initiative zur Stärkung des Assad-Regimes vor, Washington möchte dies verhindern, scheitert aber schon einmal am Irak

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Die letzte Meldung aus den USA besagt, dass Russland angeblich einen Flugplatz südlich von Lataka als militärische Stellung ausbauen will und mittlerweile 7 T-90-Panzer dorthin gebracht haben soll. Zudem sollen Artilleriesysteme installiert worden sein, die aber defensiver Natur seien. Täglich sollen die letzten Tage zwei Transportmaschinen dort gelandet sein.

Das wird einmal wieder von angeblich anonymen Pentagon-Mitarbeitern den Medien geleakt oder wahrscheinlich gezielt mitgeteilt. Das Pentagon will dazu keine Position beziehen. Pentagonsprecher Captain Jeff Davis gab offiziell zu Protokoll, dass man "Bewegungen von Personen und Material" beobachtet habe, die darauf schließen lassen, dass die Flugbahn zu einem Stützpunkt ausgebaut werden könnte. Schon zuvor war berichtet worden, dass etwa 200 russische Soldaten, provisorische Unterkünfte und ein mobiles Luftkontrollsystem dorthin gebracht worden sein sollen.

Moskau selbst hat auf die Vorwürfe lediglich geantwortet, dass man weiterhin das Assad-Regime militärisch im Kampf gegen die Terroristen unterstützen werde. In letzter Zeit hatte Russland, nach dem Atomabkommen mit dem Iran, deutlich gemacht, dass es sich ebenfalls am Kampf gegen den Islamischen Staat beteiligen will, aber dass die Allianz mit Assad weiter Bestand habe und es eine Lösung nur mit ihm gebe. Washington und das Pentagon sagen, sie wüssten nicht, was Moskau beabsichtige, aber man hat wohl Sorge, dass Russland auf der Seite von Assad einsteigen und dessen Truppen mit Luftangriffen unterstützen könnte. Putin-Sprecher Dmitry Peskov wies geheime Gespräche zwischen Russland und den USA zurück und erklärte, dass die Syrer selbst den Konflikt lösen müssten.

Selbstmordanschläge in Hasaka. Bild: sana.sy

Der russische Außenminister Lawrow drängt auf jeden Fall zu einer Einbeziehung des Assad-Regimes, die syrische Armee, von Russland aufgerüstet, sei unabdingbar: "Wenn das Ziel der Koalition darin besteht, eine Konsolidierung des Territoriums des Iraks und Syriens als Kern des vom Islamischen Staat geplanten Kalifats zu verhindern, muss man in erster Linie denen helfen, die gegen die Banditen ankämpfen - der irakischen Armee, den irakischen Kurden, der syrischen Armee und der kurdischen Volkswehr in Syrien." Er machte sich wiederum für Bodentruppen stark, die aber koordiniert vorgehen müssten, da könne man auch "Einheiten der syrischen Opposition" integrieren. Überdies sagte er, man fahre mit den Waffenlieferungen fort, die auch die Entsendung von Spezialisten einschlössen. Der russische Plan könnte darin bestehen, die Bühne dafür zu schaffen, dass Putin auf seiner Rede vor der UN-Vollversammlung die Initiative für einen vereinten Kampf der kurdischen, irakischen und syrischen Truppen zusammen mit Gruppen der syrischen Opposition gegen den IS vorschlägt - mit Unterstützung von Russland, Iran und der US-geführten Allianz.

Kaum vorstellbar ist, dass Moskau schon zuvor aktiv in den syrischen Bürgerkrieg einsteigt. Zwar könnten die Aktivitäten die Verlegung von russischen Kampflugzeugen vorbereiten, aber sie unabhängig von der US-Koalition starten zu lassen, könnte zu höchstgefährlichen Situationen im syrischen Luftraum führen, aber auch völkerrechtlich problematisch werden. Bislang hat Assad die Luftangriffe der US-geführten Allianz geduldet, der sich unter Druck der USA noch schnell die Türkei, Großbritannien, Frankreich und Australien angeschlossen haben, aber wenn Russland - und der Iran? - von Assad eingeladen würden, Syrien vor dem IS und anderen "Terroristen" zu schützen, zu denen auch die "gemäßigten Kämpfer" und Assad-Gegner gehören könnten, würde die Allianz, solange Assad nicht gestürzt wäre, schnell in einem völkerrechtswidrigen Krieg landen. Allgemein würde die Situation in Syrien mit einer direkten Konkurrenz zwischen Russland und den USA noch schwieriger werden.

Was plant Moskau?

Syrien hat gerade nach zwei Selbstmordanschlägen einen Brief an den UN-Generalsekretär und den UN-Sicherheitsrat gesendet und diese aufgefordert, zu ihrer Verpflichtung nach den UN-Resolutionen zu stehen, in Zusammenarbeit mit der Regierung Terrorismus zu bekämpfen und terroristische Organisationen zu verfolgen. Genannt werden neben dem Islamischen Staat auch al-Nusra und Jaish al-Islam. Der Türkei, Saudi-Arabien und Katar wird die direkte Unterstützung dieser Organisationen vorgeworfen.

Durch den Konflikt zwischen USA-Nato und Russland ist der Sicherheitsrat ausgeschaltet, das Assad-Regime, dem man angesichts seines Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung Staatsterrorismus vorwerfen kann, baut hier aber schon einmal vor, um sich selbst als Avantgarde der Terrorbekämpfung und Russland als unterstützende Macht zu legitimieren.

Der syrische Botschafter in Moskau leugnete die Präsenz russischer Soldaten in Syrien. Das sei eine "Verschwörung" des Westens, um in das Land eindringen zu können, sagte er. Auch er bestätigte russische Waffenlieferungen, die aus schon lange geschlossenen Verträgen hervorgingen und auf internationalem Recht sowie der Souveränität des Landes beruhten. Vorgeschlagen wird von Moskau und Damaskus eine dritte Konferenz, auf der die syrische Regierung und die Opposition eine Konfliktlösung besprechen sollen.

Der Nato-Oberkommandierende Breedlove erklärte, man beobachte die russischen Aktivitäten in Syrien "mit Sorge". Man wisse zwar noch nicht, was genau vorgehe, aber man sei vor allem über Operationen besorgt, die das Assad-Regime unterstützen, während er voll des Lobs über die Türkei war, die den Sturz Assads anstrebt. Möglicherweise darauf gemünzt fuhr er fort: "Putin hat Entscheidungen getroffen und sie sind mit Gewalt in die ukrainische Krim eingedrungen und halten sie besetzt, sie sind mit Gewalt in den Donbass eingedrungen und halten ihn besetzt, aber ich denke, diese internationalen Grenzen zu übertreten, ist ganz anders als eine Nato-Grenze zu übertreten."

Möglicherweise haben die USA Sorge, dass Syrien und die Flüchtlingskrise in Europa den Ukraine-Konflikt und die damit beschworene neue transatlantische Einheit schwächen könnten. Schon jetzt zeichnen sich Risse innerhalb der EU ab. Washington stützt sich neben Großbritannien vor allem auf das "Neue Europa", das aber sich, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht, nicht solidarisch zeigt. Gleichzeitig gibt es Zeichen, dass sich vor allem Deutschland Russland annähert, um den Ukraine-Konflikt, vor allem aber um den Syrien-Konflikt zu lösen. Allgemein scheint man in der EU nun geneigt zu sein, die "Wurzeln" des Flüchtlingsproblems in der Ferne bekämpfen zu wollen. Der Druck könnte damit steigen, das Assad-Regime erst einmal zu akzeptieren, um Ruhe in der Region zu schaffen, so illusionär das wäre. Das Opfer könnte die Ukraine sein, die nun an den Rand der Aufmerksamkeit rutscht, was wiederum Moskau entgegen kommen würde.

Die Versuche der USA, die Waffenlieferungen an Syrien zu unterbinden, sind bislang gescheitert. Der Grund liegt vor allem darin, dass der Irak sich offenbar trotz der Aufforderung der USA weigert, den Luftraum für russische Flugzeuge zu sperren. Die USA haben ganz offensichtlich die Kontrolle über die schiitisch dominierte irakische Regierung unter dem von Washington unterstützen Regierungschef Haider al-Abadi als Nachfolger von al-Maliki verloren. Nach Medienberichten fliegt Russland über einen Korridor vom Kaspischen Meer über Iran und Irak militärische Ausrüstung und Personal nach Syrien.

Bagdad will nicht auf Konfrontation zu Russland gehen

Die US-Regierung hatte die Ukraine und Bulgarien genötigt, den Luftraum für russische Transportflüge zu sperren, die Türkei folgt der Bitte Washingtons. Schon im Oktober 2011 hatte die Türkei ein russisches Passagierflugzeug, das auf dem Weg nach Syrien war, mit Kampfjets zur Landung gezwungen, weil sich angeblich Rüstungsgüter an Bord befunden haben sollen, was sich allerdings nicht nachweisen ließ. Griechenland hat gezögert und soll aber humanitäre Flüge über sein Territorium erlauben haben.

Der Irak sei am 5. September ebenfalls aufgefordert worden, den Luftraum zu sperren, habe aber bislang nicht geantwortet, berichtet die New York Times. Die irakische Regierung verlässt sich auch militärisch nicht allein auf die USA und deren Koalition, sondern auch auf den Iran und Russland, das beispielsweise Kampfflugzeuge geschickt hatte.

Nachdem die irakische Regierung zunächst einmal im Unterschied zu Afghanistan veranlasste, dass alle amerikanischen Truppen das Land verlassen mussten, während sie gleichzeitig dafür sorgte, dass sich durch die Repression gegen die sunnitische Bevölkerung al-Qaida im Irak und später der daraus entstandene Islamische Staat zunächst in Syrien und dann auch im Irak wieder ausbreiten konnte, konnte Washington kosmetische Korrekturen mit einem Regime Change durchsetzen und wieder Tausende von Soldaten als "Berater" und "Ausbilder" der irakischen und kurdischen Truppen ins Land bringen. Aber wie man jetzt sieht, ist die Bindung an die USA lose, der Irak, sowieso bereits ein weitgehend in kurdische, sunnitische und schiitische Regionen zerfallener Staat, versucht sich neutral zu halten, um zu überleben