Die Euroverweigerer im Osten

"Warsaw Downtown". Bild: DocentX/CC BY-SA 3.0

Trotz zunehmenden Drucks deutscher Konzerne - in Polen und Tschechien wächst die Skepsis gegenüber der Einführung des Euro

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Im Laufe der Jahre haben Spitzenpolitiker in Warschau eine beachtliche Kreativität an den Tag gelegt, um mit immer neuen Ausreden die - eigentlich vertraglich beim Beitritt zur EU zugesicherte - Einführung des Euro zu verzögern. Die bisherige Spitzenleistung in dieser Disziplin vollbrachte Mitte 2012 der damalige polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. In einem Rundfunkinterview beteuerte er, dass Warschau einen "Zeitpunkt und Fahrplan" zur Euro-Einführung unverzüglich ausarbeiten werde - sobald "die Euro-Zone ihre Krise überwunden" habe.

Doch inzwischen scheint man in Warschau der ironischen Seitenhiebe müde zu sein, mit denen der Beitritt zur Eurozone immer wieder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wurde. Angesichts der jüngsten Eskalation gehen etliche polnische Spitzenpolitiker dazu über, die Euroeinführung ungeschminkt und grundsätzlich infrage zu stellen.

Die Ansage der rechten Opposition im Klartext: Beata Szydlo, stellvertretende Vorsitzende der rechtspopulistischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwosc - PiS), forderte jüngst die rechtskonservative Regierung um Ministerpräsident Donald Tusk auf, "die Idee einer Euro-Einführung aufzugeben".

Szydlo gilt als aussichtsreiche Anwärterin auf den Posten des Regierungschefs, da die PiS beste Aussichten hat, beim nächsten Urnengang einen Wahlsieg gegen die rechtsliberale Bürgerplattform (Platforma Obywatelska - PO) zu erringen. Umfragen sehen die rechtskonservative Opposition bei rund 40 Prozent, währen die Rechtsliberalen auf 28 Prozent absackten. Um einen eventuellen Wahlsieg nicht zu verspielen, hält sich derzeit der berüchtigte Parteigründer der PiS (und ehemalige Chef einer mit Rechtsextremisten durchsetzten Regierung), Jaroslaw Kaczynsk (Giertych vs. Darwin), betont im Hintergrund.

Bei einem Referendum wäre das Ergebnis eindeutig

Polens konservativer Präsident Duda sprach sich für ein Referendum über den Eurobeitritt seines Landes aus, wie er im Interview mit der konservativen Tageszeitung Die Welt klarstellte

Wenn die Zeit kommt, sollten wir es uns ernsthaft überlegen. Ja, in dieser Frage sollte es eine Entscheidung des Volkes geben.

Er bezeichnete die eigene Währung als "eine Art Stoßdämpfer", der die wirtschaftlichen Verwerfungen der letzten Jahre abfedern konnte.

Würde Warschau derzeit Polens Bürger über den Eurobeitritt abstimmen lassen, wäre das Ergebnis eindeutig: Der Zloty würde bleiben. Der Stimmungswandel in der Bevölkerung bei der Eurofrage kommt auch bei den jüngsten Umfragen zum Ausdruck, wie die Deutsche Welle bemerkte:

Während des Jahrzehnts nach dem polnischen EU-Beitritt 2004 gab es eine stabile Mehrheit für den Euro. Doch inzwischen sind 54 Prozent dagegen.

Längst trägt diesem Umstand auch die proeuropäische Bürgerplattform Rechnung, indem sie das Thema Euro im beginnenden Wahlkampf möglichst weit umschifft.

In Polen finden am 25. Oktober Parlamentswahlen statt. Die britische Zeitung The Telegraph sah gerade in diesem Urnengang die Chance, "den Marsch des Euro" aufzuhalten. Der wahrscheinliche Wahlsieg der rechtspopulistischen PiS werde "die Option eines Eurobeitritts beerdigen".

Gegenüber dem US-Sender CNBC erklärte der derzeitige rechtsliberale polnische Finanzminister Mateusz Szczurek gar, dass die jüngsten Auseinandersetzungen in der Eurozone dazu geführt hätten, dass die "Balance der Risiken und Vorteile" der Euroeinführung sich gewandelt hätte. Sein Land müsse erneut "kalkulieren", was getan werden müsse, bevor eine Euroeinführung gangbar wäre.

Gute Wirtschaftsdaten

CNBC verwies in diesem Zusammenhang auf das hohe Wirtschaftswachstum in Polen, das mit 3,4 Prozent im vergangenen Jahr weit über dem Durchschnitt der unter dem deutschen Spardiktat stöhnenden Eurozone lag. Auch für dieses Jahr kalkuliert Warschau mit einem Wachstum von 3,3 Prozent, was weit über dem Prognosen von 1,5 Prozent für die Eurozone liegen dürfte. Polens Finanzminister Szczurek fasste das sich wandelnde Kalkül Warschaus gegenüber CNBC folgendermaßen zusammen:

2004, als Polen der EU beitrat, war die Stärke und Reife der polnischen Wirtschaft gegenüber der Eurozone ganz anders - damals sah es so aus, als ob man dadurch (durch die Euroeinführung) schnell den Status einer entwickelten Marktwirtschaft erreichen könnte. Nun haben wir aber einen weiten Weg zurückgelegt, während die Eurozone viel an ihrer Attraktivität einbüßte, weswegen die Balance des Für und Wieder sich gewandelt hat.

Im Klartext: Angesichts des deutschen Spardiktats in der Eurozone und der brutalen Sonderbehandlung, die Griechenland durch Schäuble erfuhr, sind selbst Polens proeuropäische Politeliten nicht verblendet genug, um sich dem deutschen Sparkommissar und Eurogruppenführer auszuliefern.

Die relativ guten Wirtschaftsdaten Polens und auch Tschechiens (zumindest in Relation zum sonstigen europäischen Wirtschaftschaos) resultieren aus der Möglichkeit, ihre Währungen in Krisenzeiten gegenüber dem Euro abzuwerten. Damit konnte die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Wirtschaft hergestellt, sowie der deutsche Außenhandelsüberschuss (Der Exportüberschussweltmeister) in erträglichen Grenzen gehalten werden.

Die New York Times fasste dieses sich wandelnde "Kalkül" bezüglich der Euroeinführung im Mittelosteuropa in einem Hintergrundbericht zusammen:

Einst war es ein exklusiver Klub, dem nahezu ganz Europa beitreten wollte. Nun, im Gefolge der letzten Finanzkrise in Griechenland und der harten Antwort der Großmächte des Kontinents, scheint es weniger reizvoll, ein Partner in der europäischen Gemeinschaftswährung zu werden....

Die osteuropäischen Euroanwärter ziehen somit ihre ganz eigenen Schlüsse aus dem brutalen Exempel, das Schäuble an Griechenland exekutierte.