Die Angst des Fixers vor dem Geld-Entzug

Die US-Notenbank wagt es weiter nicht, die Leitzinsen zu erhöhen und verweist auf Sorgen um China

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Eigentlich gab es offiziell wenige Begründungen für die US-Notenbank (FED), die Leitzinsen in den USA nicht zu erhöhen, die schon vor sieben Jahren praktisch auf Null gesenkt wurden. Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers hatte die FED in den Krisenmodus geschaltet, den sie weiterhin nicht einmal ansatzweise aufgeben will. Zwar kündigte die Chefin Janet Yellen immer mal wieder an, aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen zu wollen, doch nun wurde auch eine leichte Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte wieder einmal verschoben. Vielleicht auf Oktober oder auf Dezember oder auf den St. Nimmerleinstag?

Dabei sehen die offiziellen Grunddaten der USA nun wirklich nicht nach Krise aus. Die US-Wirtschaft soll zuletzt im Juli aufs Jahr hochgerechnet um 3,7% gewachsen sein. Im Juni waren es noch 2,3%. Und Yellen hatte einen Zinsschritt stets ausdrücklich die Lage am Arbeitsmarkt zu einem wichtigen Kriterium gemacht. Offiziell ist die Arbeitslosenrate nun bei 5,1%, was einige völlig absurd "Vollbeschäftigung" nennen.

Da also mit diesen offiziell positiven Daten kaum dagegen argumentiert werden kann, endlich die Geldschwemme zurückzufahren, hebt Yellen auf die schwache Inflation von 0,2% ab, die deutlich unter dem Ziel von 2% liegt. Das ist aber, wie in Europa auch, bestenfalls die halbe Wahrheit, denn die niedrigen Energiepreise dürcken die Inflationsrate nach unten. Die Kernrate liegt mit 1,8% praktisch auf dem Ziel.

Also kommt Yellen nun auch mit den Unsicherheiten in China, wo zuletzt die Börsen auf Absturzkurs sind. Die massiven Eingriffe der Regierung und der Notenbank bremsen ihn nur (Die Angst vor dem Crash wächst). Oder hat Yellen auf die Warnungen aus China reagiert, dass die US-Notenbankpolitik absurderweise für die Turbulenzen in China verantwortlich sei? Die globalen Vorgänge "können die wirtschaftliche Aktivität bremsen", erklärte Yellen und zudem "kurzfristig" Druck auf die Inflation machen.

Die "Neue Zürcher Zeitung" zeigte sich irritiert, dass "Sorgen mit China vom Fed erneut stärker gewichtet werden als die offenkundigen Fortschritte". Die Notenbank "reagiert rasch und aggressiv" auf Eintrübungen, aber " Aufhellungen müssen dagegen heller als hell sein, damit sie die extrem lockeren Zügel auch nur minim anzieht". Für die konservative Zeitung setze "das Fed nicht nur seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Mit der neuerlich auf die lange Bank geschobenen Normalisierung der Geldpolitik bleibt auf absehbare Zeit auch die Steuerungsfunktion des Zinses ausser Kraft gesetzt."

Eine Leitzinserhöhung hätte vermutlich die US-Exportwirtschaft gebremst, da die Kapitalflüsse in Richtung USA den Wert des Dollar weiter erhöht hätten. Damit hätten sich die Exporte aus den USA natürlich weiter verteuert. Doch ist das angesichts des scheinbar stabilen Wachstums Grund genug, das viele Geld nicht wieder abzusaugen? Die FED bleibt also in der Falle des Währungskriegs gefangen, den gerade sie mit anderen losgetreten hatte und in den in der Folge immer mehr Länder eingestiegen sind, auch die Europäische Zentralbank (EZB) und zuletzt auch die chinesische Notenbank. Durch die US-Geldpolitik wurde die Abwärtsspirale jedenfalls nun nicht gebremst.

Die FED sendet mit ihrer Entscheidung nicht nur ein Signal an China, sondern sie stützt mit ihrem Festhalten an der Nullzinspolitik auch Schwellenländer, die von einem Zinsschritt doppelt in die Zange genommen worden wären. Denn sie leiden unter niedrigen Rohstoffpreisen und die Verschuldung in Dollar hätte sich mit einer Aufwertung weiter erhöht. Letztlich stützt sie aber auch europäische Krisenländer. Denn gerade hatte die Notenbank der Notenbanken in Basel aufgezeigt, dass die Zinsen in den USA maßgeblich auch für die Zinsentwicklung in anderen Gebieten sind (Warnung vor Gefahren in Schwellenländern). Steigende Zinsen würden für immer höher verschuldete Krisenländer schnell gefährlich werden.

"Amerika hat sich noch nicht erholt!"

Unterstützung erhielt Yellen zuletzt auch vom Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz. "Es gibt kein Argument, den Leitzins jetzt anzuheben", erklärte er im Interview. Doch Stiglitz bezweifelt die angeblich tollen Zahlen der USA und verwirft in seiner Analyse die Jubelmeldungen von einer Erholung und einer angeblichen Vollbeschäftigung. "Die offizielle Arbeitslosenquote maskiert nur, was wirklich passiert. Die offizielle Arbeitslosenquote steht bei etwas über fünf Prozent. Aber wenn Sie Menschen mit einrechnen, die Teilzeit arbeiten, weil sie keine volle Stelle finden, und Menschen, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind - dann kommen Sie auf Zahlen, die doppelt so hoch sind." Für ihn ist nur eines Fakt: "Amerika hat sich noch nicht erholt!"

Das gilt praktisch auch in Europa und Stiglitz spricht auch auf eine weitere ungemütliche Wahrheit an. Denn man kann stets fragen, ob die Steigerung der Inflation nicht viel einfacher durch die Anhebung von Löhnen erreicht werden könnte, statt die Geldmärkte mit den Gefahren der neuen Blasenbildungen zu fluten (Kleine Finanzblasenkunde für Einsteiger). Es ist wenig erstaunlich, wenn Krisenländer in der Deflation stecken, weil die Löhne zur angeblichen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in der Krise nach unten gedrückt wurden (Einkommen in OECD-Krisenländern weiter niedriger als 2007).

Lohnerhöhungen würden die sozial dramatische Situation verbessern, das Inflationsziel erfüllen und für Wachstum sorgen. Stiglitz verweist deshalb nicht nur auf das hohe Niveau versteckter Arbeitslosigkeit in den USA, sondern auch darauf, dass auch dort die Löhne stagnieren (Armutsrate in den USA verfestigt sich): "Das mittlere Einkommen liegt unter dem vor 25 Jahren. Das ist keine Erholung!"