US-Regierung nur zur symbolischen Antwort auf die Flüchtlingskrise bereit

Washington riskiert im Wahlkampf lieber den Bruch der über den Ukraine-Konflikt gekitteten transatlantischen Einheit, als eine Verwantwortung zu übernehmen

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Die US-Regierung steht unter enormem Druck wegen der Flüchtlingskrise, in die Europa gefallen ist, weil sich die Politiker trotz des lange anhaltenden Kriegs in Syrien und im Irak sowie den Folgen der Intervention in Libyen und der sich ebenso abzusehenden verschlechternden Bedingungen in Afghanistan blind gestellt haben. Die USA ist mit ihren Kriegen, unterstützt durch unterschiedlich besetzte Koalitionen der Willigen, die treibende Kraft gewesen, die die Bedingungen geschaffen haben, die Millionen von Menschen in der Region zur Flucht getrieben haben und die jetzt auch zunehmend in Europa nach einer sicheren Zukunft suchen.

Der von Washington begonnene Krieg gegen den IS hat bislang keine positiven Ergebnisse gezeigt, die Menschen in den Lagern der Nachbarstaaten Syriens sind verzweifelt, die Welthungerorganisation WFP hat schon länger gewarnt, dass ihr das Geld fehlt, all die Flüchtlinge mit dem Notwendigsten zu versorgen. Die verzweifelte Suche von Washington, möglichst viele in die Koalition einzubinden, weil wegen der Spannungen mit Russland der UN-Sicherheitsrat gelähmt ist, führte nur zu neuen Konflikten. Die Türkei nutzt die Gelegenheit, um einen Krieg gegen die kurdische PKK zu führen, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten, um einen ähnlichen Luftkrieg im Jemen zu veranstalten. Beides verschlimmert die Situation und wird zu neuen Flüchtlingsströmen führen.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Bild: state.gov

Die USA haben versucht, über die Eskalation der Ukraine-Krise die europäischen Staaten enger an sich und an die Nato zu binden. Hier könnte es aber selbst mit den osteuropäischen und baltischen Staaten, den treuen USA-Staaten des "Neuen Europa", zu Rissen kommen, wenn die Ursache der Flüchtlingsströme nicht schnell und wirksam bekämpft wird und die USA hier nicht die transatlatische Solidarität zeigen, die sie gegenüber Russland einfordern. Nach dem Atomdeal mit Iran suchen zwar derzeit Russland und die USA trotz der gegensätzlichen Haltung zum Assad-Regime nach einer Verständigung über Syrien, aber eine Annäherung an Russland (und Iran) würde wiederum zu Uneinigkeiten mit dem "Neuen Europa" führen. Handelt Washington nicht, wird dies zu einer Entfremdung mit den Kernländern der EU führen, allen voran mit Deutschland, das eher widerwillig wegen der transatlantischen und europäischen Einheit die Sanktionen und die militärische Aufrüstung gegen Russland mittrug.

Bislang haben die USA gerade einmal 1.500 syrische Flüchtlinge aufgenommen - in den letzten vier Jahren. Man ist beschäftigt mit der eigenen Mauer und den Einwanderern aus Lateinamerika, Syrien ist weit entfernt, auch wenn man dort einen Krieg führt.

Offenbar ist die US-Regierung nun gewillt, ihren Beitrag zur Lösung der Flüchtlingskrise zu erhöhen. Aber die Geste, die US-Außenminister Kerry auf einer Pressekonferenz mit dem deutschen Außenminister Steinmeier gestern ankündigte, ist nur symbolisch und dürfte nicht wirklich zur Beruhigung führen. Bislang nehmen die USA jährlich 70.000 Flüchtlinge auf, jetzt sollen 2016 85.000 und 2017 100.000 aufgenommen werden. Das kann die Obama-Regierung gut versprechen, weil sie dann sowieso nicht mehr an der Macht ist. Ein paar tausend Flüchtlinge mehr gnädigerweise aufzunehmen, während Deutschland dieses Jahr 800.000, eine Million oder mehr erwartet, wird wohl als schlechter Witz ausgelegt werden müssen. Zumal mehr als 4 Millionen alleine aus Syrien in die Nachbarländer und 7 Millionen in Syrien selbst geflohen sind.

Die USA geben täglich Millionen von US-Dollar für einen wenig effektiven Luftkrieg gegen den IS aus und der Versuch, aus syrischen Oppositionellen Kämpfer für Bodentruppen zu schaffen, darf erst einmal trotz hoher Investitionen für gescheitert gelten. Mit ein paar Hanseln lassen sich weder gegen den IS noch gegen die Assad-Truppen irgendwelche Erfolge erzielen.

Kerry meinte zwar auf einer Pressekonferenz mit dem deutschen Außenminister Steinmeier, dass die USA mehr tun müssten, man verstehe dies auch in "der besten Tradition" der USA als Land der Hoffnung. Aber in den USA finden Wahlen statt, daher ist man geizig, Kerry verspricht mehr Geld für Flüchtlinge in den syrischen Nachbarländern. Aber letztlich will man im Hinblick auf den Wahlkampf und die ablehnende Stimmung gegenüber Ausländern die Grenzen möglichst geschlossen halten und die Hilfsbereitschaft auf ein symbolisches Maß zu beschränken, auch wenn ehemalige Mitarbeiter des Weißen Hauses und des Pentagon die Regierung dazu auffordern, 100.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Selbst das wäre wohl noch kein Beitrag, der wirklich ernst genommen werden kann.

Kerry machte keine gute Figur, als er zu begründen suchte, warum die USA nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen wollen. Er verwies auf die Sicherheitsmaßnahmen, die nach 11/9 gemacht werden mussten. Man mache, was man gegenwärtig machen kann. Allerdings müsste die Aufnahme von mehr Flüchtlingen vom Kongress gebilligt werden. Ähnlich gewunden ist die Haltung, wie man mit dem Assad-Regime verfahren werde. Kerry wies eine Kooperation zurück und sprach von einer Deeskalation. Steinmeier vermied jede Kritik an Kerry und den USA, solche Unterwürfigkeit wird Folgen haben.