Menschenleere Smart City

CITE-Stadtplan. Bild: Pegasus

Der IT-Konzern Pegasus will eine ganze Stadt mit alter und neuer Infrastruktur in New Mexiko bauen - zum Testen neuer Technik und zum Proben des Cyberwar

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Der Hype ist groß. Smart City heißt die Losung, die eine Optimierung der Städte durch Technik und viel Geld verspricht. Smart Cities sind nicht eine Vision der traditionellen Stadtplaner, Architekten und Baufirmen, sondern der IT-Konzerne, die die gebaute Umwelt ebenso von den traditionellen Produzenten übernehmen, wie sie Smartphones, autonome Autos, Haushaltsgeräte und alles, was sich denken lässt, ins Internet der Dinge überführen und vernetzen.

Aber ähnlich wie im Verkehr, wenn autonome Fahrzeuge auf Autos treffen, die von Menschen gesteuert werden, entstehen die meisten Smart Cities nicht von Grund auf neu wie einige Modellstädte in Japan oder Südkorea, sie werden auf der alten Infrastruktur erreichtet, die sie erweitern, teilweise ersetzen oder durch "vernetzte Intelligenz" modernisieren. Beides bringt Probleme mit sich, wobei die zunehmend Vernetzung aller Systeme von der Infrastruktur bis hin zu den Betrieben, Behörden und Smart Homes oder den Menschen mit ihren Geräten und Implantaten zu unvorhersehbaren Pannen und Problemen führen kann, von Hackerangriffen und -manipulationen oder Szenarien des Cyberwar einmal ganz abgesehen.

Während das US-Militär Cyberwar-Szenarien an einer miniaturisierten Modellstadt durchspielt, um Angriff auf die Infrastruktur sowie deren Verteidigung zu trainieren, will Pegasus, auch im Rüstungsgeschäft tätig, für eine Milliarde US-Dollar in der Wüste von New Mexico, in der Nähe von Las Cruces sowie von Universitäten und militärischen Einrichtungen, mit der Unterstützung der Regierung von Texas ein kommerziell betriebenes "Center for Innovation, Testing and Evaluation" (CITE) in der Größe einer mittleren amerikanischen Stadt mit 35.000 (nicht vorhandenen) Einwohnern auf einer Fläche von 15 Quadratmeilen bauen: "mit Straßenschluchten, vorstädtischen Siedlungen, ländlichen Siedlungen und weiter entfernten Orten".

Aus einem YouTube-Video über das CITE-Projekt von Pegasus.

Menschen soll es deswegen nicht als Bewohner geben, um bei den Tests niemand zu gefährden, allerdings ist eine Stadt ohne Bewohner und Benutzer, die mit der Technik interagieren, sie stören, lahmlegen, überstrapazieren oder einfach falsch verwenden, auch nicht sonderlich realistisch. Managing Director Robert Brumely sagte CNN: "Man kann neue Dinge stressen, sie zerbrechen lassen und die Gesetze unbeabsichtiger Folgen herausfinden. Das sollte wie ein Magnet werden, der Menschen mit Ideen und Techniken anlockt, nicht nur zum Testen, sondern auch zum Interagierten." Locken will man durch das Versprechen, dass Forschung besser zu marktfähigen Produkten führt und sich so die Forschungsinvestitionen besser rechnen. Und wenn Kritiker sagen, dass eine Stadt ohne Bewohner keine realistischen Tests ermöglichen wird, antwortet Brumely einfach, dass man bei Bedarf ja Menschen "hinzufügen" kann.

Die Stadt soll Hochhäuser, eine Autobahn, Bauernhöfe, Parks, Industriegebiete, Einkaufszentren, Schulen, Kirchen, einen Flughafen, ein Rechenzentrum und einen "Sicherheitsperimeter" geben. Natürlich soll alles flexibel und veränderbar, modular und ausbaubar sein. Das Backbone, das "Nervensystem" der Stadt, soll alles verknüpfen und sogar gegen Elektromagnetischen Impuls (EMP) und Elektromagnetische Störung (EMI) gesichert sein, also einem entfesselten Cyberwar standhalten. Zentral ist der "CITE Campus", also das Forschungszentrum, wo die Kunden arbeiten und sich aufhalten können.

Angeblich sei man im Unternehmen auf die Idee gekommen, um neue und vor allem "grüne" Techniken realistisch jenseits der "sterilen Laborbedingungen" testen zu können. Es gäbe einen weltweiten Bedarf bei Unternehmen, Behörden oder Ausbildungsinstitutionen, mit dem dann auch die Ausgaben hereingespielt werden sollen. Zusätzlich soll Geld durch den Verkauf des produzierten Strom, der Wasseraufbereitung und drahtlosen Netzwerken verdient werden. Angeboten würde die einzigartige Gelegenheit, "die realen Probleme bei der Modernisierung der bestehenden urbanen Infrastruktur zu der einer Smart City des 21. Jahrhunderthunderts zu replizieren".

Ausgerechnet also im Zeitalter der vernetzten Smart Cities soll es attraktiv werden, Tests nicht mehr in Simulationen durchzuspielen, sondern in der materiellen Welt, um "die Kosten und möglichen Begrenzungen neuer Techniken vor der Einführung" besser zu erfassen. Statt einer Sim City also eine Real City. So könne man beispielsweise die positiven und negativen Folgen der Einführung von Smart-Grid-Anwendungen oder von erneuerbaren Energien sehen, aber auch intelligente Verkehrssysteme und autonome Fahrzeuge, drahtlose Netzwerke der nächsten Generation, Cybersicherheit und Risiken durch Terroranschläge testen.

"Homeland Security" scheint allerdings weit oben zu stehen. So wird damit geworben, großflächige Angriffe auf die Infrastruktur oder eben einen EMP-Angriff auf eine hochgradig vernetzte Smart City testen zu können, der eine ganze Stadt einfrieren könnte und der Albtraum der für die Sicherheit Verantwortlichen ist. Üben ließen sich also offensive und defensive Szenarien. Aber auch das Testen von vielen Drohnen oder autonomen LKW-Flotten erscheint derzeit interessant. Man hofft auf die reichen IT-Unternehmer wie Jeff Bezos oder Elon Musk, die hier große Projekte durchspielen könnten.

Der Plan entstand allerdings bereits 2011. Dann blieb das Projekt erst einmal liegen, weil es mit Probleme mit dem Land gab, um jetzt revitalisiert zu werden. Nächstes Jahr soll nun wirklich mit dem Bau begonnen werden, möglicherweise ab 2018 könnte die Modell-Smart-City dann ihren Betrieb eröffnen. Um auf dem Stand der Dinge zu bleiben, wäre sie wohl schon bei ihrer Eröffnung, sollte es soweit kommen, bereits veraltet und müsste permanent upgedated und gepatched werden.

Von Florian Rötzer gerade zum Thema Stadt und Cyberwar erschienen: Smart Cities im Cyberwar.

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