Syrien: Russland und die Kurden

Ein neuer Partner für die YPG/YPJ in Rojava?

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Die Beteiligung Russlands an der Anti-IS-Koalition hat auch Auswirkungen auf Rojava, das kurdische Autonomiegebiet in Nordsyrien. Russlands Beziehungen zum Assad-Regime könnte eine Chance sein, eine Übergangslösung für den Abgang des Assad-Regimes zu finden, hin zu einem demokratischen System unter Beteiligung aller religiösen und ethnischen Minderheiten - wenn die westliche Welt Russland als Partner in der Anti-IS-Koalition akzeptiert.

Mittlerweile hat auch der Westen verstanden, dass es nicht ohne Einbeziehung des Assad-Regimes geht, den IS zu bekämpfen und Syrien zu stabilisieren. Dabei könnte Russland eine wichtige Rolle spielen, da es seit jeher über gute Kontakte zu Assad verfügt. Eine Rückkehr Assads zum Status vor 2011 ist extrem unwahrscheinlich. Das wäre mit der syrischen Bevölkerung, so zerrissen sie auch sein mag, nicht möglich. Putin hat in verschiedenen Statements gesagt, er könne sich vorstellen, dass Assad sich auf eine Übergangslösung einlassen könnte. Da wäre Putin ein wichtiger Verhandlungspartner.

Dies ist auch eine Chance für Rojava, dessen Vertreter sich explizit für ein Verbleiben Rojavas in einem föderal und demokratisch organisierten Syrien ausgesprochen haben. Sie wollen den bisher im Nahen Osten üblichen Despotismus durch ein demokratisches Konföderalismusmodell ersetzen (vgl. Das Modell Rojava). Dieses Modell findet auch in anderen Teilen Syriens immer mehr Anhänger. Sinam Mohamad, die Internationale Vertreterin der autonomen demokratischen Administration von Rojava, berichtete in einem Interview mit Telepolis1, dass es mittlerweile auch Kontakte zu Drusen und anderen Minderheiten gäbe, die ähnliche Modelle für ihre Regionen anstreben.

Wie sieht es nun mit dem Verhältnis Russlands zu Rojava aus?

In einer Rede Putins vor der 70. Generalversammlung der Vereinten Nationen Ende September (Putin fordert Zusammenarbeit gegen den IS - mit Assad) führte er aus, dass die Kurden in Syrien eine wichtige Rolle im Kampf gegen den IS spielen. Und dass endlich anerkannt werden sollte, dass Assad und die Kurden in Syrien "wichtig und tapfer" im Kampf gegen den islamischen Staat und anderen Terrororganisationen seien. Inwieweit Russland aber, wie die USA, versucht, Rojava für seine Interessen zu instrumentalisieren, muss beobachtet werden.

Bild YPG/YPJ

Von kurdischer Seite hat sich der PYD-Vorsitzende Salih Muslim kürzlich in einem Interview positiv über die Rolle Russlands geäußert. Es gab demnach schon länger auch Kontakte mit Russland - Salih Muslim war mehrmals zu Gesprächen in Moskau. Unbestätigten Berichten zu Folge gibt es wohl auch nun das Angebot Russlands, in Moskau eine 'Ständige Vertretung von Rojava' einzurichten.

Das wäre ein wichtiger Schritt hin zur internationalen Anerkennung der Administration von Rojava - was die westlichen Staaten nach wie vor umgehen, es gibt zwar diplomatische Gespräche mit den Vertretern von Rojava, aber nicht auf Augenhöhe. Durch den Eintritt Russlands in die Anti-IS-Koalition versprechen sich die Repräsentanten von Rojava, dass damit die Interventionspläne der Türkei, eine 'Sicherheitszone', sprich eine türkisch kontrollierte Zone zwischen den Kantonen Afrin und Kobane zu schaffen, vom Tisch sind.

Salih Muslims Meinung nach werden sich die Russen nicht im Norden einmischen, es sei denn, die Türkei versuche einzugreifen. Sie werden eine türkische Intervention verhindern und die Grenze Syriens zur Türkei verteidigen, nicht uns Kurden, so Salih Muslim. Schließlich sei dies eine NATO-Grenze, die Türkei könne nicht ohne die Zustimmung der Großmächte eingreifen, so ein russischer Offizieller im Gespräch mit Salih Muslim vor 2 Jahren.

Erdogans "Kurdophobie"

Der Türkei geht es mit der "Sicherheitszone" vor allem darum, zu verhindern, dass die Kurden die Grenze zwischen Syrien und der Türkei kontrollieren. Dazu sagt Sinam Mohamad, die Rojava Vertreterin im Gespräch mit Telepolis, dass Erdogan unter einer "Kurdophobie" leide. Dies verhindere einen Friedensprozess in der Türkei und durch den Krieg gegen die Kurden im Südosten der Türkei würde er sein eigenes, aber auch das Grab der Türkei schaufeln, weil er international mit seinen Allmachtsplänen im Abseits landen würde. Das zeige auch die Debatte um die sogenannte "Sicherheitszone", die keine Option für die westlichen Staaten sei, auch für die USA sei dies keine Diskussion.

Es ist auch sehr fragwürdig, für wen diese Sicherheitszone eingerichtet werden sein. Ginge es nach der Türkei, sollen in dieser Flüchtlingslager platziert werden. Hintergedanke dabei ist, die Demographie dieser Region zuungunsten der kurdischen Bevölkerung zu verändern. Im Moment ist dieses Gebiet unter der Kontrolle der islamistischen Terrorgruppe Al-Nusra. Hier liegt auch der letzte dem IS verbliebene Grenzübergang zur Türkei, der enorm wichtig für den Nachschub an Kämpfern und Waffen für den IS ist.

Sinam Mohamad ist sich sicher, dass die USA die YPG/YPJ mit Luftschlägen auch bei der Vertreibung des IS und Al-Nusra in Jarabulus unterstützen wird, sollten die Einheiten aus Rojava dahin vordringen.

Es sieht so aus, als ob sie Recht behält: die YPG/YPJ bekommt in diesen Tagen Rückendeckung sowohl von den USA als auch von Russland.