Seehofer kündigt Zurückweisung von Asylbewerbern nach Österreich an

EU-Innenminister beschließen Maßnahmen zur konsequenteren Aufenthaltsbeendigung abgelehnter Asylbewerber

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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat in der Bild-Zeitung einen "eigenen Weg" im Umgang mit dem Asylbewerberansturm angekündigt. Er will Migranten an der Grenze zukünftig nach Österreich zurückweisen oder in andere deutsche Bundesländer weiterschicken. Heute berät die bayerische Staatsregierung über diese Pläne. Weil ihr weder die Bundespolizei noch die Bahn unterstehen, müssten dazu in größerer Zahl Landespolizisten eingesetzt werden.

Bayern muss derzeit mindestens 30.000 Asylbewerber mehr unterbringen, als der für die Verteilung unter den Bundesländern vorgesehene Königsteiner Schlüssel eigentlich fordert. Die Freiwilligen Feuerwehren, das Rote Kreuz und andere Organisationen im Freistaat sehen sich bei der Unterbringung mittlerweile deutlich überfordert: Die Helfer haben ihre Urlaubstage aufgebraucht und Arbeitgeber stellen sie nicht mehr frei. In vielen Erstaufnahmeeinrichtungen kommt es regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und albanische Kriminelle nehmen anderen Asylbewerbern einen Teil ihrer Taschengelder ab.

All das geschieht in Gegenden, in denen die Stammwählerschaft der CSU wohnt und trägt dazu bei, dass die CSU in Umfragen inzwischen deutlichere Einbußen hinnehmen muss als die CDU im Rest der Bundesrepublik (vgl. Umfrage: CSU verliert trotz Angriffe auf die Flüchtlingspolitik von Merkel). Die Merkel-kritische Rhetorik vieler CSU-Politiker hilft hier offenbar nur bedingt, solange die Partei in der Praxis die neue Einwanderungspolitik der Bundeskanzlerin stützt. Ob Seehofers Maßnahmen daran etwas ändern können, werden die nächsten Asylbewerberzahlen und Umfragen zeigen.

Die EU-Innenminister beschlossen gestern, das Vollzugsdefizit bei der Aufenthaltsbeendigung abgelehnter Asylbewerber anzugehen. Auf diese Weise soll der Anreiz, über den Umweg des Asylrechts einzuwandern, verringert werden. Dem deutschen Innenminister Thomas de Maizière nach ist solch eine konsequentere Rückführung Nichtverfolgter eine Voraussetzung dafür, dass das Asylrecht funktionsfähig bleibt.

Derzeit werden EU-weit nur gegen etwa 40 Prozent der abgelehnten Asylbewerber aufenthaltsbeendende Maßnahmen wirksam. Das Wissen, das die anderen 60 Prozent nach der Ablehnung ihrer Asylanträge nicht abgeschoben werden, trägt dazu bei, dass viele Asylbewerber aus Ländern wie Albanien, dem Kosovo oder Pakistan einreisen.

Einer der Gründe, warum der Aufenthalt abgelehnter Asylbewerber nicht beendet wird, kann die Identitätsverschleierung sein. Botschaften und Behörden mancher Länder zeigen bislang nur ein sehr bedingtes Interesse daran, diesem Zustand abzuhelfen und abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen. Diese Länder sollen über die Entwicklungshilfe Anreize erhalten, ihre Praxis zu ändern.

Ein anderer Grund für das Abschiebedefizit sind Fluggesellschaften, Piloten und Stewardessen, die sich weigern, randalierende Asylbewerber zu transportieren. Deshalb soll die europäische Grenzschutzagentur Frontex zukünftig Abschiebeflüge organisieren. Außerdem soll Frontex bei der Einrichtung von "Hot Spots" in den "Frontstaaten" Griechenland und Italien helfen. Dort soll Personal aus ganz Europa Asylbegehren gleich nach der Ankunft von Migranten prüfen und den Aufenthalt bei Nichtvorliegen möglichst schnell beenden.

In der Türkei, dem Libanon und Jordanien will die EU Flüchtlingslager an den Grenzen zu Syrien mitfinanzieren. Balkanländer wie Serbien und Mazedonien sollen dagegen EU-Geld bekommen, damit sie ihre Grenzen besser schützen.

Hält der Asylbewerberansturm trotz dieser Maßnahmen an, könnten sich die Richter am Bundesverfassungsgericht demnächst damit befassen, ob es eine implizite Aufnahme-Obergrenze im Grundgesetz gibt und ob die Schranken des Grundrechts auf Freizügigkeit analog auf das Asylgrundrecht anzuwenden sind.