Türkei: Über 80 Tote bei einer Bombenexplosion in Ankara

Gewerkschafter hatten zu einer Friedensdemonstration aufgerufen. Die Explosion soll im Block der kurdischen Partei HDP erfolgt sein

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Ein Bombenanschlag in Ankara verschärft die Spannungen zwischen der türkischen Regierung und Kurden vor der anstehenden Wahl am 1. November. Mehrere Explosionen - manche Quellen sprechen von zwei, andere von drei - töteten heute Vormittag nach Angaben des Innenministeriums mindestens 30 Menschen, weit über hundert wurden verletzt.

Update: Später wurde die Zahl der Toten auf mindestens 86 nach oben korrigiert.

Die Explosionen, die, wie auf einem Video zu hören, offenbar dicht aufeinander folgten, ereigneten sich in der Nähe des Bahnhofes. In Ankara sollte heute eine Friedensdemonstration stattfinden, die den Konflikt zwischen der Regierungspartei AKP und den Kurden zum Thema hatte.

Wie die Gänsefüßchen bei "peace" im englisch-sprachigen Bericht von Hürriyet anzeigen, ist die allein schon die friedliche Absicht einer Demonstration von Kurden bei Regierungssympathisanten umstritten.

Aufgerufen zur Demonstration hatten Gewerkschaften und Berufsverbände, hierzu genannt werden die Ingenieurs- und Architektenkammer der Türkei und die Ärztekammer der Türkei. Zahlreiche linke und demokratische Parteien und Organisationen sollen dem Aufruf gefolgt sein, hervorgehoben wird die Präsenz der Demokratischen Partei der Völker (HDP).

Nach Informationen des kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, Civaka Azad, das sich dabei auf Aussagen eines Abgeordneten der kurdischen HDP beruft, sollen die Bomben "allesamt im Menschenblock der HDP" hochgegangen sein.

Über den oder die Täter ist bislang nichts bekannt. In manchen Berichten taucht die Vermutung eines Selbstmordattentäters auf. Feststeht, dass der Anschlag vereitelt, was im Vorfeld der Demonstration angekündigt wurde: eine Waffenruhe bis zur Wahl. Eine entsprechende Ankündigung war aus dem Umfeld der PKK bekannt geworden .

Laut Civaka Azad hatte der Kovorsitzende des Kongra-Gel, dem kurdischen Volkskongress, einer PKK-Organisation, die sich selbst als demokratische und ökologische Partei bezeichnet, gestern angekündigt, dass man am Sonntag eine vorübergehende Waffenruhe erklären werde. Nun werden die ersten Vorwürfe laut. So machte der HDP-Kovorsitzende Selahattin Demirtaş die Regierung für den Bombenanschlag "mitverantwortlich". Kritisiert wird zudem das Verhalten der Polizei am Ort des heutigen Anschlags.

Aus Sicht der kurdischen Berichte wurden Helfer davon abgehalten, zu den Verletzten zu gelangen. Dies bestätigt auch ein Bericht des regierungskritischen Mediums Zaman. Auch von der Oppositionspartei CHP gab es Kritik an der Regierung.

Hürriyet spricht dagegen davon, dass die Polizei den Schauplatz räumen musste, um "Sicherheit zu gewährleisten".

Erdogan hatte in der jüngsten Vergangenheit versucht, die HDP als Gegner von Ruhe und Ordnung darzustellen, wobei ihm Kritiker vorwerfen, dass er selbst die Türkei Richtung Chaos manövriere (Türkei: Friedensprozess beendet).

Laut Civaka Azad wurde "auf Befehl des türkischen Ministerpräsidentenamtes durch die staatliche Rundfunkanstalt RTÜK ein Berichterstattungsverbot über das Bombenattentat verhängt. Somit darf auf unbestimmte Zeit vom Tatort aus keine Liveberichterstattung mehr stattfinden".