Amnesty International wirft Kurden Vertreibung von Arabern vor

Karte: © Amnesty International

USA liefern Waffen und Munition an YPG-geführtes Bündnis

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Im Juni eroberte die kurdische YPG-Miliz einen vorher von der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) beherrschten Korridor zwischen ihren beiden syrischen Kurdenkantonen Cizîrê und Kobanê, in dem mehr Araber als Kurden leben. Bereits damals wurden Berichte über Vertreibungen von Arabern und Turkmenen laut. Die YPG sprach dagegen von Angeboten, die man den Zivilisten aus den Kampfgebieten gemacht habe, um zu vermeiden, dass sie der IS als lebende Schutzschilde missbraucht.

Damals berichteten vor allem türkische und arabische Medien sowie Blogs über die Vorwürfe. Westliche Zeitungen und Sender griffen sie kaum auf. Nun hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) einen Bericht veröffentlicht, der Zwangsumsiedlungen sowie die Zerstörung ganzer Dörfer mittels Zeugenaussagen, Satellitenbildern, Fotos und Videos dokumentiert.

Dazu untersuchte die Menschenrechtsorganisation unter anderem Fälle aus der Stadt Suluk und aus den umliegenden Dörfern al-Ghbein, Raneen, Hammam al-Turkman, al-Maghat, Mela Berho, and Asaylem sowie aus dem westlich von Tel Abyad gelegenen Dorf Abdi Koy, dem südöstlich von Tel Tamr gelegenen Tel Fweida, Tel Diyab bei Ras al-Ayn, Ras al-Ayn selbst und der Ortschaft Husseiniya in der Gegend von Tel Hamees (siehe Karte - zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken).

In Asaylem und Husseiniya fand sie vor Ort Indizien dafür, dass die YPG nicht nur Dörfler vertrieb, sondern auch zahlreiche Häuser zerstörte. In Husseiniya stand beim AI-Besuch Anfang August nur noch ein einziges von vorher rund 90 Häusern. Ein Husseiniyaner berichtete, dass die YPG den Bewohnern nicht einmal Zeit ließ, ihre Kleider aus den Häusern zu holen, bevor sie sie anzündete und später mit Bulldozern niederwalzte.

In den Dörfern südlich von Suluk warfen die YPG-Milizionäre Einwohnern vor, sie seien allesamt Anhänger des IS und man werde sie erschießen, wenn sie nicht verschwinden. AI geht anhand von Zeugenaussagen davon aus, dass der vorgebrachte Vorwurf nur für eine Minderheit der Enteigneten zutraf. In anderen Dörfern veranlassten die kurdischen Eroberer die Bewohner mit der Drohung zur Flucht, man werde den Amerikanern fälschlich sagen, dass sich dort IS-Stellungen befänden, die sie bombardieren müssten.

Unter den Vertriebenen aus Suluk und Abdi Koy befinden sich nicht nur Araber und Turkmenen, sondern auch einige Kurden. In der mehrheitlich arabisch besiedelten Stadt Ras al-Ayn und in Tel Diyab vertrieben die YPG und die kurdischen Asayish-Polizeieinheiten nur einzelne Personengruppen, die sie der Zusammenarbeit mit dem IS verdächtigten - darunter auch ganze Familien, aus denen Angehörige für das Kalifat kämpfen sollen. Ihr Eigentum wurde beschlagnahmt.

AI spricht anhand der gesammelten Belege von Menschenrechtsverletzungen und geht davon aus, dass die Vertreibungen, Zerstörungen und Enteignungen nicht zum Schutz der Bewohner geschahen, sondern als Vergeltung für Morde und Zerstörungen durch den IS. Auf eine Stellungnahme der kurdischen Verwaltung der Gebiete wartete AI bis zur Veröffentlichung des Berichts vergeblich. Nun fordert die Organisation, dass die kurdische Verwaltung die Täter ermittelt und bestraft, die Vertriebenen zurückkehren lässt und die Geschädigten entschädigt.

Möglicherweise in Erwartung der AI-Vorwürfe hatte die YPG gestern zusammen mit assyrischen und arabischen Gruppen das Bündnis Syrische Demokratische Streitkräfte vorgestellt. Allerdings ist unklar, wie viele arabische Kämpfer dort mitmischen und ob sie militärisch eine Rolle spielen oder eher ein PR-Feigenblatt sind, mit dem die kurdische Dominanz heruntergespielt wird.

In jedem Fall bekam das neue Bündnis über 45 Tonnen Waffen und Munition von den US-Streitkräften geliefert, die die Kriegsgüter mit C-17-Transportflugzeugen über der Provinz Hassakeh abwarfen. Vorher hatten die USA mit einer halben Milliarde Dollar versucht, "moderate Rebellen" auszubilden, konnten dafür aber lediglich eine einstellige Zahl von geeigneten Personen gewinnen.