Die seltsame Welt der Quanten

Die Versuchsanordnung an der Delfter Universität

Forscher haben zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Quantenphysik (und damit unsere Welt im Ganzen) auf der Anschauung widersprechenden Grundlagen ruht

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Alltagserfahrungen helfen uns in den meisten Fällen weiter. Wenn Sie etwa einen Kuchen backen, wissen sie von vornherein, dass er Nüsse enthalten wird, denn Sie selbst haben die Nüsse in die Rührschüssel fallen lassen. Fehlen die Nüsse hingegen, können Sie sicher sein, dass Ihnen jemand einen Streich gespielt und vielleicht den Kuchen ausgetauscht hat - oder Sie sind womöglich etwas vergesslich.

Der Alltag ist real: Wenn Physiker das sagen, meinen sie, dass die Ergebnisse eines Experiments schon vorab im Gesamtsystem stecken und nicht etwa erst durch die Messung (das Aufschneiden des Kuchens) hergestellt werden.

Aber die Welt, wie Sie sie betrachten können, ist auch lokal. Ereignisse finden an einem ganz bestimmten Ort statt. Wer sich anderswo befindet, erfährt maximal mit Lichtgeschwindigkeit davon. Darum ist es beinahe unmöglich, einen Mars-Rover fernzusteuern: Das Licht braucht so lange, dass er längst in eine Spalte gestürzt ist, wenn ein Erdling das Hindernis bemerkt. Dass die Milch auf dem Herd überkocht, merken Sie nur deshalb scheinbar sofort, weil sie direkt daneben stehen. Aber sie können auch ziemlich sicher sein, dass dieselbe Milch im Kühlschrank kalt bleibt, obwohl der Topf auf dem Herd gerade 100 Grad erreicht.

Im Kleinsten ist die Welt weder real noch lokal

Die Quantenphysik musste sich schon sehr früh von diesen beiden Konzepten verabschieden. Im Kleinsten ist die Welt weder real noch lokal. Das hat sehr viele Forscher (darunter auch Albert Einstein, der von einer "spukhaften Fernwirkung" sprach) gestört. Eine Theorie, die Lokalität und Realität aufgibt, könne gar keine ernsthafte Erklärung der Wirklichkeit bieten. Deshalb müsse es so genannte versteckte Variable geben. Einstein bezog sich damit auf die Erklärungen der klassischen Wärmelehre.

Eine Größe wie die Temperatur lässt sich zwar als statistische Eigenschaft einer Teilchenmenge definieren. Aber diese Teilchen haben jeweils auch konkrete physikalische Eigenschaften, also Impuls und Masse. Auch wenn wir diese nicht im Einzelnen kennen oder brauchen, um mit den Formeln der Wärmelehre etwas zu berechnen, sind sie doch vorhanden und prinzipiell zugänglich.

Lassen sich die Erkenntnisse der Quantenphysik auf ähnliche Weise interpretieren? Immerhin handelt es sich hier ebenfalls um statistische Aussagen. Den konkreten Ausgang eines einzelnen Experiments kann kein Physiker voraussagen. Leider rettet das weder Lokalität noch Realismus.

Schon vor über 50 Jahren zeigte der Physiker John Bell mathematisch, dass Paare aus miteinander verschränkten Teilchen von ihm aufgestellte Ungleichungen verletzen, die alle auf Lokalität und Realismus basierenden Theorien einhalten müssen (inklusive der Theorien mit versteckten Variablen).

Technische Universität Delft: Der endgültige Beweis für die Verrücktheit der Quantenphysik

Allerdings stand für lange Zeit der experimentelle Beweis dafür noch aus. Zwar konnten verschiedene Teams die Verletzung der Bellschen Ungleichungen durch Quantenphänomene zeigen, doch es blieben immer noch ein paar Schlupflöcher für versteckte Variable - entweder, weil die Experimente nicht effizient genug waren oder weil die Experimentatoren sich nicht weit genug voneinander entfernt befanden.

Diese Einschränkungen hat ein Forscherteam an der Technischen Universität Delft jetzt überwunden - und damit den endgültigen Beweis für die Verrücktheit der Quantenphysik erbracht. Die Wissenschaftler waren erfolgreich, weil sie die gängige Versuchsanordnung abwandelten. Statt zwischen A und B Messwerte auszutauschen, bezogen sie eine dritte Stelle C mit ein. A und B verschränkten dabei je ein Elektron und ein Photon miteinander.

Dann schickten sie das Photon an C und führten zufällig eine Messung an ihrem Elektron aus. C schließlich maß die beiden Photonen gemeinsam. Es zeigt sich, dass die Messungen der Elektronen bei A und B so lange zufällige Ergebnisse zeitigen, bis C durch ihre eigene Messung erfolgreich die Verschränkung der Elektronen nachweist. Nun brauchten die Forscher den Versuch nur noch oft genug zu wiederholen und die Daten auszuwerten, um die Verletzung der Ungleichung mit statistischer Signifikanz nachzuweisen.

Allerletzte Zweifel theoretischer Art kann das Experiment allerdings immer noch nicht ausräumen: Es wäre zum Beispiel möglich, dass die zufällig gewählten Eingabedaten aufgrund irgendeines Mechanismus bereits deutlich (also Mikrosekunden) vor ihrer Erzeugung festgestanden haben. Dann wäre genug Zeit gewesen, sie quasi heimlich über die Distanz von 1,3 Kilometern mitzuteilen...

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