Wer hat die vom Pentagon in Syrien abgeworfenen 50 Tonnen Munition erhalten?

USA und Russland stellen sich hinter die syrischen Kurden, die türkische Regierung warnt beide Länder

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Das Pentagon steckt, mitsamt den angeblich so mächtigen US-Geheimdiensten, offenbar in einer Sackgasse. Mit einem 500-Millionen-Dollar-Programm konnten gerade einmal ein paar angeblich gemäßigte Kämpfer ausgebildet und ausgerüstet werden, die dann schnell untertauchten oder sich anderen bewaffneten Gruppen anschlossen. Ausrüstung soll auch schon an der Grenze beim Übergang von der Türkei nach Syrien an Kämpfer der al-Qaida-Gruppe al-Nusra übergeben worden seien. Nach Gerüchten arbeiten die gemäßigten Gruppen auch schon länger mit den islamistischen zusammen, zumindest scheint es immer wieder taktische Kooperationen zu geben. Die von der CIA über Saudi-Arabien gelieferten Panzerabwehrraketen (TOW-Lenkwaffen) sind daher wohl auch in den Händen von al-Qaida-Islamisten, die gegen Assad kämpfen.

Nach dem offensichtlichen Scheitern setzte das Pentagon auf eine neue Strategie. Als Bodentruppen sollten nun die kurdischen YPG-Kämpfer unterstützt werden, die einige Erfolge im Kampf gegen den IS vorzuweisen haben und mit denen die USA bereits in der Schlacht um Kobane kooperiert haben. Allerdings würde die Unterstützung der kurdischen Milizen in Syrien, die mit der PKK verbunden sind, beim Alliierten Türkei schlecht ankommen. Erst vor kurzem wurde die Türkei als Teil der Anti-IS-Koalition gewonnen und dürfen US-Militärmaschinen wieder türkische Militärflughäfen benutzen, allerdings hat die türkische Regierung vor den anstehenden Wahlen einen Krieg gegen die PKK begonnen.

Um also die neue Strategie der türkischen Regierung schmackhafter zu machen, haben die USA eine Allianz aus Kurden und einigen arabischen Stämmen der Region geschmiedet, vielleicht sollte man auch eher sagen: konstruiert, schließlich waren hier auch einige obskure und nicht bekannte Gruppen dabei, wie Jaysh al Thuwar oder die Al Jazira FSA Brigaden. Seitdem gibt es die Syrisch-Arabische Allianz", die möglichst schnell gegen Raqqa, die syrische Hauptstadt des Islamischen Staats vorrücken soll.

Um dies zu beschleunigen, warfen letzte Woche US-Maschinen für diese Allianz 50 Tonnen an Munition ab - an "unterstützte arabische Gruppen". So hieß es zumindest aus dem Pentagon:

There was a C-17 airdrop over the weekend. Approximately 50 tons of ammunition were dropped into Syria, specifically for the Syrian-Arab coalition. These are -- this is a -- sort of a team of teams. This is a group of smaller Syrian-Arab fighters who have, on their own, joined together to form a coalition, approximate strength maybe in the 5,000 range.

Operation Inherent Resolve Spokesperson Colonel Steve Warren am 12. Oktober

Die Frage ist nun aber, wer sie bekommen hat (wobei auch unklar ist, ob es nur um Munition geht oder ob auch Waffen dabei waren). McClatchy hat bei den Führern der arabischen Milizen nachgefragt. Weder Sheikh Humaydi Daham al Hadi vom Shammar-Stamm noch Abu Issa, der Kommandeur der Liwa Thurwar Al-Raqqa, bestätigten, Waffenhilfe erhalten zu haben. Möglicherweise die Kurden, sagte sie, aber wohl keine arabischen Milizen.

Das Pentagon will davon aber nichts wissen. Pentagon-Sprecher Peter Cook versichert, die Munition sei zu denjenigen gekommen, die sie erhalten sollten. Der Abwurf sei an die Syrisch-Arabische Koalition gegangen: "Er war erfolgreich." Das aber ist fraglich, zumindest wenn es um die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei geht. Sollten die Munitionslieferungen einzig in die Hände der YPG gefallen sein und würden die Kurden diese nicht auch an die angeblichen arabischen Mitkämpfer weitergeben, ist mit Problemen seitens der türkischen AKP-Regierung zu rechnen, die sowieso kaum bei dem Spiel mitmachen wird, die YPG aufzurüsten und als Bodentruppen des Westens einzusetzen. Problematisch ist dies für die Türkei auch deswegen, weil die Assad-Regierung und die syrischen Kurden sich bislang toleriert haben. Für Erdogan muss Assad zurücktreten, die US-Regierung scheint mittlerweile auch unter Druck Russlands mit einer Übergangslösung leben zu können. Russland vertieft gerade die Beziehungen mit den syrischen Kurden. So waren fast zeitgleich mit Assad Führer der Kurdenpartei PYD, deren militärischer Arm die YPG sind, in Moskau zu Gesprächen.

Gegenüber Putin hatte der türkische Präsident Erdogan aber gerade klar gemacht, dass er die Offensive auf Aleppo verurteilt, weil damit neue Flüchtlingsströme ausgelöst werden, und dass er die Bekämpfung aller "Terroristen" fordert, wozu für ihn auch die YPG gehören. Das wurde nun noch einmal von Nationalen Sicherheitsrat deutlich gemacht, der die internationale Gemeinschaft gestern aufrief, auch alle syrischen Verbündeten der PKK zu Terrororganisationen zu erklären. Die Haltung der türkischen Regierung gleicht der der syrischen und russischen, dass man alle terroristischen Organisationen bekämpfen müsse, aber welche Organisationen als terroristisch gelten, unterscheidet sich dann je nach unterschiedlichen Interessenslagen. So hat die Türkei vermutlich al-Nusra unterstützt und den Islamischen Staat zumindest gewähren lassen, während man vor allem die Kurden zu schwächen versuchte, was deutlich anhand von Kobane und dann am Krieg gegen die PKK wurde, gegen die deutlich mehr Luftangriffe geflogen wurden als gegen den IS.

Schon letzte Woche hatte die türkische Regierung vehement gegen die Munitionslieferung an die Kurden protestiert und am 13. Oktober den US-Botschafter und den russischen Botschafter einbestellt. Regierungschef Davutoglu erklärte der Presse, man habe die türkische Haltung den USA und Russland sehr deutlich gemacht: "Das ist für ein Thema der nationalen Sicherheit. Jeder weiß, dass wir handeln werden, wenn es um die nationale Sicherheit geht, wie dies in der Nacht am 23. Juli geschehen ist, als wir die PKK und den IS angegriffen haben."

Das ist eine deutliche Warnung an die USA und Russland, das allerdings noch keine Militärgüter an die Kurden geliefert hat, aber diese auch mit in den Kampf gegen die islamistischen Terroristen einbeziehen will, dass die Türkei in Syrien gegen die YPG intervenieren könnte. Bevor die PKK, so der Außenminister, wieder mit der Gewalt begonnen hatte, hätte man die Unterstützung der YPG anders einschätzen können, obwohl sie auch damals schon nicht richtig gewesen wäre. Die USA könne zudem nicht wissen, ob die Munition nicht doch wieder beim Islamischen Staat ankommt.