USA und Saudi-Arabien wollen "gemäßigte syrische Opposition" stärker unterstützen

US-Außenminister John Kerry mit König Salman am 24. Oktober in Riad. Bild: state.gov

Gleichzeitig soll mit Russland eine politische Lösung erarbeitet werden, schießt die Türkei quer und gerät auch manches andere in Fluss

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Bei seinem Treffen mit dem saudischen König Salman vereinbarte US-Außenminister Kerry in Riad eine verstärkte Unterstützung der gegen den Islamischen Staat kämpfenden "gemäßigten syrischen Opposition". Welche Rebellen unterstützt werden sollen, bleibt aber unklar, schließlich kämpfen die meisten oder alle Gruppen auch gegen die syrische Armee und Assad. Man will aber gleichzeitig einen "politischen Übergang" in Syrien erreichen. Ziel sei ein "vereintes, pluralistisches und stabiles Land für alle Syrer", sagte der Sprecher des US-Außenministers.

Der russische Präsident Putin hatte mit seinen Angriffen auf die Gegner Assads, darunter auch von den USA und Saudi-Arabien unterstützte Rebellengruppen, die mit Islamisten kooperieren, die u.a. von Katar unterstützt werden, nach einer Zuspitzung des Konflikts tatsächlich Annäherungen zu einer politischen Lösung des Konflikts ermöglicht. Zwar wird zwischen Moskau und Washington noch darüber gestritten, wie schnell Assad seinen Platz räumen muss, aber der Wille scheint da zu sein, wie auch immer bedingt zu kooperieren.

Viele entscheidende Fragen sind allerdings nicht nur offen, sondern scheinen schier unmöglich lösbar zu sein, zumindest auf die Schnelle. Ungeklärt ist denn eben auch, welche Gruppen an einem politischen Prozess beteiligt werden sollen. Dabei spielen zwischen den USA und Russland die bewaffnete Opposition eine Rolle, von den einen als Rebellen, manchmal auch gemäßigte, bezeichnet, von den anderen als Terroristen. Die Ankündigung der saudischen und der US-Regierung bestimmten Gruppen stärker zu unterstützen - eventuell auch mit Luftabwehrraketen, was sie schon lange fordern? -, soll diese als Verhandlungspartner stark machen, um dem von Russland favorisierten Assad-Regime etwas entgeggenzusetzen. Dazu ist auch notwendig, dass diese von der Offensive der von russischen Kampfflugzeugen unterstützten syrischen Armee nicht zu weit zurückgedrängt werden.

Kerry kündigte an, nach dem Treffen der Außenminister Russland, der USA, Saudi-Arabiens und der Türkei schon am kommenden Freitag eine größere internationale Konferenz abhalten zu wollen, an der möglichst alle Parteien teilnehmen sollen, die Einfluss auf die syrische Regierung und ihre Opposition haben. Ob freilich Iran auch einbezogen wird, ist noch fraglich, da Saudi-Arabien dagegen opponiert. Für den saudischen Außenminister al-Jubeir ist der Iran eine "Besatzungskraft", die Terrorismus exportiert. Zudem tritt er für die Absetzung von Assad ein. Ohne den Iran, dessen Einbeziehung auch Russland fordert, dürfte es sowieso keine Lösung geben.

Aber da ist auch noch das Nato-Land Türkei, das sich schon seit langem querstellt und seine eigenen geopolitischen Interessen durchsetzen will. Seit langem dringt die türkische Regierung nicht nur auf einen sofortigen Rücktritt von Assad, ihre Syrienpolitik ist zudem vor allem durch die Haltung zu den Kurden bestimmt. Innenpolitisch hat Erdogan auch durch den Wahlerfolg der prokurdischen HDP die absolute Mehrheit seiner AKP verloren, außenpolitisch fürchtet er, dass sich in Syrien an der Grenze zur Türkei das von den YPD-Kurden kontrollierte Gebiet zu einer autonomen kurdischen Region, wenn nicht zu einem Staat entwickeln könnte. Das ist für die türkische Regierung offenbar mit größerer Angst besetzt als der Islamische Staat. So demonstrieren auch die Luftangriffe, die die Türkei, seitdem sie Mitglied der US-geführten Koalition gegen den IS wurde, dass die PKK als wichtigerer Gegner erachtet wird als der IS.

Nachdem die Strategie der USA gescheitert ist, selbst mit "gemäßigten" Kämpfern Bodentruppen in Syrien aufzubauen, setzt man in Washington auf die syrischen Kurden, die den IS und auch andere islamistische Gruppen erfolgreich bekämpften, aber mit dem Assad-Regime eine Politik der gegenseitigen Duldung verfolgt haben. Um die wiederum mit der PKK verbundenen syrischen Kurden unterstützen zu können, wurde schnell eine neue Allianz gegründet, die auch arabische Stämme und Gruppen umfasst und die man auch mit 50 Tonnen an Munition versorgte, die allerdings, wie es scheint, nur bei den Kurden angekommen sind.

Der Türkei gefällt dies überhaupt nicht. Das Land muss einerseits mit einem neuen Flüchtlingsstrom rechnen, wenn die von russischen Fliegern unterstützte Offensive der syrischen Armee gegen Aleppo weitergeht und Erfolg hat, aber kann andererseits gerade auch die EU-Karte wegen der Flüchtlinge zücken. Aus der EU hört man derzeit wenig Kritik am Vorgehen gegen die PKK und die Kurden. Präsident Erdogan verschärft derzeit den Ton gegen die USA und Russland, die beide, wenn auch aus unterschiedlichen Interessen heraus auf die kurdischen Bodentruppen setzen. Russland und die USA würden nur noch mehr Probleme schaffe, Assad müsse weg, die PYD sei wie die PKK eine Terrororganisation. Er kritisierte vor allem Waffenlieferungen an die syrischen Kurden und drohte erneut, dass man niemanden erlaube, die Situation in Nordsyrien zu verändern. Man werde entweder "konkrete Aktionen" unternehmen - "oder dieses Problem wird ein Problem der Welt und Europas werden".

Ob Assad offen ist, auch mit einigen bewaffneten Gruppen zu sprechen, wie der russische Präsident meinte, ist offen. Assad wird nichts anderes übrigbleiben, als dem Druck Russlands nachzugeben, schließlich will Putin über die Lösung des Syrien-Konflikts auch Russland als friedensstiftende Großmacht etablieren. Aber erst einmal wird auch hier weiter gespielt. Eine politische Lösung könne es erst geben, so Damaskus, wenn alle Terrorgruppen eliminiert sind.

Auch syrische Oppositionelle pokern. So erklärten Vertreter der Freien Syrischen Armee und der Syrischen Nationalen Koalition gegenüber dem Sender al-Arabiya, dass man ein Angebot Moskaus zur Unterstützung im Kampf gegen den IS ausgeschlagen habe. Abgelehnt wird auch der Vorschlag Russlands nach neuen Wahlen. Bei den letzten Wahlen im Juni 2014 hatte Assad mit mehr als 88 Prozent gewonnen.

Zumindest so lange Russland die Freie Syrische Armee bombardiert, um Assads Truppen zu helfen, wird es hier keine Einigung geben. Samir Nashar von der Syrischen Nationalen Koalition, wirft Russland vor, das Verlangen des syrischen Volks nach dem Rücktritt Assads zu umgehen: "Die Russen ignorieren die wirklichen Fakten mit Millionen Menschen, die in Syrien und außerhalb vertrieben wurden, mit Städten, die jeden Tag zerstört werden. Über welche Wahlen sprechen sie, die man unter diesen Bedingungen abhalten sollte?"

Die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti meldet jedoch, dass Fahad al-Masri, einer der Mitbegründer der "Freien Syrischen Armee" erklärte habe, man sei zum Dialog mit Moskau bereit: "Wir sollten ein Treffen vereinbaren, um unsere Auffassungen und das weitere Vorgehen auszutauschen (…) Die gemeinsamen Entscheidungen darüber, in welcher Form Russland der 'Freien Syrischen Armee' Hilfe anbieten könnte, werden wir im Laufe der Gespräche verhandeln", wird al-Masri zitiert.