BGH-Urteil: Sympathie für den Dschihad ist noch kein Terrorismus

Bundesgerichtshof pocht im Fall einer Syrienheimkehrerin auf genaue Voraussetzungen, die für die Vorbereitung einer "schweren, staatsgefährdenden Gewalttat" gegeben sein müssen

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Eine durch drastische Veränderung des Lebensweges dokumentierte Begeisterung für den Dschihad, darin eingeschlossen die Ausbildung an Waffen, reicht nicht, um den Straftatbestand nach § 89 Abs. 1 S. 2 StGB - "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" - zu erfüllen, geht aus dem heute verkündeten Urteil des Bundesgerichtshofs hervor.

Es geht um den Fall einer sogenannten Syrien-Heimkehrerin, der von der Staatsanwaltschaft des Landgerichts München I zur Revision an den BGH überwiesen wurde. Die Staatsanwaltschaft fanden das Urteil des Gerichts zu milde: eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, zur Bewährung ausgesetzt. Grundlage des Schuldspruchs war die Entziehung Minderjähriger nach § 235 StGB - und eben nicht der genannten Strafgesetzbuch-Paragraf, der sie zur Terroristin erklärt hätte:

(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. (…) (2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1. eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,(…)

§ 89 Abs. 1 S. 2 StGB

Zwei Jahre nachdem die Angeklagte zum Islam konvertiert war, reiste sie Anfang 2014 nach Syrien. Dabei nahm sie, ohne dem Vater Bescheid zu geben, ihre beiden minderjährigen Töchter mit. In Syrien wurde sie nach islamischen Recht Zweitfrau eines al-Nusra-Mitglieds. Infolge ihres"Sympathisierens" mit dieser Vereinigung, wie es in der Fallbeschreibung der BGH-Pressemitteilung ausgedrückt wird, ließ sie sich im Umgang mit Schusswaffen unterweisen.

Sie war bereit, die der Familie zur Verfügung stehenden Waffen - eine Maschinenpistole, ein Sturmgewehr und Handgranaten - bei einem Angriff durch die syrische Armee oder Kämpfer gegnerischer Gruppierungen einzusetzen und dabei die Angreifer gegebenenfalls zu töten. Aufgrund der immer größer werdenden Gefahr kehrte sie mit ihren Töchtern im Mai 2014 nach Deutschland zurück.

Laut Berichten zum Urteil des BGH - die Entscheidung lag bis zum heutigen Abend noch nicht auf der Webseite des Gerichts vor -, erkannten die Richter des 3.Senats im Verhalten der Frau eine defensiv ausgerichtete Einstellung. Ziel ihrer Ausbildung an den Waffen sei es gewesen, "bei einem Angriff ihr Leben und das ihrer Kinder verteidigen zu können" (Tagesschau). "An einer aktiven Kampfhandlung habe sie sich nicht beteiligt und dies auch nicht vorgehabt." (Legal Tribune Online)

Wie dies zuletzt auch ihre Rückkehr dokumentiere, sei die Absicht der Frau erkennbar, Kämpfen aus dem Weg zu gehen. Aus diesem Grund habesie mit ihren Kindern in Syrien mehrfach den Wohnort gewechselt habe, um nicht in Kämpfe verwickelt zu werden.

Dem steht gegenüber, dass sie im Chat mit dem Vater der Kinder vom "Märtyrertod" geschwärmt haben soll.

Inwieweit die angeberische Begeisterung für den Märtyrertod in ein aggressives Verhalten umschlagen könnte, bleibt offen. Laut ihrem Anwalt sei die Frau lediglich bereit gewesen, die Maschinenpistole, ein Sturmgewehr und Handgranaten in Syrien zur Selbstverteidigung gegen die syrische Armee einzusetzen. Wenn die anrücke, so wird er zitiert, gelte: "Da gibt's keine Diskussionen - da wird geschossen".

Die Richter des Staatschutzsenats des BGH, die das Urteil des Münchner Landgerichts bestätigten, folgerten:

Bei Handlungen, die in erster Linie allein der Verteidigung und dem Schutz des eigenen Lebens dienen, liege es regelmäßig fern, die Voraussetzungen des § 89a StGB zu bejahen, heißt es in der Entscheidung. Das folge aus dem Wortlaut der Strafnorm und ihrem Sinn und Zweck, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auf die Verfolgung terroristischer Einzeltäter ziele.