USA: Ein militärisches Überwachungs-Luftschiff geht AWOL

JLENS-Luftschiff. Bild: Raytheon

Das Luftschiff sollte dazu dienen, aus einer Höhe von 3 km die Ostküste zu überwachen, um Marschflugkörper, Drohnen, Schiffe oder Fahrzeuge zu orten und zu verfolgen

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Gestern gegen Mittag Ortszeit löste sich ein 70 m langes und 24 m dickes Prallluftschiff (Blimp), das keinen Antrieb hat und ein Leergewicht von 3.200 kg besitzt, von seiner Verankerung über dem Aberdeen Proving Ground (APG), eine Forschungseinrichtung der US Army nördlich von Baltimore im US-Bundesstaat Maryland. Es trieb anschließend Richtung Nordwesten nach Pennsylvania.

Verfolgt wurde es von zwei F-16-Kampfjets, soll aber weiter die Höhe halten. Das North American Aerospace Defense Command (NORAD) kooperierte nach eigenen Angaben mit der Flugüberwachungsbehörde FAA und anderen Partner, um für die Sicherheit des Luftraums zu sorgen und das Luftschiff zu bergen. Gefährlich war das Luftschiff auch deswegen, weil noch ein 2000 m langes Kabel an ihm hing. APG mahnte zur Vorsicht und bat, wenn es gesichtet wird, 911 anzurufen. Nach 3,5 Stunden Flug ist es in der Näge von Moreland Township, Pennsylvania, abgestürzt, wie NORAD berichtete. Das Gebiet soll abgesichert worden sein. Während des Flugs beschädigte das Luftschiff mit seinem Kabel Stromleitungen. In zwei Counties kam es für 27.000 Haushalte zu Stromausfällen, die Bloomsburg University stellte wegen des Stromausfalls vorübergehend den Unterricht ein.

Das von Raytheon gebaute Luftschiff wird vom Militär als Joint Land Attack Cruise Missile Defense Elevated netted Sensor System (JLENS) bezeichnet und ist Teil eines Plans, an der gesamten Ostküste mit seinen Sensoren nach feindlichen Schiffen, Flugzeugen, Drohnen oder Marschflugkörpern Ausschau zu halten, um diese abzufangen und die Städte zu schützen (Überwachungs-Luftschiffe über Washington).

Da im Osten nach den Nato-Ländern erst einmal nur Russland liegt, dürfte klar sein, gegen wen die Abwehr vornehmlich gerichtet ist. Militärs sagen denn auch, Russland sei das einzige Land mit einer wirklichen Marschflugkörperkapazität. Während das Raketenabwehrsystem gegen ballistische Interkontinentalraketen ausgerichtet ist, soll mit JLENS die Bedrohung durch auch mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegende Marschflugkörper gebannt werden, die von Schiffen, U-Booten, Flugzeugen oder vom Land abgefeuert werden und sehr tief fliegen können, so dass sie sich mit herkömmlichen Radarsystemen nur schwer erkennen lassen.

Bislang hat das Pentagon für das Programm, das in den 1990er Jahren entstand, 2,7 Milliarden US-Dollar ausgegeben, bislang wurden zwei der Luftschiffe gebaut, die 4 Meilen entfernt angebracht wurden und für 3 Jahre getestet werden sollen. Ursprünglich waren 16 angedacht ("Mission: See Everything"), was aber nach der Panne gestern noch weniger Chancen haben dürfte. Sie sind mit zahlreichen Sensoren, darunter neuen Radarsystemen, aber nicht mit Waffen ausgestattet und sind durch einige Glasfaserkabel mit der Bodenstation verbunden. Das eine Luftschiff beobachtet rundum bis zu einer Entfernung von 550 km den Luftraum von New York bis Outer Banks in North Carolina und im Westen bis Ohio. Es kann Ziele verfolgen und diese für den Abschuss durch Raketen von F-16-Maschinen markieren. Das andere Luftschiff soll einen Präzisionsradar enthalten, mit dem auch Ziele auf dem Boden verfolgt werden können, Fahrzeuge beispielsweise bis zu einer Entfernung von 220 km.

JLENS-Luftschiff. Bild: Raytheon

Natürlich ist die Ausrüstung geheim, ob mit den Luftschiffen auch anderweitig überwacht wird, ist nicht bekannt. Die Army versichert, es seien keine Kameras an Bord, Menschen könnten nicht überwacht werden, es würden auch keine persönlichen Daten gesammelt und gespeichert. Das ließe sich allerdings schnell ändern, womit die Luftschiffe zu einem weitreichenden, dauerhaften Überwachungssystem würden. Das zweite Luftschiff war erst im August in den Einsatz gegangen, das erste wurde bereits Ende 2014 angetäut.

Wie gut die Überwachung des Luftraums aber tatsächlich ist, zumindest für kleinere Flugzeuge, ist eine offene Frage. Mitte April war ein Mann aus Pennsylvania mit einem Gyrokopter in die Flugverbotszone in Washington eingedrungen und ist vor dem Kapitol gelandet, nachdem erst im Januar eine Minidrohne im Garten des Weißen Hauses abgestürzt ist. Der Pilot des Gyrokopters wollte mit seiner Aktion, die er zuvor schon auf seiner Website angekündigt hatte, auf die herrschende Korruption aufmerksam machen, vor allem wies er damit aber auf Sicherheitsmängel hin. Ein Sprecher von NORAD erklärte damals, der kleine Hubschrauber sei auf den Flugüberwachungssystemen nicht ausgemacht worden (Spektakuläre Protestaktion gegen Korruption vor dem Kapitol). NORAD verweigerte damals eine Antwort, ob der Gyrokopter von JLENs gesichtet wurde. Die Frage ist weiterhin offen.

Von Florian Rötzer gerade zum Thema Stadt, Sicherheit und Krieg erschienen: Smart Cities im Cyberwar.

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