USA - ein Rechtsstaat?

Rechtsexperten halfen, das völkerrechtswidrige Eindringen von US-Spezialeinheiten in Pakistan und die Ermordung von Bin Laden zu rechtfertigen

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Es ist schon vier Jahre her, als US-Präsident Obama im Langen Krieg gegen den Terror vermeintlich einen großen Triumph mit der Tötung von Bin Laden in Pakistan erzielte. Bin Laden war allerdings bereits keine entscheidende Größe mehr im islamistischen Terrorismus, sondern in seinem Versteck bereits kaltgestellt. Nicht zuletzt hat der Aufstieg des Islamischen Staats gezeigt, dass auch al-Qaida nur noch einen Statistenrolle spielt. Der Tod von Bin Laden war nur ein symbolischer Akt ohne Konsequenzen, abgesehen von juristischen.

Gleichwohl war die verdeckte Aktion einer Spezialeinheit, was Präsident Obama, der Friedensnobelpreisträger, auch später größeren Militäreinsätzen vorzog, gut vorbereitet. Wie auch im Fall der "feindlichen Kämpfer", für die ein juristisches Niemandsland außerhalb der Rechtsordnung von willigen juristischen Experten geschaffen wurde, die auch Folter für legitim erklärten, wurde das Recht traktiert, um die Tötungsaktion in Pakistan ohne Einverständnis der dortigen Regierung zu legitimieren.

Bild: Pentagon

Böse gesagt, sollten die Rechtsexperten das Recht so verbiegen, dass auch der Einfall in ein souveränes Land, die beabsichtigte Ermordung eines Menschen und die nachträgliche Information des Kongresses irgendwie rechtens erscheint. Ganz offensichtlich ging es nicht um eine offene Erörterung der Legitimation der geplanten Aktion, sondern lediglich darum, sie auch hinter dem Rücken der demokratischen Organe rechtlich abzusichern. Das hat weder etwas mit Demokratie noch mit Rechtstaatlichkeit zu tun. Dass sich Akademiker dafür hergeben, wirft kein gutes Licht auf sie. Dabei ist egal, ob Juristen einen Mord im staatlichen Auftrag oder die Rechtlosigkeit von Verdächtigen rechtfertigen oder Psychologen ein Folterprogramm entwickeln und dessen Durchführung legitimieren.

Die beauftragten vier Rechtsexperten von der CIA, dem Pentagon und dem Nationalen Sicherheitsrat entwickelten ihre Strategie auch am Justizministerium vorbei, wie die New York Times berichtet. Klar war, dass man Bin Laden nicht lebendig festnehmen und in Guantanamo inhaftieren wollte. Obama wollte sowieso keine neuen Gefangenen, die Devise war, die Verdächtigen lieber zu töten, um die Probleme zu vermeiden. Das wurde in Afghanistan und Pakistan u.a. mit den Drohnenangriffen realisiert, aber der Überfall auf das Haus von Bin Laden in Pakistan mit einer Truppe von US-Soldaten war etwas ganz anderes. Drohnen wurden zwar von der pakistanischen Regierung kritisiert, aber geduldet, das Eindringen von US-Soldaten stellte aber ein ganz anderes Problem dar - es war schlicht völkerrechtswidrig ohne das Einverständnis der pakistanischen Regierung. Und die Tötung eines Verdächtigen verletzt die Prinzipien eines Rechtstaates.

Nach der NYT wurde zunächst daran gedacht, das Haus von Bin Laden zu bombardieren und Kollateralschäden einfach in Kauf zu nehmen. Die Rechtsexperten faden das auch okay. Politisch sei das aber nicht als weise empfunden worden, zudem hätte man womöglich nicht beweisen können, dass Bin Laden dabei wirklich getötet wurde (dabei fällt ein, was ist eigentlich aus den gefangenen Frauen geworden?)

Bild: Weißes Haus

Die Rechtsexperten erklärten, ein militärisches Eindringen in ein anderes Land wäre rechtens, wenn dieses nicht in der Lage oder willens sei, eine Bedrohung, die von seinem Territorium ausgeht, abzustellen. Das ist ein Freibrief für einen Überfall. Argumentiert wurde, dass man zwar an das nationale Recht gebunden sei, das aber eine Verletzung des internationalen Rechts rechtfertige. Mary DeRosa, die Rechtsberaterin des Nationalen Sicherheitsrats, befand es in einem Memo auch ganz in Ordnung, wenn die US-Soldaten den Auftrag hätten, Bin Laden zu töten. Diskutiert wurde, wann es rechtlich okay sei, Bin Laden zu töten, auch wenn er sich ergeben wollte - was nach dem Kriegsrecht ein Kriegsverbrechen wäre. Legal wäre es, so die Rechtsexperten, wenn jemand auf die Soldaten schießen sollte, was auch behauptet wurde, oder wenn Bin Laden versteckt eine schusssichere Weste tragen würde.

Abgesichert werden musste schließlich auch noch, die Leiche von Bin Laden im Meer zu versenken. Nach den Genfer Konventionen müsste ein Feind, wenn möglich, nach seinen religiösen Überzeugungen beerdigt werden. Es gebe aber Ausnahmen, wurde argumentiert. Man müsse nur Saudi-Arabien, das Geburtsland, fragen, ob es die Leiche wolle. Die Saudis hätten aber abgelehnt. Also konnten Obama, Clinton und die anderen ruhig zusehen, wie der Mordanschlag vollzogen wurde.