Wird sich die Menschheit selbst verbrennen?

Kommentar zum Weltklimagipfel

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Fakt ist, dass wir heute an einem Tag weltweit etwa so viel Kohle, Gas und Öl verfeuern, wie die Natur in einer Million Tagen geschaffen hat. Wir verbrennen die Zukunft unserer Kinder und Enkel.

Wohin führt das? Kann das UNO-Ziel, lediglich zwei Grad globale Erderwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts zuzulassen, noch erreicht werden? In einem Spiegel-Interview sagt der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Professor Hans Joachim Schellnhuber, dazu: "Wenn wir weiter wie von Sinnen Kohle, Öl und Gas verfeuern, landen wir bei 4 Grad oder gar 8 Grad. Dann würden wir uns in einer brandgefährlichen Welt wiederfinden, in der elf Milliarden Menschen wohl kaum friedlich zusammenleben könnten." Unvorstellbar, welche Flüchtlingsströme dann erst über den Erdball ziehen würden.

Schellnhuber wurde zu seinem neuen Buch "Selbstverbrennung - Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff" befragt. Sein Institut hat vor wenigen Tagen eine neue Studie vorgelegt, in der prognostiziert wird, dass die Golfstaaten schon am Ende dieses Jahrhunderts nicht mehr bewohnbar sein werden, wenn das Klimaschutzziel von zwei Grad verfehlt würde. Es könnte dann dort eine Hitze von bis zu 60 Grad herrschen (Klimawandel: Tödliche Hitze).

Dennoch ist Schellnhuber vier Wochen vor dem Pariser Weltklimagipfel gemäßigt optimistisch. Denn seine Supercomputer haben errechnet, dass die aktuellen Zusagen von 150 Staaten an Klimaschutzmaßnahmen für die Paris-Konferenz einen mittleren Temperaturanstieg von 2,7 Grad bis zum Jahr 2.100 gegenüber dem Beginn des Industriezeitalters ergeben. Schellnhuber dazu im Spiegel: "Das erste Mal sehen wir die 2 vor dem Koma. Vielleicht geht da noch etwas."

Die größten Fortschritte im Klimaschutz waren bisher das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz, die neue Zusage Chinas auf der Weltwindkonferenz in Jerusalem, bis 2050 wie Deutschland zu 100% auf erneuerbare Energien umzusteigen, sowie der Beschluss der indischen Regierung, massiv in Solar- und Windenergie zu investieren und dabei eng mit Deutschland zu kooperieren. Weil Solar- und Windstrom in den letzten 15 Jahren um bis zu 80% preisgünstiger wurden und im Gegensatz zu fossil-atomaren Kraftwerken nur geringe Folgekosten haben, ist der rasche Umstieg auf die Erneuerbaren und mehr Energieeffizienz die größte Chance zur Rettung des Weltklimas.

Paris wird zeigen, dass das gute Beispiel weniger Energiepioniere wie Deutschland, Dänemark, Österreich, China und Indien sowie vielleicht sogar der USA der beste Weg ist, die heute noch Zögernden und Zaudernden ebenfalls auf den 100%-Pfad zu locken. Je preiswerter der Umstieg wird, desto größer ihr Umsatz in großem Stil. 2014 wurde weltweit erstmals mehr Geld in Erneuerbare Energieträger investiert als in die alten. Das Verhältnis betrug etwa 280 Milliarden Dollar zu 240 Milliarden.

Und wenn wir bis 2050 diesen Pfad der Dekarbonisierung nicht schaffen? Professor Schellnhuber: "Dann hausen wir in Mondstationen… Ab einem Temperaturanstieg um sieben und acht Grad entstünden auf der Erde erste Hitzewellen, wo die natürliche Abfuhr von Körperwärme nicht mehr möglich wäre. Menschen könnten dort im Freien nicht überleben. Bei einer regionalen und saisonalen Erwärmung von elf bis zwölf Grad würden diese Todeszonen einen geografisch bedeutsamen Raum umfassen. Erst vor wenigen Tagen ist eine Studie erschienen, nach der vor allem die arabischen Ölstaaten betroffen wären - eine bittere Ironie."

Es gilt immer: Wir können nur ernten, was wir säen. Noch gibt es einen Ausweg. Aber wie lange noch?

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