"Der Klimawandel ist real"

Die Energie- und Klimawochenschau: Von unzureichenden Selbstverpflichtungen, diplomatischen Hoffnungen, einem Bündnis der besonders Gefährdeten und von costa-ricanischer Entwicklungshilfe

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Noch vier Wochen bis zur diesjährigen UN-Klimakonferenz. Wird in Paris diesmal endlich ein internationaler Klimaschutzvertrag für die Zeit nach 2020 herauskommen? Und wenn ja, wie wird er aussehen? Umweltorganisationen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen aus Frankreich und vielen anderen Ländern bereiten sich auf massive Proteste vor.

Und das ist wohl auch bitter nötig. Vergangene Woche stellte Christiana Figueres, die als Generalsekretärin des Sekretariats der UN-Klimarahmenkonvention in Bonn die Verhandlungen leitet, die bisher eingegangen Selbstverpflichtungen der Staaten vor. Das Ergebnis war für jene, die auf Einsicht gehofft hatten, ernüchternd.

Christiana Figueres. Bild: UNFCCC

Die bisher abgegebenen Versprechen, so hatte bereits im Vorfeld die Internationale Energie-Agentur (IEA) ausgerechnet, reichen besten Falls, um die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2,7 Grad Celsius zu begrenzen - wenn sie denn tatsächlich umgesetzt werden.

Figueres gab sich dennoch optimistisch. Die costa-ricanische Diplomatin, die sich seit zwei Jahrzehnten beruflich für Klimaschutz und erneuerbare Energieträger engagiert, hofft, dass die Selbstverpflichtungen in einen neuen Klimaschutzvertrag einfließen, der in Paris verabschiedet werden soll. Insbesondere setzt sie darauf, dass dieser Vertrag diesmal als ein offener, alle wichtigen Staaten einschließender Prozess angelegt, in dem dann im weiteren Verlauf nach und nach ehrgeizigere Klimaschutzziele verhandelt werden können.

Die Situation sei heute, so Figueres am vergangenen Freitag gegenüber der Presse in Berlin, eine andere als vor sechs Jahren. Damals waren im dänischen Kopenhagen Verhandlungen über die Nachfolge des Kyoto-Protokolls mit lautem Knall geplatzt. Inzwischen habe sich der ökonomische Rahmen entscheidend verschoben.

Umstieg möglich

Die erneuerbaren Energieträger, vor allem Windkraftanlagen und Fotovoltaik, seien deutlich billiger geworden, sodass die Machbarkeit des Umstiegs inzwischen auf der Hand liege. In 43 Ländern sei bereits Netzparität erreicht, das heißt, der grüne Strom kostet dort für den Endkunden nicht mehr als der konventionell erzeugte. Andererseits werden Investitionen in fossile Energieträger riskanter und das Kapital beginne, dort abzufließen. Figueres hofft also, dass Eigeninteresse zum entscheidenden Motor des Klimaschutzes wird. Entsprechend ist auch in den Selbstverpflichtungen einiger Staaten viel von den Zielen beim Ausbau der Erneuerbaren die Rede. China will zum Beispiel bis 2030 den Anteil der nicht-fossilen Brennstoffe, damit ist in diesem Falle unter anderem auch die Atomenergie gemeint, am Primärenergieverbrauch auf 20 Prozent erhöhen. Zu diesem Zweck wird zum Beispiel der verstärkte Ausbau der Solarenergie angestrebt. Bis 2020 soll die Windkraft auf 200 Gigawatt (GW) und diese Solarleistung auf 100 Gigawatt erweitert werden. Allerdings gegen Beobachter davon aus, dass im neuen Fünf-Jahresplan eher 150 GW angestrebt werden, was in etwa dem gegenwärtigem Ausbautempo entspräche. Auch die Erdgasnutzung, die Wasserkraft aber auch die Atomkraft sollen ausgebaut, der Kohleverbrauch hingegen gedeckelt werden.

Die EU hat eine gemeinsame Selbstverpflichtung abgegeben, in der sie verspricht, ihre Emissionen gegenüber dem Niveau von 1990 um 40 Prozent zu reduzieren. Davon sind 19 Prozent bereits erreicht. Nach den Angaben in dem EU-Dokument würden damit die Pro-Kopf-Emissionen von 12 Tonnen CO2-Äquivalente im Jahre 1990 über neun Tonnen derzeit auf dann noch sechs Tonnen absinken. Damit würde die Union noch immer weit über dem Niveau liegen, das erreicht werden muss, um den weiteren Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre aufzuhalten.

Ausbaufähig?

Die in der Diplomatensprache INDC (Intended National Determined Contribution) genannten Selbstverpflichtungen sind im Vorfeld der diesjährigen UN-Klimakonferenz eingesammelt worden. Diese beginnt Anfang Dezember in Paris. Frankreichs Staatspräsident Françoise Hollande hat zum Auftakt seine Amtskollegen aus aller Welt eingeladen, um den Verhandlungen einen besonders starken Impuls zu verleihen, aber ob die INDC als verbindlich in den auszuhandelnden Vertrag aufgenommen werden, ist offen.

Figueres zeigte sich diesbezüglich in Berlin eher leidenschaftslos. Es gebe genug Beispiele für völkerrechtlich verbindliche Verträge, die nicht eingehalten würden. Das Kyoto Protokoll sei dafür ein Beispiel gewesen. Einige Staaten hätten unterschrieben, aber nicht ratifiziert, andere ratifiziert, ohne ihren Verpflichtungen nachzukommen. Für letzteres sind Kanada und Japan Beispiele für ersteres die USA, Figueres vermied es allerdings - ganz diplomatisch- Namen zu nennen.

Die Costa-Ricanerin hofft auf ein Abkommen in Paris, das später ausgebaut werden könnte. Ähnlich hatte es einst mit der UN-Konvention zum Schutz der Ozonschicht funktioniert. Auf einem ursprünglich schwachen Vertrag aufbauend führte dies relativ schnell zu Vereinbarungen, die schließlich den Ausstoß der das Ozon in der höheren Atmosphäre abbauenden Chemikalien - sogenannte FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) - eingedämmt werden konnte. Allerdings sind die Quellen der Treibhausgase und die mit ihnen verbundenen wirtschaftlichen Interessen wesentlich komplexer, als es bei den FCKW der Fall war.