Geplanter Verschleiß: Anmerkung zu einem zähen Diskurs

Wir brauchen Lebensdauer-Informationen

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Sie ist eher ziemlich zäh und konsequenzlos, die Diskussion um den "Geplanten Verschleiß", also dem Vorwurf, die Konsumgüterindustrie gestalte die Lebensdauer ihrer Produkte aus Absatzinteresse weitaus kürzer als möglich. Tatsächlich wäre es ein wesentlicher Beitrag zur Umwelt- und Klimapolitik, gäbe es mehr langlebige Güter. Dazu ein Vorschlag.

Stefan Schriddes Initiative "Murks - Nein Danke!" (vgl. Geplante Obsoleszenz), die sich der Lebensdauerverlängerung unserer Konsumgüter und damit ebenso der Umweltentlastung und Ressourcenschonung verschrieben hat, fand nicht nur Zustimmung. Das sonst durchaus kritische NDR-Medienmagazin Zapp äußerte sich recht ablehnend zum Vorwurf der geplanten Obsoleszenz, die gebe es nämlich gar nicht, war das Resümee.

Auch in Telepolis setzte sich ein Beitrag (Geplante Obsoleszenz) mit dem Mythos Obsoleszenz auseinander. Der Vorwurf des geplanten Verschleißes wäre in erster Linie eine Verschwörungstheorie, denn die Hersteller bauen eben günstige (= kurzlebige) und teure (= langlebige) Konsumgüter. Was so natürlich falsch ist, denn teuer bedeutet nicht automatisch "gut".

Kaum Forschung

Tatsächlich hat es in den letzten Jahrzehnten kaum Forschungsarbeiten zur Obsoleszenzfrage gegeben, obschon dieses Thema in den 1970er Jahren ausführlich behandelt wurde. Das hat wohl damit zu tun, dass die universitäre Wissenschaft seit jener Zeit, also ab den 1980er Jahren, intensiv auf drittmittelfinanzierte Forschung umgestellt hat. Drittmittelfinanziert das klingt so schön neutral, dabei geht es vor allem um Industriegelder. Naheliegend ist das Interesse der Industrie an einer kritischen Sichtung ihrer Absatzpraktiken gering.

Nach jahrzehntelangem Wegschauen der Wissenschaft hat sich nun das Umweltbundesamt des Themas angenommen und auch dieses Jahr einen ersten Zwischenbericht präsentiert. Richtige Ergebnisse, ob nämlich heute die Konsumgüter tatsächlich kürzer verwendet werden bzw. nicht so lange haltbar sind wie früher, gibt es da natürlich noch nicht. Aber zumindest ist einmal der Ist-Zustand erhoben, das gilt ähnlich auch für Österreich.

Welcher Verschleiß?

Kürzer verwendet - oder kürzer haltbar? Genau hier liegt ein Kernproblem bei der Erforschung von geplantem Verschleiß. Technische Obsoleszenz oder psychische Obsoleszenz? Wenn Verbraucher stets das neueste Modell eines Galaxy- oder iPhone-Handy haben wollen, ist das psychischer Verschleiß, wenn der Akku nach einem Jahr schlapp macht, ist das technischer Verschleiß. Der erste wird durch Werbung und Marketingmaßnahmen erreicht, der zweite durch eine entsprechende Gestaltung bei der Konstruktion oder Herstellung des Geräts.

Dazu kommt, Reparaturen sind heute unverhältnismäßig teuer, mitunter gar nicht möglich, da Ersatzteile fehlen. Oft ist ein Ersatzkauf für den eiligen Verbraucher die bessere, günstigere Wahl. Die Preise vieler Konsumgüter sind ja, rechnet man die frühere Inflation mit ein, deutlich gesunken.

Ersatzkäufe freuen auch Handel und Hersteller, kurbeln die Wirtschaft an und werden mitunter aus unser aller Steuergeldkasse finanziert, Stichwort: Neuwagenprämie. Ressourcenschonung und Umweltbelastung oder Klima spielen dabei keine Rolle mehr. Nur zur Erinnerung: Bei einer Halbierung der Nutzungsdauer verdoppeln sich Ressourcenabbau und Umweltbelastung.

Nutzungsdauer wird kürzer

Tatsächlich wird die Nutzungsdauer der Güter bei den Konsumenten kürzer, wie sich mit einer kleinen Längsschnittstudie zeigen ließ.1 Verglichen wurden dabei die Bestandszeiten der aktuellen Geräte in den privaten Haushalten im Jahr 1989 und 2013.

Viele der heutigen Konsumgüter - das muss man extra sagen, da das vielen Menschen auf den ersten Blick gar nicht auffällt - gab es damals nicht oder nur selten, etwa das Mobiltelefon, den CD-Player, Notebooks, Espressomaschinen, Mikrowellengeräte, usw., bei der Wohnraumheizung gab es in der Zwischenzeit wesentliche strukturelle Veränderungen (beispielsweise Fernwärme). Es blieben damit vier vergleichbare Gerätekategorien übrig (das Auto war 1989 nicht erhoben worden) und da zeigten sich über den langen Zeitraum, fast ein Vierteljahrhundert, doch Veränderungen in der Bestandsdauer.

Im Mittelwert ergab sich ein Bestandsalter in Jahren von:

  • Waschmaschine: 7,0 (1989) und 6,2 (2013)
  • Kühlschrank: 8,4 (1989) und 9,9 (2013)
  • (Haupt-)Fernsehgerät: 6,9 (1989) und 5,3 (2013)
  • Kaffeemaschine: 5,2 (1989) und 4,7 (2013)

Drei von vier Gerätekategorien sind heute also kürzer im Haushalt, nur der Kühlschrank länger, wobei die Gründe dafür nicht erfasst wurden. Die Verbraucher gaben übrigens mehrheitlich an, bei einem Defekt einen Neukauf zu bevorzugen, da das müheloser und schneller ist. Die Menschen haben sich diese Präferenz offenbar angewöhnt, oder besser: sie ist ihnen vom Markt so beigebracht worden. Obwohl sie es in ihren Vorstellungen grundsätzlich lieber langlebig hätten.

Gutmeinende Mitmenschen würden jetzt, wie schon in den letzten Jahrzehnten bei Umweltfragen, sagen: Wir müssen die Verbraucher motivieren, mehr auf die Lebensdauer ihrer Geräte zu achten. Umweltfreundlicher Einkauf ist eine Verbraucherpflicht.

Na, wie denn? Es gibt praktisch keine den Konsumenten zugängliche Information zur Lebensdauer von Geräten - mit einer Ausnahme: Miele deklariert etwa bei ihren Waschmaschinen, sie seien auf eine Lebensdauer von 20 Jahren oder 10.000 Betriebsstunden ausgelegt. Von diesem einen Hersteller abgesehen gibt es allerdings auf unseren großen, schönen Märkten keine weiteren Informationen zu Lebensdauerfragen. Nur viel Werbung mit emotionalen Motiven und immer schnellere Pseudoinnovationen, mit denen das jeweilige Vorgängermodell psychologisch veraltet wird. Verbraucher können nur raten, ob ein teureres Gerät länger hält.

Lebensdauer-Informationen müssen her

Was Miele kann, nämlich die Nutzungsdauer eines Produktes anzugeben, könnte man doch von allen Herstellern verlangen? Ein Etikett auf dem die Lebensdauer in Jahren und Betriebsstunden steht, und zwar bei allen Geräten, das wäre eine handfeste Information für Verbraucher. Bei der Energiekennzeichnung (gegen die sich die Hersteller jahrelang heftig gewehrt haben) ging das doch auch.

Mit einer derartigen Lebensdauerinformation wäre überhaupt erst eine richtige Entscheidung der Verbraucher möglich, nämlich beim Kauf einen raschen Hinweis nicht nur zum Preis, sondern ebenso zur Qualität und damit zur Umweltfreundlichkeit eines Produkts zu erhalten. Der wird den Konsumenten bis heute vorenthalten. Erst dann hat es aber Sinn, sie zu einem umweltfreundlichen kaufverhalten zu animieren.

So eine Lebensdauerkennzeichnung ist eine ganz milde Maßnahme, etwa im Vergleich zum möglichen Verkaufsverbot kurzlebiger Gebrauchsgüter. Eine Maßnahme, die ohne große Eingriffe Marktversagen korrigieren würde und wirklich marktwirtschaftskonform ist, genauer: funktionierende Marktwirtschaft erst einmal herstellt. Offensichtlich gäbe es da verbraucherpolitischen und umweltpolitischen Handlungsbedarf.