AfD-Demo: Erfurter Verhältnisse in Berlin

Bild: F. Köhler

Rund 5000 AfD-Anhänger demonstrieren am Samstag in Berlin gegen Merkel, Flüchtlinge, Linke und die Medien

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Sie redete, redete und redete. Von deutschen Grenzen, die "endlich wieder geschützt werden" müssten. Vom "deutschen Volk", dass "endlich wieder souverän sein" müsse. Und natürlich von Merkel und der "einzigen Alternative." Als AfD-Chefin Frauke Petry am Samstagnachmittag vor dem Berliner Hauptbahnhof ihren "7000" Anhängern fürs Zuhören dankte, da hatte sie schon so lange geredet, dass bestenfalls noch 2000 Menschen vor ihr standen.

"Asyl braucht Grenzen" hatte sich die AfD an diesem Tag auf das Transparent geschrieben und 5000 Menschen liefen hinterher. So viele Menschen hat die AfD jenseits von Erfurt noch nie auf die Straße bekommen. Die Zahl nannte die Berliner Polizei.

"Viel zu viele" dürften es in den Augen der Gegendemonstranten gewesen sein, die sich rund fünf Stunden zuvor und vier Kilometer entfernt am Checkpoint Charlie versammelt hatte. "Den Versuch, ihr rechtes Projekt mit rassistischer Hetze von den Kommentarspalten auf die Straße zu bringen, werden wir in Berlin nicht zulassen und entschlossene Blockaden dagegen setzen", versprach Demo-Anmelderin Hannah Eberle.

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"Es kann nicht sein, dass mitten in Berlin gegen Homosexuelle, Geflüchtete und was weiß ich gegen wen noch alles gehetzt" wird, sagte Philipp, der mitsamt Regenbogenfahne aus Potsdam angereist war. Und eine junge Frau, die nicht Tanja heißt, aber gern so genannt werden möchte, erklärte: "Es macht mich fertig zu sehen, wie in Deutschland wieder mit Minderheiten umgegangen wird. Wir müsse überall gegen Nazis auf die Straße gehen, auch gegen die, die selbst denken, sie wären keine."

"Antifa, ha ha ha" und "Hopp, hopp, hopp - Aufnahmestopp"

Je näher der Zug der Gegendemonstranten zeitlich und örtlich dem Startpunkt der AfD-Demo am Alexanderplatz kam, desto häufiger versuchten Demoteilnehmer die Reihen der Berliner Polizei zu durchbrechen, um die angekündigten Blockaden in die Tat umzusetzen. Da halfen auch die gegenteiligen Bitten aus dem Lautsprecherwagen der Anmelder nichts.

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Als die AfD-Kundgebung gegen 13 Uhr schließlich von der AfD-Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch eröffnet wurde, war außer "Storch halt die Fresse" nicht viel von ihrer Rede zu verstehen. Mehrere hundert Gegendemonstranten sorgten aus allen Richtungen dafür, dass die Kundgebung erst mit Verspätung in Richtung Hauptbahnhof los laufen konnte. Auch auf dem Weg dorthin riefen aus nahezu jeder Seitengasse Gegendemonstranten Slogans wie "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda" oder "AfD-Rassistenpack - wir haben euch zum Kotzen satt". Die AfDler antworteten mit "Antifa, ha ha ha" und "Hopp, hopp, hopp - Aufnahmestopp".

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Beide Seiten brüllen "Nazis raus"

Der Zug der AfDler bot größtenteils jenes Bild, das man auch von den wöchentlichen Pegida-Demos in Dresden kennt. Der Vorsitzende der AfD Brandenburg Alexander Gauland forderte, die deutschen Grenzen zu schließen und verglich die Situation Deutschlands mit der Zeit der Völkerwanderung, "als das weströmische Reich von Barbaren überrannt wurde". Die Masse antwortet "Merkel muss weg!" Kamerateams mussten sich die üblichen Beschimpfungen gefallen lassen. "Lügenpresse" skandierten Hunderte, als ein Team der heute-show (ZDF) am Rand der Kundgebung gesichtet wurde.

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"Weil ich mein Land liebe", antwortete eine Mittfünfzigerin auf die Frage, warum sie hier mitlaufe. Deutschland sei "das einzige Land, das von der eigenen Bundeskanzlerin ins Verderben gestürzt" werde. Die Antwort eines anderen AfD-Anhängers lautete: "Weil ich gegen Faschismus bin." Er meinte die "Linksfaschisten, die besser mal arbeiten gehen sollen".

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Das politische Selbstverständnis vieler AfD-Anhänger führte teils zu skurrilen Situationen: Immer wieder schrien sich AfD-Anhänger und Gegendemonstranten gegenseitig "Nazis raus!" in die teils nur wenige Zentimeter voneinander entfernten Gesichter.

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Die Nationalhymne wurde begleitet von einem Pfeifkonzert

Oft blieb es nicht bei verbalen Angriffen. Auf Twitter berichteten Augenzeugen mehrmals, wie vermummte Neonazis aus der Reihe der AfD-Kundgebung Gegendemonstranten angegriffen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, als AfD-Gegner versuchten, Polizeisperren zu durchbrechen. Und nach Ende der Kundgebung jagten Gegendemonstranten, AfD-Anhänger und Polizisten einander durch den Berliner Hauptbahnhof.

Zuvor war der der Plan der Berliner Polizei, die AfD-Kundgebung in Richtung des Regierungsviertels und damit weg vom Hauptbahnhof aufzulösen, gescheitert, da die AfD-Anhänger aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren.

Petrys Rede war da im Übrigen längst von einem gekappten Stromkabel beendet worden. Wenn auch nur zeitweise. Besser wurde es aus Sicht der AfD-Gegner allerdings auch nach ihrem Auftritt nicht. Als die Kundgebung mit der deutschen Nationalhymne beendet werden sollte, schlossen sich Demonstranten auf beiden Seiten der Polizeiabsperrung dem Aufruf an. Die einen mit Gesang, die anderen mit einem Pfeifkonzert.