"Geschwätz" von IS-Terroristen soll Bombentheorie stützen

Nach dem Airbus-321-231-Absturz müssen zehntausende Touristen ohne Gepäck heimkehren

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Am 31. Oktober stürzte ein Airbus 321-231 der russischen Fluggesellschaft Kogalymavia mit 217 Passagieren und sieben Besatzungsmitgliedern an Bord auf dem Weg vom ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich nach Sankt Petersburg über der Sinai-Halbinsel ab (vgl. Russische Passagiermaschine auf der Sinai-Halbinsel abgestürzt). In den Tagen nach dem Absturz mehrten sich die Anzeichen dafür, dass die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) einen Anschlag verübt haben könnte. Nun berichtet CNN unter Berufung auf Quellen aus den Geheimdiensten und dem Militär des Landes, diese seien sich nach der Auswertung von "Geschwätz" von IS-Terroristen sehr sicher dass die Terrorgruppe den Anschlag, zu dem sie sich gleich danach bekannte, auch tatsächlich verübte.

Einige der Informationen sollen CNN zufolge von israelischen Geheimdiensten stammen. Dass sei dem Sender nicht nur von einem US-Geheimdienstler, sondern auch von einem Diplomaten bestätigt worden. Israel (dessen Behörden sich nicht offiziell dazu äußern) soll die Informationen nicht nur an die USA, sondern auch an Großbritannien weitergegeben haben. Angeblich stehen sie in keinem direkten Zusammenhang zur IS-Selbstbezichtigung, vom 1. November, die offen ließ, auf welche Weise der Anschlag verübt wurde. In dem nun weitergegebenen IS-"Geschwätz" sollen dagegen konkrete Angaben dazu gemacht werden.

Der ägyptische Untersuchungsleiter Ayman al-Muqaddam hat nach eigenen Angaben noch keine entsprechenden Informationen erhalten. Er beharrt weiterhin darauf, dass die Auswertung der Wrackteile und der Flugschreiber noch nicht abgeschlossen sei und dass man weiterhin "alle Szenarien" für möglich halte - auch eine defekte Lithiumbatterie oder ein mechanisches Versagen. Meldungen in russischen Medien, dass der Stimmenrekorder unmittelbar vor dem Absturz ein ungewöhnliches Geräusch aufgezeichent hat, werden inzwischen von den ägyptischen Behörden bestätigt. Diese betonen jedoch, dass das Geräusch, weiter untersucht werde und dass noch nicht feststehe, dass es sich dabei um eine Explosion handelt.

Kogalymavia-Flug 7K9268 vom Start bis zum Absturz. Foto: Nzeemin. Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Sollten die IS-Terroristen den Anschlag tatsächlich verübt haben, war ihr Motiv die russische Beteiligung am Anti-Terror-Kampf in Syrien. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge zeigen sich amerikanische und deutsche Militärforscher, die den seit 30. September laufenden Einsatz untersuchten, überrascht von der Leistungsfähigkeit der russischen Luftwaffe, die bis zu 90 Einsätze täglich fliegt. Ihnen zufolge erscheint der "Umfang des Einsatzes" mit nur etwa 34 Flugzeugen und zwölf Hubschraubern "geringer […] als die Wirkung, die von ihm auf dem Schlachtfeld ausgeht".

Anders als die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition setzten die Russen nicht nur Bomber ein, sondern auch Erdkampfflugzeuge, die syrische Bodentruppen unterstützen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die russischen Flieger nicht nur IS-Stellungen, sondern auch andere dschihadistische Truppen angreifen, die Verbündete der al-Nusra-Front sind und sich in ihrer Ideologie und ihren Methoden nur sehr bedingt vom IS unterscheiden: Auch sie schneiden Köpfe ab und präsentieren sie als Trophäen geschlachteter Alawiten.

Die geschätzt 600 russischen Marineinfanteristen sichern bislang vor allem die russische Militärinfrastruktur. Beobachter vermuten, dass für einen direkten Eingriff ins Kampfgeschehen am Boden mindestens 3000 bis 5000 Mann erforderlich wären. Der Abschuss von Marschflugkörpern von Schiffen auf dem Kaspischen Meer aus wird vor allem als Demonstration des rüstungstechnologischen Fortschritts gewertet. Die Flugabwehrsysteme könnten dagegen der Abschreckung der türkischen Regierung dienen, die in der Vergangenheit immer wieder öffentlich einen direkten Eingriff in den Bürgerkrieg in Betracht zog.

Nachdem sich die Hinweise auf einen Anschlag Mitte letzter Woche verdichtet hatten, stellten mehrere Länder den regulären Flugverkehr aus und in den Sinai ein. Zuvor hatte das US-Unternehmen Stratfor dem Flughafen Scharm el-Scheich ausgesprochen unzureichende Sicherheitsstandards bescheinigt (vgl. Airbus 321-231: Hinweise auf Anschlag). Das führte dazu, dass zehntausende Touristen in Scharm el-Scheich und Hurghada festsaßen. Diese Touristen werden nun nach und nach in Flugzeugen mit Sonderkontrollen in ihre Heimatländer transportiert. Betroffen waren neben etwa 20.000 Briten auch mindestens 90.000 Russen. Letztere mussten teilweise ihr Gepäck in Ägypten lassen, weil dessen Aufnahme als wahrscheinliche Schwachstelle für das Anbordbringen einer Bombe gilt. Die Koffer sollen später mit gesonderten Maschinen ausgeflogen werden. Deutsche Touristen konnten zwar aus dem Sinai zurückfliegen, aber nicht mehr dorthin reisen.

Im Fall der Antonow-Transportmaschine, die letzte Woche 800 Meter nach dem Abheben im Südsudan abstürzte, scheint - anders als beim Airbus 321-231 - kein Anschlag, sondern ein Wartungsmangel die wahrscheinlichste Ursache: Die Herstellerfirma bezeichnete die bereits 1971 im heutigen Usbekistan hergestellte Maschine, die in Tadschikistan zugelassen war und der südsudanesischen Firma Allied Service Ltd. gehörte, als fluguntüchtig, weil sie weder vorschriftsmäßig gewartet noch überholt worden sei.

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