Syrien: Türkei stellt Bodentruppen in Aussicht

Eine Lösung der Flüchtlingskrise ist laut Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nur mit der Absetzung Assads möglich.Tatsächlich spricht vieles gegen diese Ansicht

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Für die Türkei ist das Flüchtlingsproblem der EU ein Hebel, um eigene Interessen nach vorne zu bringen. Der Flüchtlingszuzug werde anhalten, so lange der syrische Präsident an der Macht bleibt, lässt der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu verstehen: "Eine Lösung der Krise in Syrien wäre dann erreicht, wenn die syrischen Flüchtlinge in ihre befriedete Heimat zurückkehren könnten." Dies sei aber mit Baschar al-Assad nicht möglich.

In einem CNN-Interview macht sich Davutoglu erneut für eine "Sicherheitspufferzone" in Syrien stark und plädiert für eine integrale internationale Strategie im "Kampf gegen den IS", für die er dann auch türkische Bodentruppen in Aussicht stellt. Luftangriffe alleine würden gegen den IS kaum etwas bewirken.

So hängt also auch der türkische Politiker das Etikett "Kampf gegen den IS" vor politische Ziele, die ihm näher stehen: die Verhinderung eines zusammenhängenden kurdischen Territoriums und den Regime Change in Damaskus. Lange Zeit hat man Russland den Vorwurf gemacht, hinter diesem Etikett doch ein ganz anderes Ziel zu verfolgen, nämlich den Schutz der syrischen Regierung.

Veränderte Sicht auf russischen Militäreinsatz

Allerdings scheint sich die Sicht auf den russischen Einsatz in Syrien zu verändern. Es gibt leichte Indizien dafür: Wenn man sich zum Beispiel auf der Webseite des US-Institute for the Study of War nach der derzeitigen militärischen Lage in Syrien erkundet, liest man im Gegensatz zu früheren Meldungen auf der Seite eine Einschätzung, die russischen Erfolgen etwa in Homs nicht mehr unterstellt, dass sie gar nicht gegen den IS gerichtet sind. Diesmal wird herausgestellt, dass sich Russlands Luftwaffe in einer aggressiven Kampagne gegen IS-Milizen befindet.

Stärkere Indizien für eine Neubewertung der russischen Rolle aus einer westlichen Perspektive finden sich in der Erklärung des israelischen Verteidigungsministers Yaalon, wonach man jetzt einer Ablösung al-Assads neutral gegenüberstehe. Und man findet sie in der Aufgabenteilung zwischen den US-Luftangriffen und den russischen.

Die USA haben ihre Angriffe auf Gebiete unter IS-Kontrolle im Nordwesten Syriens, in Hassakeh und Deir Ezzor, verstärkt. Man plane eine Intensivierung dieser Luftangriffe, so US-Verteidigungsminister Ash. Zur Nachricht gehört, dass indessen die Luftangriffe der arabischen Koalitionspartner wie der westlichen Partner Kanada und Frankreich auf IS-Ziele in Syrien so gut wie eingestellt wurden (Scheitert auch Russland an der syrischen Realität?).

Der amerikanische "Kampf gegen den IS" sei nicht auf Vernichtung abgestellt, sondern auf Containment des IS, so die Analyse des amerikanischen Syrien-Experten Joshua Landis in einem lesenswerten Interview mit RT.

"Jeder Regime-Wechsel führt zum Zusammenbruch des syrischen Staates"

Im Weißen Haus scheint man darüber hinaus zur Zukunft Syriens inzwischen eingesehen zu haben, was Landis kurz und bündig erklärt: Jeder Regime-Wechsel führt zum Zusammenbruch des Staates. Die Unterstützung der "moderaten Milizen" führe zu nichts. Die kampfstärksten seien zugleich auch die extremsten. Mit dem militärischen Einsatz Russlands sei zudem klar, dass Assad bleiben wird. Die Frage sei, wie sich der Westen damit abfinde.

Damit gemeint ist, dass es Kräfte innerhalb der US-Generalität und innerhalb der Regierung gebe - und in den Partnerländern Saudi-Arabien, den Golfstaaten und der Türkei sowieso, die einen Erfolg Russlands in Syrien nicht wünschen und laut Landis starkes Interesse daran haben, Syrien genau in dem Zustand zu halten, in dem es ist.

Manche unter den US-Politikern und den Generälen würden es sich wünschen, dass Russland und Assad nach einem Jahr ohne durchschlagenden militärischen Erfolg "betteln" kämen. Inzwischen würde aber die Situation in Syrien weiter an Brutalität zunehmen, mit vielen Toten und vielen Flüchtlingen.

Amerika hat keine Antwort auf die syrische Krise. Das Resultat daraus ist, dass es versuchen wird, jede Partei möglichst schwach zu halten. Es mag nicht, dass Assad gewinnt, es mag aber auch nicht, dass der IS oder das Bündnis der Milizen, die Jaish al-Fateh, gewinnen. Die USA werden den syrischen Sumpf am Köcheln halten. Wie es mir ein US-Militär-Analyst neulich sagte: "Wir sollten ein Stadium um Syrien herum bauen und Tickets verkaufen."

Als Lösung für die Syrienkrise, und damit verbunden die Fluchtbewegungen, sieht Landis zwei Perspektiven. Die erste ist unwahrscheinlich: Sollten die Waffenlieferanten damit aufhören, Milizen zu unterstützen, die das Land ohnehin politisch nur zurückwerfen oder ins Chaos stürzen, würde es sehr viel weniger Tote geben und der Weg zu stabileren Verhältnissen wieder freier.

Die zweite Perspektive sieht Landis darin, dass die syrische Armee und ihre verbündeten Bodentruppen, die Hisbollah oder iranische Milizen, sich als stark genug erweisen, um große Teile des Landes oder das ganze Land wieder zurückzuerobern. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die türkische Regierung oder auch Saudi-Arabien im Sinn haben.