Die neue Vermieterbescheinigung soll vor Kriminalität durch Scheinanmeldungen schützen

Warum Vermutungsbescheinigungen und gut gemeinte Gesetze zur Kriminalität einladen

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Über 35 Millionen Bürger wohnen in Deutschland zur Miete. Seit 01.11.2015 haben sie bei der Meldebehörde eine Bescheinigung des Vermieters über den Ein- und Auszug vorzulegen. Eine Staatssekretärin aus dem Innenministerium meinte zur Gesetzesnovelle: "Erschwert werden durch das Bundesmeldegesetz sogenannte "Scheinanmeldungen", also Anmeldungen für eine bestimmte Wohnung, ohne dass der Vermieter hiervon etwas erfährt. Zu Schwierigkeiten ist es hier immer wieder dadurch gekommen, dass entsprechend erlangte Meldebestätigungen zu kriminellen Handlungen, etwa zum Kreditkartenbetrug, genutzt wurden." Verfehlt das Gesetz seine Wirkung?

Falsche Meldeadresse an der Tagesordnung?

Bis zu mehr als 5% der Bevölkerung soll allein in Berlin "falsch" gemeldet sein, durch eine Scheinanmeldung, schätzen Kriminalbeamte. Damit sichert man sich einen anderen Schulbezirk für die Kinder, eine Vignette fürs Anwohnerparken, höhere Hartz-IV-Bezüge durch Verschleiern des Zusammenwohnens mit einem Partner, sowie Kreditkartenbetrug indem Rechnungen oder Bußgelder gar nicht erst zugestellt werden können.

Es gab Fälle mit Meldeadresse in drei Bundesländern - zum Bezug von Sozialhilfe, zum Bezug von Arbeitslosengeld und zum Arbeiten: Da scheint "Florida-Rolf" mit Sozialhifebezug im Urlaubs-Ausland gleichsam eine Lappalie dagegen. Es scheint nicht so, dass trotz "Big-Data" und staatlicher fürsorglicher Überwachung das neue Gesetz derartige Fälle gezielt nach Jahrzehnten erstmals aufgreift.

Mancher Dienstleister bietet für die Anmeldung nur um Mietvertrag, Ausweis und Vollmacht - der persönliche Gang zum Meldeamt ist damit auch in völlig legalen Fällen überflüssig. Man fragt sich, wie genau die Echtheit solcher Unterlagen dann angesichts des personellen Drucks in den Kommunen überhaupt noch geprüft werden können?

Falsche Firmenadresse an der Tagesordnung?

Ein Unternehmen kann in Deutschland trotz Anmeldung beim Handelsregister spurlos verschwinden, § 9 HGB. Dazu braucht es nur einen Notar, der einen Geschäftsleiter bestellt, unter Angabe einer Stadt wo dieser angeblich lebt - und vielleicht einer anderen Stadt wo sich der Sitz der Gesellschaft befinden soll. Zieht das Unternehmen aus, ohne sich bei Register umzumelden, ist es unauffindbar - auch für das Handelsregister selbst. Und ist der Geschäftsleiter in der entsprechenden Stadt nicht auffindbar, hilft auch keine Auskunft des Melderegisters.

Die Legitimation des Geschäftsleiters beim Notar (z.B. Personalausweis) landet häufiger nicht in der Registerakte - nach Eintragung ist etwa nicht mehr feststellbar, durch welchen Notar die Anmeldung erfolgt ist. Das zum 01.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur GmbH-Reform (MoMiG) sollte Firmenbestattungen durch (Schein-)Umzüge erschweren - jedoch hilft selbst eine "öffentliche Zustellung" nichts gegen die Unauffindbarkeit der Organe und Geschäftsräume.

Einfacher geht es, wenn das Unternehmen beim Notar der Umzug als Sitzverlegung aus der Friedrichstraße nach "P.O.Box 121314 in Frankfurt" gemeldet wird. Nach dem Umzug in ein Postfach wird man nie mehr mit Briefsendungen und Hausbesuchen ernsthaft belästigt.

Ähnlich interessant ist die Teilnahme an der Verlosung von Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsbewilligungen, etwa aus Liechtenstein: Dort kann man nicht vollstrecken, ohne Urteil aus diesem Lande - selbstverständlich bevor Verjährung bereits eingetreten ist. Der fachkundige Schuldner besitzt einen Kommentar über die internationalen Vollstreckungsabkommen. Wer in Deutschland bis zu mehr als 25 Mio. € Steuern schuldig geblieben ist, lebt unbesorgt in Amerika mit Greencard und Sozialversicherungsnummer. So wie etwa die Schweiz wegen Steuerschulden regelmäßig gar nicht erst daran denken soll, jemanden auszuliefern.

Häufiger gar keine Meldeadresse - mit oder ohne Deckadresse?

Hunderttausende Bürger mit Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland sind gar nicht registriert - auch solche, die nicht mehr als untergetaucht, sondern als "unbekannten Aufenthaltes" behördlich bezeichnet werden. Gleichwohl kann man sich bei Dienstleistern in Deutschland eine Deckadresse besorgen, optional einschließlich Weiterleitung der Post ins Ausland oder per Email, was zudem auch völlig legal möglich ist - man muss sich ja nicht nach Hintergründen erkundigen. . Wer gleichwohl mal im Inland einen neuen Personalausweis benötigt, müsste allenfalls irgendwo mit einem aktuellen Passbild kurze Zeit auftauchen - z.B. in der (vorübergehend dauerhaften) Ferienwohnung eines Freundes. Mancher könnte die Auszugsbescheinigung des Vermieters auch gar nicht erst beim Meldeamt vorbei bringen, sondern diesen Zettel an die Ausländerbehörde als Antwort auf den Ablehnungsbescheid mit Ausreisebefehl senden, mit dem Hinweis: "bin dann mal weg".