EU-Kommission entwickelt "Gegendiskurse" gegen unerwünschte Migration

EU-Mitgliedstaaten verabreden eine "gemeinsame Informationsstrategie", ein umstrittenes Droh-Video aus Deutschland könnte Vorbild werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Eine "Informationsstrategie" gegen unerwünschte Migration soll "Pull-Faktoren" zur Einreise in die Europäische Union verringern. Ziel ist, Migranten "davon abzuhalten, sich auf eine gefährliche Reise zu begeben und auf Schleuser zurückzugreifen". Von der durch die Innenminister als "vordringliche Maßnahme" bezeichneten Strategie werden Geflüchtete ("Asylbewerber, Migranten") und Unterstützende ("Schleuser und Menschenhändler") adressiert. Ein entsprechender Beschluss wurde auf der Sitzung der Justiz- und Innenminister am 9. November gefasst und in Schlussfolgerungen des Rates niedergelegt. Das Dokument beschreibt eine Reihe weiterer Maßnahmen zur "Bewältigung der Flüchtlings- und Migrationskrise" (EU-Innenminister beschließen abschreckende Informationskampagne).

Einzelheiten werden zunächst nicht genannt, jedoch sollten EU-Vorschriften zum Management der Außengrenzen und zum internationalen Schutz erklärt werden. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit von freiwilligen Ausreisen oder Abschiebungen, die in dem Dokument als "Rückkehr" und "Rückführungsaktionen" beschrieben werden. Anvisiert sind auch "Gegendiskurse" zu den von "Menschenhändlern und Schleusern" verbreiteten Informationen, mit denen Migranten über Bedingungen in Zielländern getäuscht würden. Unterstützern von Fluchthilfe soll nun mit Informationen zu deren strafrechtlicher Verfolgung gedroht werden.

Arbeiten an der "Informationsstrategie" sollen sofort beginnen. Zuständig ist die EU-Kommission, die hierfür ein "spezifisches Team aus allen relevanten institutionellen Akteuren" zusammenstellen soll. Entsprechende Maßnahmen werden auf der Ratstagung Anfang Dezember vorgestellt.

Screenshot aus dem Rückführungsvideo des BMI

Vorbild Deutschland?

Vermutlich werden auch Bundesbehörden an der Umsetzung der "Informationsstrategie" teilnehmen und dabei eigene Erfahrungen einbringen. Anfang August hatte das Bundesinnenministerium ein sogenanntes "Rückführungsvideo" veröffentlicht, das eine Sammelabschiebung begleitet und beschreibt und das in vier Sprachen vertont wurde. Der Kurzfilm richtet sich an "potentielle Flüchtlinge" bzw. "potentielle Asylbewerber" und soll einem "Zustrom" aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien begegnen. Hintergrund sei die steigende Zahl der "fast durchweg aussichtslosen" Asylanträge aus den Staaten des Westbalkans.

In dem "Rückführungsvideo" wird behauptet, eine spätere Einreise nach Deutschland werde "regelmäßig" nur dann erlaubt, wenn die Kosten einer Abschiebung von den Betroffenen bezahlt worden seien. Allerdings musste das Bundesinnenministerium selbst einräumen, dass die Kostenerstattung bei der Festsetzung der Dauer einer Wiedereinreisesperre allenfalls als einer von mehreren Faktoren eine Rolle spielt. Gewöhnlich beträgt dieser Zeitraum nicht länger als fünf Jahre.

Screenshot aus dem Rückführungsvideo des BMI

Der Film ist laut einer Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums Teil eines Gesamtkonzepts mit dem Auswärtigen Amt und den Herkunftsstaaten, das den Titel "Informationskampagnen im Herkunftsland, Verkürzung der Bearbeitungszeiten für Asylanträge, Wiedereinreisesperren sowie verstärkte freiwillige Ausreisen" trägt. Die Bundesregierung hat diesbezüglich bereits mehrere "Informationsmaßnahmen" in unterschiedlichen Regionen durchgeführt, weitere sind geplant.

Laut Stephan Steinlein, Staatssekretär im Auswärtigen Amt soll damit über rechtliche Rahmenbedingungen von Zugangsmöglichkeiten sowie "zur gesellschaftlichen Realität in Deutschland" aufgeklärt werden. Die deutschen Auslandsvertretungen würden entsprechende Informationen über "intensive Medienkontakte" oder soziale Medien veröffentlichen.

Screenshot aus dem Rückführungsvideo des BMI

Im Mittelpunkt stehen beschleunigte Asylverfahren, Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr, Abschiebungen und daraus resultierende Wiedereinreisesperre. In sechs albanischen Tageszeitungen wurden von der Deutschen Botschaft bereits Anzeigen mit der Aussage "Kein Wirtschaftsasyl in Deutschland" veröffentlicht, in Albanien und Serbien erschienen Facebook-Anzeigen in den Landessprachen.

"Mediale Begleitung" von Abschiebeflügen

Auch die Deutsche Welle sei laut dem Auswärtigen Amt gemäß ihres gesetzlichen Auftrags in Fernsehen, Hörfunk und Internet aktiv, um über "Gefahren auf der Flucht und die Verhältnisse in den Zielländern" zu berichten. Der Sender veröffentlicht Interviews in Albanisch und Serbisch, auch die größten albanischen TV-Sender sowie bosnische und kosovarische Medien seien für eine Kooperation gewonnen worden.

Weitere "Aufklärungsmaßnahmen" würden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgenommen. Wohl zur Abschreckung ist nun eine "mediale Begleitung" von Abschiebeflügen nach Albanien geplant. An dem Projekt würden die Deutsche Botschaft in Tirana, albanische Behörden und die zuständigen Ministerien des rückführenden Bundeslandes beteiligt.

Laut dem Staatssekretär hätten die Maßnahmen bereits erfolgreich "Menschen dazu bewegen können, sich und ihre Familien nicht den Belastungen, Gefahren und negativen finanziellen Folgen einer aussichtslosen Reise auszusetzen".