Vom Staub zur Erde

Künstlerische Darstellung von sich in einer Übergangsscheibe wie LkCa 15 formenden Planeten. Die Planeten im Inneren der Scheibe saugen Material auf, das ansonsten in den Zentralstern gestürzt wäre. (Bild: NASA/JPL-Caltech)

Erstmals haben Astronomen live beobachtet, wie sich ein ganzes Planetensystem aus einer Staubscheibe formiert

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Vor 4,6 Milliarden Jahren befand sich im Gebiet des heutigen Sonnensystems eine riesige molekulare Wolke. Ihre Herkunft ist heute nicht mehr zu klären - es muss sich aber um ein Abfallprodukt früherer Sternexplosionen gehandelt haben. Diese Ur-Wolke war einige Lichtjahre groß; sie gebar vermutlich außer der Sonne noch weitere Sterne. Sie bestand vorwiegend aus Wasserstoff, Helium und Spuren schwererer Elemente. Mit 10.000 Atomen pro Kubikzentimeter war sie von äußerst geringer Dichte - normale Raumluft ist billiardenfach dichter.

Durch die enorme Ausdehnung befand sich trotzdem sehr viel Material in diesem Teil des Weltalls - einige tausend Sonnenmassen, schätzen die Forscher. Die Materieverteilung innerhalb der Wolke war dabei nicht völlig gleichmäßig. Die Inhomogenitäten, etwas dichtere Klumpen, zogen mit der Zeit durch ihre eigene Gravitation weitere Masse an sich. Einer dieser riesigen Klumpen sollte zur Geburtsstätte der Sonne werden.

Die einzelnen Teilchen darin bewegten sich zwar weitgehend zufällig, doch der Nebel an sich besaß bereits eine Netto-Rotation. Durch das von der Gravitation bewirkte Schrumpfen des Nebels beschleunigte sich diese Rotation - ähnlich wie bei einem Eisläufer, der bei einer Pirouette die Arme an den Körper nimmt.

Die Wolke wir zur Scheibe

Nun begann sich die Wolke zu einer Scheibe zu formen. Die Teilchen in ihr bewegten sich immer schneller. Die Temperatur im Kern, der 99,8 Prozent der Masse enthielt, stieg auf bis zu 10 Millionen Kelvin. Irgendwann waren Hitze und Dichte groß genug, dass atomare Fusionsreaktionen zündeten. Wasserstoffkerne vereinten sich zu Heliumkernen und setzten dabei Energie frei. Der Protostern, den wir heute als Sonne kennen, hatte gezündet.

Die verbliebene Gasscheibe bestand zu drei Vierteln aus Wasserstoff, dazu kamen Helium und ganze zwei Prozent schwererer Elemente. Schon zu diesem Zeitpunkt zeigten sich Inhomogenitäten, doch zunächst war das Material mit mehreren Tausend Grad noch zu heiß, um sich zu größeren Körpern zu formen. Die überschüssige Energie wurde mit der Zeit als Strahlung abgegeben, sodass sich einzelne Moleküle bei Zusammenstößen zu kleinen Tropfen und Staubkörnern zusammenfinden konnten.

Im inneren Sonnensystem klumpte der Staub aus Metallen und Silikaten, zunächst von mikroskopischer Größe, mit der Zeit durch Zusammenstöße und die Gravitation zu Planetesimalen zusammen, die im Lauf einiger Millionen Jahre einige Kilometer groß wurden. Je weiter dieser Prozess voranschritt, desto gravierender wurden allerdings auch die Folgen von Zusammenstößen. Nur die größten Planetesimale überlebten dabei und nahmen weiter an Größe zu, indem sie Material aus der Staubscheibe aufsaugten, das ansonsten den Zentralstern gefüttert hätte.

Das ist jedenfalls die Theorie, nach der auch unsere Erde entstanden sein soll. Es spricht viel dafür, dass diese Ideen richtig sind, unter anderem die Zusammensetzung der Planeten und entsprechende Computer-Simulationen.

Live hat man diesen Prozess jedoch bisher nicht beobachten können. Die bisher über 1500 entdeckten Exo-Planeten sind ihrem Baby-Alter alle längst entwachsen. Das Problem: Planeten bilden sich meist in der Umgebung junger Sterne, und diese sind, wie alle Kinder, selbst meist so aktiv, dass um sie herum aus der Ferne alles überstrahlt wird.

Die schlauen Tricks der Wissenschaftler

Für dieses Problem zeigen Forscher im Wissenschaftsmagazin Nature nun eine clevere Lösung - und identifizieren damit auch gleich erstmals drei sich gerade formende Planeten. Der Kandidat, ein Objekt, das den erst 2 Millionen Jahre alten Stern LkCa 15 in einer Entfernung von 16 Astronomischen Einheiten (AE) umkreist, ist schon seit 2012 bekannt. Er befindet sich innerhalb einer Staubscheibe, die den Zentralstern mit einem Abstand von 50 AE umgibt.

Ausschnitt aus einem Video der Forscher zur "Geburt eines Planeten: Optische Aufnahmen von drei Objekten, die sich als sich gerade formenden Planeten innerhalb einer Staubscheibe interpretieren lassen/Andrew Shuta (University of Arizona), Konzept: Laird Close (University of Arizona), Illustration: NASA/JPL-Caltech)

Dass der Riesenplanet gerade geboren wird, haben die Astronomen mit einem schlauen Trick herausgefunden: Sie haben sich auf die Hα-Linie des Wasserstoffs beschränkt, die hellste Spektrallinie des Wasserstoffs im sichtbaren Bereich.

Ein Planet strahlt diese Photonen nur ab, wenn er von einer protoplanetaren Scheibe umgeben ist, die von seinem eigenen Magnetfeld erhitzt wird, während das Material vom Planeten angezogen und aufgenommen wird. Neben dem Planeten LkCa 15b identifizieren die Forscher in ihrer Studie gleich noch zwei andere Objekte, LkCa 15c und d, die ebenfalls zum sich gerade bildenden Planetensystem ihrer Sonne gehören müssen.

Komposit-Bild aus den aktuellen Beobachtungen im optischen Bereich (farbig) und Infrarot-Aufnahmen von 2014 (grau). (Bild: Steph Sallum / Isella et al).

Die Beobachtung gibt den Kosmologen gleichzeitig neue Aufgaben - denn Theorien zur Planetenentstehung müssen nun erklären können, wie in 16 AE Entfernung ein Gasriese entstehen kann, der auch 2 Millionen Jahre nach der Geburt seiner Sonne noch wächst und der ein mindestens 20 Mal stärkeres Magnetfeld als unser Jupiter besitzen muss.