Putin und Hollande: Verstärkter Krieg gegen IS

Überschallbomber TU-160. Bild: Russisches Verteidigungsministerium

Russland legt einen neuen Entwurf für eine UN-Sicherheitsratsresolution vor

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Russland hat gestern bei der UN einen neuen, überarbeiteten Entwurf für eine Sicherheitsratsresolution vorgelegt, berichtet TASS. Es gehe um eine bessere Koordination im Kampf gegen terroristische Organisationen, besonders gegen den IS.

Laut dem russischen UN-Vertreter Vitali Tschurkin habe man bei der Überarbeitung des vorhergehenden Entwurfs "die Empfindungen unserer französischen Partner" (in der englischen Übersetzung: "our French co-workers’ sentiments") berücksichtigt.

Der französische Präsident Hollande hatte bei seinen öffentlichen Auftritten nach den Terroranschlägen angekündigt, dass Frankreich der UN eine Sicherheitsratsresolution für einen gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus, insbesondere gegen den IS, unterbreiten werde. Ob Frankreich nun den russischen Vorschlag unterstützen wird oder selbst einen Entwurf vorlegen wird, ist nicht klar. Aber der russische Vorschlag liegt nun auf dem Tisch.

Hollande wird in der kommenden Woche erst den US-Präsidenten Obama und dann den russischen Präsidenten Putin besuchen. Ein Hauptthema wird das militärische Vorgehen in Syrien und im Irak sein. Anzeichen dafür, dass eine stärkere Zusammenarbeit in Gang gesetzt wird, gibt es. Vor allem aufseiten Frankreichs.

Kehrtwende Hollandes

Die Ablösung Baschar al-Assads, lange Zeit das markierte oberste Ziel der französischen Syrienpolitik, von dem sich die anderen ableiteten, ist einer anderen Ausrichtung gewichen: Der Feind Frankreichs ist der IS, betont Hollande. Im Nachbarland spricht man von einer Kehrtwende.

Der Moment ist von einer Solidarität gekennzeichnet. Russland wie Frankreich beklagen Anschläge mit hunderten Toten, deren Urheber mit dem syrischen Dschihad in engster Verbindung stehen. Sowohl für den Anschlag auf die russische Passagiermaschine wie für die Anschläge auf Paris rühmt sich der IS in seiner neuen Ausgabe des Propagandamagazins Dabiq (Der Islamische Staat feiert die Anschläge auf Frankreich und Russland). Der russische Geheimdienst hatte zuletzt nur festgestellt, dass ein Anschlag die Absturzursache war. Die schuldigen Terroristen würden ausfindig gemacht (Airbus-Absturz: Moskau bestätigt Attentatsthese).

Mehr Angriffe auf Rakka

Seither wurden die Bombenangriffe auf Syrien intensiviert, wie dies Putin angeordnet hatte. Rakka, Zentrum des IS in Syrien, ist nun häufiger Ziel der russischen Angriffe. Auch die französische Luftwaffe revanchiert sich dort.

Überschallbomber TU-160. Bild: Russisches Verteidigungsministerium

Um die französischen Luftangriffe in Syrien zu verstärken, hat Hollande den Flugzeugträger Charles de Gaulle ins östliche Mittelmeer beordert, er ist bereits unterwegs. Der russische Präsident gab Order an einen russischen Kreuzer, mit dem Kommando des französischen Kriegsschiffes als Verbündeten zu sehen und zu behandeln.

Bei allen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Partnern in ihren Zielen sind auch Probleme bei den Einsätzen vorhersehbar. Zwar wird in den jeweiligen Berichten zu den Angriffen auf Rakka herausgestellt, dass es sich um präzise Schläge handelt, auf Ausbildungslager des IS, Lager, Kommandozentren etc.. Frankreichs Führung betont, dass es bisher keine zivilen Toten gegeben habe. Aber es ist gut möglich, dass sich diese Nachrichtenlage ändert.

Aus Rakka wird von einer ganzen Serie von Explosionen berichtet (vgl. hier). Selbst wenn Quelle aus dem IS-Zentrum natürlich mit Vorsicht zu bewerten ist: Dass die Angriffe auf Rakka auch auf lange Frist nur Militäreinrichtungen treffen, ist nicht anzunehmen.

Zivile Tote?

Nachrichten über zivile Toten aus Rakka werden die Öffentlichkeit nicht gleichgültig lassen. Zumal wenn sie mit Fotos von getöteten Kindern unterlegt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Dschihadisten dies zur Rechtfertigung und zum Anlass weiterer Anschläge nehmen, ist nicht klein. Der IS legte seiner Rechtfertigung von Tötungen jedesmal vorhergehende militärisch begründete Tötungsakte seiner Gegner zugrunde.

Die Argumentation für eine stärkere Bombardierung Syriens durch die Anti-IS-Koalition, wie sie zum Beispiel von Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, geäußert wurde - "Opfer bei der Zivilbevölkerung fallen jetzt in Syrien seit vier Jahren an. Wir haben vier Jahre lang weggeguckt. Wir haben vier Jahre lang gesagt: ‚Ja, wer da eingreift, der löst einen Flächenbrand aus.‘ (…) Der Flächenbrand hat sich selber ausgelöst" - ist in ihrer vereinfachenden Rücksichtslosigkeit kein Antidot zur IS-Propaganda.

Die anderen Ziele und die "alte Koalition"

Zu diesem "Ziel-Problem" kommen noch andere: Wie werden sich Russland, Frankreich und die USA bei den anderen Anti-Terror-Angriffszielen absprechen, bei den Dschihadisten, die nicht zum IS gehören. Russland wird weiter Milizen angreifen (Jaish al-Fateh, al-Nusra, Ahrar as-Sham etc.), die für die Stabilität des Landes eine große Bedrohung sind, aber von Mitgliedern der von den USA geführten Anti-IS-Koalition unterstützt werden, von Saudi-Arabien und der Türkei. Ändert die neue französische Entschlossenheit etwas an der Physik der alten Koalition? Schafft es Frankreich hier einen neuen Zug hineinzubringen? Von den USA ist das nicht zu erwarten.

Für die Türkei bedeutet die Annäherung zwischen Frankreich und Russland, dass ihr Projekt einer Schutzzone in Syrien noch weiter in die Ferne rückt.Saudi-Arabien wird über die Entwicklung auch nicht erfreut sein. Zentraler Punkt im russischen Entwurf der Sicherheitsratsresolution ist die Koordination der syrischen Regierung mit dem Anti-Terrorkampf.

Im Entwurf ist vorgesehen, jegliche Handlungen im Anti-Terror-Kampf nur mit Zustimmung der Regierung des Landes erfolgen zu lassen, auf dessen Territorium die Operation durchgeführt wird.

Sputnik

Großbritannien hatte den vorhergehenden russischen Entwurf zu einer Resolution abgelehnt, weil ihm Absprachen mit der Regierung Baschar al-Aassad zugrundeliegen.

Nachdem der IS aktuell auch Propaganda mit der Tötung einer chinesischen Geisel macht, gibt es einen günstigen politischen Moment, um Chinas Unterstützung zu erlangen. Auch wenn die Regierung in Peking erklärte, dass man sich selbst nicht militärisch im Kampf gegen den IS engagieren werde.