Sperrung der Balkanroute für Flüchtlinge aus Nichtkriegsgebieten

Nachdem Slowenien keine "Wirtschaftsflüchtlinge" mehr einreisen lassen will, zogen Kroatien, Serbien und Mazedonien nach - damit hat Griechenland das Problem

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In einer weniger koordinierten denn panischen Aktion haben gestern Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien beschlossen, ihre Grenzen für alle Flüchtlinge zu schließen, die nicht aus Kriegsgebieten kommen, also aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Das berichtete die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Belgrad, Melita Sunjic. Während bislang die Probleme vermieden werden konnten, weil jedes Land die Flüchtlinge einfach weiterreisen ließ und dies noch aktiv beförderte, sind die Länder auf der Balkanroute damit konfrontiert, dass Hunderte oder Tausende von Flüchtlinge auf dem Weg steckenbleiben und auch nicht mehr zurück abgeschoben werden können.

Gestern erklärte die slowenische Regierung, man habe 160 marokkanische "Wirtschaftsflüchtlinge" nicht einreisen lassen, aber dass Kroatien sie nicht zurücknehmen wollte. Das Abschieben von "Wirtschaftsflüchtlingen" werde zu einem wichtigen Thema, dazu sei eine europäische Lösung notwendig. Von einer Verteilung der Flüchtlinge war hingegen nicht die Rede. Hingewiesen wird nach den Anschlägen auf den Sicherheitsaspekt, Slowenien würde aber alle einreisenden Flüchtlinge einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Am Mittwoch seien 6000 Flüchtlinge und Migranten nach Slowenien gekommen, gestern sollen es mindestens 3000 gewesen sein, 7000 hätten am Mittwoch die Grenze nach Österreich passiert. Bislang wurde von Slowenien an der Grenze zu Kroatien ein Zaun in 40 km Länge gebaut.

Inwieweit hier Druck von EU-Ländern, allen voran von Österreich und Deutschland, nach den Anschlägen in Paris dahinterstand, ist nicht klar, wenn auch wahrscheinlich. Klar ist jedenfalls, dass nun Griechenland die Hauptlast tragen muss, wenn die Balkanroute für viele versperrt ist, da die Route über das Meer auf die griechischen Inseln kaum geschlossen werden kann und das Pleiteland dann mit dem aufgestauten Flüchtlingsstrom zurechtkommen muss. Allerdings hatte sich Griechenland - und damit der Hilfe der EU - auch selbst eingehandelt, als das Land den ersten Grenzzaun auf dem Landweg von der Türkei nach Griechenland errichtet hatte, wodurch die Flüchtlinge auf das Meer gedrängt wurden. Im Übrigen ein gutes Beispiel dafür, dass Versuche, das Problem durch Zäune gewissermaßen mechanisch zu lösen, die Ursachen nicht beseitigt und die Flüchtlinge und ihre Helfer dann eben andere Wege suchen, auch wenn diese gefährlicher sind.

Mazedonien hat sowieso beschlossen, die Grenze zu Griechenland auch mit einem Zaun abzudichten. Am Donnerstag wurde mit dem Bau begonnen, um den Grenzübertritt von Flüchtlingen und Migranten kontrollieren zu können. Zuvor hatte die slowenische Regierung der mazedonischen mitgeteilt, dass keine Flüchtlinge aus Nichtkriegsgebieten mehr eingelassen würden. Es wurde bereits damit begonnen, an der Grenze Flüchtlinge zurückzuweisen, auch Serbien hat damit an der Grenze zu Mazedonien angefangen und bereits um die tausend Flüchtlinge abgewiesen. Wenn der Grenzzaun errichtet ist, werden Flüchtlinge aus Griechenland nur noch bei Gevgelija über die Grenze gelangen und dann, sofern sie nicht abgewiesen werden, in ein Lager gebracht. Ein paar hundert Menschen soll Mazedonien bereits abgewiesen haben, sie hängen nun mit tausenden anderen im Niemandsland. Abzusehen sind Revolten, Gewalt und hässliche Bilder aus Europa mit seinen Werten, die man gegen die Barbaren des Islamischen Staats verteidigen will.

Auch Kroatien hat sich geweigert, Flüchtlinge, die man nun ökonomische Migranten nennt, zurückzunehmen, die Slowenien nicht einreisen lassen will. Das Land lässt neben Afghanen, Syriern und Irakern noch Palästinenser einreisen. Die Regierungen schieben sich natürlich gegenseitig die Schuld zu, man reagiert ja nur. So sagte der serbische Arbeitsminister Aleksandar Vulin gestern, dass man nur das eigene Land schützen müsse und machte die EU-Mitgliedsländer Slowenien und Krotien verantwortlich, dass man "reziproke Maßnahmen für Menschen anwenden muss, für die Slowenien und Kroatien keinen Platz haben". Das Selbstverständnis bringt er ziemlich krass zum Ausdruck:

Wir sind kein Land, wo die Migranten und Flüchtlinge bleiben wollen, sie reisen nur durchh Serbien - und das wird auch so bleiben.

Nach Griechenland steht das kleine Mazedonien besonders unter Druck, wenn die nachfolgenden Länder jeweils die Einreise von Migranten blockieren und so einen Rückstau verursachen. Sobald ein Land damit beginnt, sind praktisch alle anderen Länder dazu gezwungen, ebenso zu verfahren, auch wenn die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten noch durchgewunken werden. Nachdem Slowenien die neue Politik angekündigt hatte, fiel nach dem Dominoprinzip ein Land nach dem anderen um. Flüchtlinge aus Marokko, dem Sudan, Liberia, dem Kongo, dem Iran, Bangladesch oder Pakistan haben nun keine Chancen mehr, wenn sie sich nicht als Syrer oder Iraker ausgeben können. Der Effekt ist auch rassistisch, weil die Chance für Schwarze damit drastisch sinkt, während arabisch aussehende Menschen eine größere Chancen, mit gefälschten Pässen über die Grenzen zu gelangen.