Konservativer Kandidat Macri gewinnt in Argentinien

Das bürgerliches Bündnis setzt sich knapp gegen die linksgerichtete Regierung durch, bleibt im Parlament aber in der Minderheit

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Bei der Präsidentschaftswahl in Argentinien hat der konservative Kandidat Mauricio Macri die Stichwahl um das Präsidentenamt am Sonntag gewonnen. Der Bürgermeister von Buenos Aires und Unternehmer erreichte nach Auszählung von 99 Prozent der abgegebenen Wahlzettel 51,4 Prozent. Sein Gegner, der peronistische Regierungskandidat Daniel Scioli, kam demnach auf 48,6 Prozent. Erstmals musste der argentinische Präsident wegen des knappen Abstandes in der ersten Runde per Stichwahl bestimmt werden.

Scioli räumte am Sonntagabend seine Wahlniederlage ein. Umgehend gratulierte er dem Kandidaten des konservativen Bündnisses "Cambiemos" (Verändern wir). Macri habe einen "gerechten Sieg" errungen, sagte er. Auch die scheidende Präsidentin Cristina Fernández de Kirchnertelefonierte noch am Abend mit ihrem Nachfolger. Nach Berichten argentinischer Medien lud sie ihn für Dienstag in den Präsidentenpalast zu einer ersten Übergabebesprechung ein.

Wahlsieger Mauricio Macri. Bild: Cambiemos

Macri hatte in seiner Wahlkampagne einen politischen Kurswechsel für das südamerikanische Land versprochen. Er bekräftigte immer wieder die Notwendigkeit eines Reformkurses in der Wirtschaftspolitik, um das Land aus seiner Wirtschaftskrise herauszuführen. Ausländische Geldgeber will er überzeugen, in Argentinien anzulegen. Außenpolitisch will Macri einen neuen Kurs einläuten. Er deutete an, sich von der Linksregierung in Venezuela zu distanzieren, die in der bisherigen Regierung eine wichtige Verbündete hatte. Erwartet wird, dass sich Argentinien nun an die neoliberale Pazifik-Allianz annähert.

Im Abgeordnetenhaus - dem Unterhaus des Zwei-Kammern-Parlaments - reicht es für den konservativen Wahlsieger dennoch nicht für eine Mehrheit. Dort erreichte Macris Bündnis nur 89 der 257 Sitze. Die peronistische Frente para la Victoria (Siegesfront, FpV) kann auf 107 Abgeordnete zählen - und damit Macri das Regieren sehr schwer machen. Die politischen Auseinandersetzungen werden wohl an Heftigkeit zunehmen, zumal keines der politischen Lager eine eigene Mehrheit stellt.

Wirtschaftliche Probleme und Sozialpolitik

Die Minderheitensituation für die Cambiemos-Allianz im Abgeordnetenhaus wird eine radikale Umorientierung der Wirtschaftspolitik erschweren. Dabei sind die wirtschaftlichen Probleme der argentinischen Volkswirtschaft offensichtlich. Die Inflation liegt offiziell bei rund 15 Prozent, während das Haushaltsdefizit bis zum Ende des Jahres auf sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigen könnte. Die Devisenreserven der Zentralbank sind indes mit 25,9 Milliarden US-Dollar auf den tiefsten Stand seit dem Jahr 2006 gefallen.

Zum Vergleich: Vor fünf Jahren verfügte die Zentralbank noch über Reserven in Höhe von fast 52 Milliarden US-Dollar. Der Rückgang der Reserven ist vor allem problematisch, weil das Land nach wie vor von massiven Forderungen von Hedgefonds bedroht ist. Die Finanzspekulanten fordern von Buenos Aires nach Gerichtsverfahren in den USA acht Milliarden US-Dollar. Kurzum: Inflation, hohe Ausgaben der öffentlichen Hand, wirtschaftliche Stagnation, die knappen Reserven und die Forderungen der Hedgefonds haben der argentinischen Wirtschaft massiv zugesetzt.

Auch wenn Macri nun eine unternehmerfreundliche Politik verspricht - Industrieverbände forderten schon am Wahlabend Steuersenkungen -, wird er mit der großzügigen Sozialpolitik der Regierung von Präsidentin Fernández nicht brechen können. Die Beschäftigungspolitik unter Fernández und ihrem verstorbenen Ehemann und Amtsvorgänger Néstor Kirchner konnte die Arbeitslosenrate von 17,3 Prozent (2003) auf 6,9 Prozent reduzieren. Die Armutsrate hatte in Argentinien unter der Regierung des neoliberalen Carlos Menem (1989-1999) den Höchststand erreicht, 54 Prozent Bevölkerung waren am Ende seiner Regierung arm. 2013 lag diese Quote bei 4,7 Prozent.

Erreicht wurden diese Zahlen vor allem durch staatliche Investitionsprogramme. Im Wahlkampf hatte das Regierungslager mit Verweis auf diese Zahlen stets vor einer Rückkehr zur neoliberalen Politik der Vergangenheit gewarnt. In den kommenden vier Jahren wird Macri sehr vorsichtig vorgehen müssen, um diese Prognosen nicht zu bestätigen - zumal die scheidende Präsidentin Fernández dann wieder antreten darf.

Ausländische Einflussnahme

Hinter den Wahlen in Argentinien und dem Kampf der politischen Lager verbirgt sich aber auch noch eine andere Wahrheit. Seit mehrere Regierungen der Region mit dem neoliberalen Wirtschaftsmodell und der Vormacht der USA gebrochen haben, versuchen ausländische Stiftungen und Organisation, die progressiven Führungen wieder aus der Regierung zu drängen.

US-amerikanische Organisationen und Diplomaten wurden vor diesem Hintergrund aus linksregierten Staaten der Region ausgewiesen: US-Botschaftsmitarbeiter aus Venezuela etwa oder die US-Behörde USAID aus Bolivien. In Argentinien wertete der Journalist Santiago O’Donnell, Autor des Buches "ArgenLeaks", US-Depechen von der Plattform Wikileaks aus. Sein Ergebnis: Macri hatte in den vergangenen Jahren mindestens fünf Mal den direkten Kontakt zu den USA gesucht, um Hilfe gegen die Regierungen von Kirchner und Fernández zu mobilisieren.

An der Aufbauarbeit der Rechten in Argentinien waren neben US-amerikanischen Organisationen aber auch deutsche Stiftungen beteiligt. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung unterhält ein Büro in Buenos Aires und war dort in den vergangenen Jahren recht umtriebig. 2013 konstatierte Büroleiterin Kristin Wesemann Argentiniens "enge Beziehungen zu Kuba und Venezuela (…), zu zwei Staaten, die nicht dem demokratischen Ideal des Westens entsprechen".

Macri selbst bestätigte in einer der geleakten US-Depeschen, dass die 2001 von ihm ins Leben gerufene Stiftung Crecer y Crecer von der Adenauer-Stiftung und von U.S. International Republican Institute unterstützt wird. Der Hintergrund ist offensichtlich: Mit dem Regierungswechsel in Argentinien versuchen US-amerikanische und europäische Akteure eine allgemeinere Trendwende in Lateinamerika einzuleiten. Das Ergebnis in Buenos Aires kommt diesen Akteuren zupasse: In zwei Wochen wird in Venezuela ein neues Parlament gewählt. Die Signalwirkung aus Argentinien ist nicht zu unterschätzen.