BGH: Urheberrechts-Netzsperren möglich

Der Bundesgerichtshof weist Revisionen der Gema und der Tonträgerindustrie nur deshalb zurück, weil diese sich nicht genug Mühe machten

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute zwei Revisionen zurückgewiesen, mit denen die Musikverwertungsgesellschaft Gema und mehrere Tonträgerhersteller erreichen wollten, dass Internetprovider Portale sperren, die Links auf Dateien bei Sharehostern und Filesharing-Diensten setzen (Az.: I ZR 3/14 und I ZR 174/14).

Als Präzedenzobjekt diente der Gema die Webseite "3dl.am", auf der über Links bei Sharehostern wie RapidShare, Netload oder Uploaded unter anderem Musikwerke heruntergeladen werden konnten, ohne dass die Verwertungsgesellschaft dafür Gebühren erhält. Die Tonträgerhersteller hatten sich die Webseite "goldesel.to" ausgesucht, auf der es Links zu Musikwerken im eDonkey-Filesharingnetzwerk gab, an denen die Firmen Monopolwerwertungsrechte gemäß § 85 UrhG beanspruchten.

Mit diesen Anliegen waren die Gema und die Tonträgerhersteller jeweils in zwei Vorinstanzen gescheitert: Die Gema bei Landgericht Hamburg (Urteil vom 12. März 2010 - 308 O 640/08) und beim OLG Hamburg (Urteil vom 21. November 2013 - 5 U 68/10), die Musikindustrievertreter beim Landgericht Köln (Urteil vom 31. August 2011 - 28 O 362/10) und beim OLG Köln (Urteil vom 18. Juli 2014 - 6 U 192/11).

Der Erste Zivilsenat stellte bei der Prüfung der Fälle fest, dass Internetprovider "grundsätzlich" auch ohne willentlichen Beitrag als Störer in Anspruch genommen und dazu verpflichtet werden können, "den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden". Letzteres folgern die Richter aus Artikel 8 Absatz 3 der EU-Richtlinie 2001/29/EG "über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft", die ihrer Ansicht nach fordert, deutsche Gesetze so auszulegen, dass es möglich ist, "gegen Vermittler von Internetzugängen Sperranordnungen zu verhängen". Wörtlich heißt es in dieser EU-Richtlinie:

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.

Weiter stellte der BGH fest, dass der Beitrag des Internetproviders zu den geltend gemachten Immaterialgüterrechtsverletzungen der Betreiber der Internetseiten "3dl.am" und "goldesel.to" zwar nicht willentlich, aber "adäquat-kausal" sei.

Bei der Prüfung, ob die Sperren den Providern zumutbar sind, ließen die Richter den Eigentumsschutz aus Artikel 14 der Grundgesetzes für Immaterialgüterrechtsansprüche gelten und wägten ihn mit der Berufsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen, der Informationsfreiheit der Internetnutzer und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ab. Dabei kamen sie zum Ergebnis, dass Netzsperren "nicht nur dann zumutbar [sind], wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen".

Darüber hinaus reicht es ihrer Ansicht nach, wenn solche Sperren den Zugang zu rechtsverletzenden Angeboten lediglich erschweren und Umgehungsmöglichkeiten zulassen.

Dass die Revisionen trotzdem zurückgewiesen wurden, liegt daran, dass sich die Gema und die Tonträgerfirmen bei der Ermittlung der eigentlichen Rechtsverletzer und deren direkterer Helfer zu wenig Mühe gaben und nicht alle "zumutbaren Anstrengungen" unternahmen, deren Scheitern eine Sperre verhältnismäßig machen würde:

Die Gema hatte gegen den Betreiber der Webseite "3dl.am" zwar eine einstweilige Verfügung erwirkt, diese aber nicht zugestellt, weil ihr dies mit der bei der Domain-Registrierung hinterlassenen Adresse nicht gelangt. Beim Host-Provider nahm sie einen Verfügungsantrag zurück, nachdem ihre Juristen zum Ergebnis gekommen waren, dass auch dessen angegebene Adresse nicht zustellungsfähig ist. Damit, so der BGH, hätte sich die Gema aber "nicht zufriedengeben" dürfen. Sie hätte "weitere zumutbare Nachforschungen unternehmen müssen" - zum Beispiel ein Detektivbüro einschalten.

Die Tonträgerfirmen hatten angegeben, dass sie nicht gegen die Betreiber von "goldesel.to" vorgegangen seien, weil sie der Website keine Angaben über dessen Identität gefunden hätten. "Weitere zumutbare Maßnahmen", so der BGH, wurden von den Klägerinnen "nicht vorgetragen".

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