Tod nach Einsatz von Taserwaffen durch Polizisten

In diesem Jahr sind bereits 48 Personen nach den Stromstößen gestorben, in den USA wird alle 2 Minuten eine Personen durch einen Polizisten damit traktiert

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Seit Beginn des Jahres sind in den USA nach einer Recherche der Washington Post alleine 48 Menschen gestorben, nachdem sie von der Polizei mit Elektroschockwaffen angegriffen wurden. Die Taser-Waffen gelten als nichttödliche oder weniger tödliche Waffen, weswegen sie auch schneller mal eingesetzt werden, gerne auch einmal, um jemanden ruhig zu stellen oder zu unterwerfen. Fast 400 Personen wurden seit Beginn des Jahres von Polizisten mit Schusswaffen getötet.

Taser-Waffen werden praktisch von allen Polizeibehörden in den USA eingesetzt, sagt die Firma Taser. 850.000 der Elektroschockwaffen seien an die Polizeibehörden verkauft worden 904 Mal werden sie angeblich täglich benutzt, alle 2 Minuten wird also jemand mit einem 50.000-Volt-Stromschlag traktiert.

Bild: jasonesbain/CC-BY-SA-2.0

Wie viele Menschen täglich Opfer werden, taucht in der Statistik ebenso wenig auf wie die Zahl derjenigen, die nach einem Taser-Einsatz gestorben sind (wobei oft strittig ist, ob der Elektroschock die alleinige Todesursache ist). Dafür wird darauf hingewiesen, dass angeblich 157.000 Menschenleben gerettet worden seien. Bei 5 Prozent der Einsätze von Taserwaffen würden Todesfälle oder Verletzungen vermieden, so eine von Taser in Auftrag gegebene Studie.

Tatsächlich können, wenn wie in den USA ansonsten schnell zur Schusswaffe gegriffen wird, Elektroschockwaffen Todesfälle und schwere Verletzungen reduzieren. Nach einer Studie des National Institute of Justice (NIJ) soll die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verdächtiger verletzt wird, bei Taser-Verwendung um 65-70 Prozent sinken, in manchen Polizeibehörden war jedoch keine Abnahme der Verletzungen nach Einführung der Taser-Waffen festzustellen. Bei 15-20 Prozent der Festnahmen wird Gewalt angewendet, dabei erleiden zwischen 17 und 64 Prozent der Festgenommen Verletzungen. Seit einiger Zeit bietet Taser auch Axon-BodyCams für Polizisten an, womit die Einsätze dokumentiert werden können.

Auch wenn das Justizministerium davor warnt, werden Taser oft wiederholt eingesetzt, auch gegen Festgenommene, die bereits Handschellen tragen. Verletzungen oder Todesfälle können auftreten, wenn ein Getroffener, der durch den Elektroschock kurzzeitig bewegungsunfähig wird, hinfällt. Elektroschocks selbst können tödliche Wirkungen bei Menschen im Delirium, mit Drogen- oder Medikamentenmissbrauch, Herz- oder Kreislauferkrankungen haben. Von den 48 Todesfällen war bei 26 nach Autopsie- oder Gerichtsmedizinerberichten mit anderen Faktoren verbunden. In einem Bericht von amnesty international sind in der Zeit von 2001 bis 2011 mindestens 500 Menschen in den USA nach einem Einsatz von Taser-Elektroschockwaffen gestorben.

Auffällig ist, dass Taserwaffen eher bei Angehörigen von Minderheiten, vor allem bei Schwarzen, eingesetzt wird. In mehr als der Hälfte der 48 Todesfälle waren die Opfer psychisch gestört oder auf Drogen. 10 der 48 wurden mit Elektroschocks traktiert, obwohl sie Handschellen trugen oder in Ketten gelegt waren. Nur ein Opfer war eine Frau.

Bei der Vielzahl der Einsätze ist die Todesrate nach den Statistiken gering. Nach einer NIJ-Studie (2011) besteht ein Todesrisiko in 0,25 Prozent der Einsätze, das Risiko einer schweren Verletzung liege unter 0,7 Prozent: "Es ist vernünftig zu schließen, dass Elektroschockwaffen bei der großen Mehrheit dieser Fälle nicht den Tod verursachen oder zu ihm beitragen." Ein Todesrisiko, das direkt oder primär von dem Stromstoß verursacht wird, sei nicht belegt, so das Institut des Justizministeriums. Wiederholte Stromstöße oder solche auf Brusthöhe sollen jedoch vermieden werden, so die Empfehlung.

Taser selbst warnte, die Elektroschockwaffen nicht bei emotional verstörten Personen oder solchen einzusetzen, die nicht normal auf Schmerz reagieren. Vor allem sollen dort nicht wiederholte "Drive-Stuns" verwendet werden, bei denen der Stromstoß in einem kleinen Körperbereich abgegeben wird, weil der Getroffene dann nicht bewegungsunfähig wird, sondern nur großen Schmerz verspürt, was ihn noch wilder machen kann.

Die Washington Post berichtet über einige Fälle, bei denen Menschen nach einem Taser-Einsatz gestorben sind. Dabei wird oft klar, dass die Polizisten nicht wirklich bedroht waren, sondern einen Menschen ruhig stellen wollten. Der Fall der einzigen Frau, einer Schwarzen, ist paradigmatisch. Natasha McKenna war psychisch krank, immer wieder wurde sie in der Psychiatrie wegen Depression, Schizophrenie oder bipolarer Störung behandelt.

Ein krasser Fall, der an Folter grenzt

Die 37-jährige McKenna wurde auch in der Öffentlichkeit auffällig und soll zuletzt einem Polizisten ins Gesicht geschlagen haben. Danach wurde sie in der Psychiatrie gebracht und so dort gegenüber Pflegern gewalttätig geworden sein. Sie wurde daraufhin, sehr beruhigend, auf einer Bahre festgebunden und in einen "Ruheraum" gebracht. Dann wurde sie ins Krankenhaus zurückgebracht, sagte, einen Mann habe sie angegriffen und wurde schließlich von der Polizei ins Gefängnis wegen des Vorfalls mit dem Polizisten gebracht.

Als die mit einer Körpergröße von 162 cm kleine Frau von sechs (!) Polizisten vom Sheriff's Emergency Response Team, einer meist martialisch in Kampfanzügen und Helmen auftretenden Sondereinheit zur Kontrolle störrischer Gefangener, im Beisein von weiteren bewaffneten Gefängniswärtern nackt und überfallartig aus der Zelle geholt wurde, weigerte sie sich - eigentlich nachvollziehbar, wenn man das Video sich ansieht. In dem Fall war die Truppe mit Schutzanzügen und Helmen ausgestattet und hätte auch ganz normale Menschen verschreckt und in Panik versetzt. Auf dem Video sieht der ganze Vorgang einfach nur erschreckend aus, es geht ausschließlich um Unterwerfung.

Sie soll "übermenschliche Kräfte" gezeigt und fast 20 Minuten mit den 6 Männern gekämpft haben, bis diese ihr Handschellen und Ketten umgelegt und sie in einem Stuhl festgebunden haben. Sie sollen aber weiter um sich geschlagen, ihren Körper gekrümmt und ihre Füße aneinandergepresst haben - was übertrieben und auch wenig erstaunlich ist, wenn sie nackt von Männern überwältigt wird. Zudem wurde hier ganz im Guantanamo-Stil noch eine Kappe übergezogen, so dass sie nichts mehr sehen konnte. Dass die Frau in Panik sich nicht einfach in ihr Schicksal ergab, gefiel den Polizisten nicht, einer von diesen traktierte sie dann hintereinander, innerhalb von 20 Sekunden, mit vier Stromstößen. Erst nach dritten Mal konnten sie die gefesselten Beine der Frau am Stuhl festbinden, nach dem vierten Mal war der Kampf zu Ende und lag die Frau im Koma. Vier Tage später starb sie. Diagnose nach dem Autopsiebericht: "Delirium, plötzlicher Herztod."

Der Staatsanwalt kam in seinem Bericht zu dem Schluss, dass die Polizisten "bei dem Versuch, McKenna festzubinden und unter Kontrolle zu bringen, unter den Umständen gesetzmäßig und vernünftig" gehandelt hätten. Der Tod habe nichts mit dem Einsatz des Tasers zu tun. Schuld sei, dass sie sich aufgrund ihrer psychischen Erkrankung so heftig gewehrt habe. Das habe zu dem Delirium geführt, an dem sie gestorben ist. Immerhin scheint die Polizeibehörde nachdenklich geworden zu sein und hat erst einmal den Einsatz von Elektroschockwaffen bis zur Überprüfung der Einsatzregeln beendet.