Warum soll die Bundeswehr so plötzlich nach Syrien?

Auf die Stationierung der russischen S-400 in Syrien folgt die Entsendung deutscher Tornados in das Bürgerkriegsland

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Die Entscheidung der Bundesregierung, Tornados nach Syrien zu schicken, wirft Fragen auf. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen behauptet, beim Einsatz deutscher Tornados in Syrien gehe es um "den Schutz der Bevölkerung und der zivilen Infrastruktur". Oder treibt von der Leyen in Wirklichkeit die stärker werdende russische Präsenz in Syrien? Denn es fällt auf, dass die Bundesregierung neun Tage brauchte, um der Aufforderung Frankreichs zu folgen, militärisch Beistand gegen den IS zu leisten, aber nach der Bekanntgabe der Stationierung des russischen S-400-Luftabwehrsystem in Nord-Syrien nur einen Tag benötigte, um die Entsendung von Tornado-Flugzeugen bekanntzugeben.

Am Donnerstag, den 26. November, zwei Tage Tag nach dem Abschuss des russischen Kampfflugzeuges S 24 an der syrisch-türkischen Grenze, gab das russische Verteidigungsministerium die Lieferung und Inbetriebnahme des Raketenabwehrkomplexes S-400 in Nord-Syrien bekannt. Abends in den "Tagesthemen" erklärte dann Frau von der Leyen, dass Deutschland Tornado-Aufklärungsflugzeuge nach Syrien schickt und warum.

Von der zeitlichen Abfolge wirkt die Bekanntgabe der deutschen Beteiligung in Syrien wie eine Reaktion auf die S-400-Stationierung, die bereits am Mittwoch, den 25. November, bekannt geworden war. Jetzt, wo die Russen ihren S-400-Raketenkomplex auf ihrer Luftwaffenbasis bei Latakia stationiert haben, möchte auch Deutschland in Syrien unbedingt dabei sein. Nach der russischen Tatze wenigstens ein deutsches Tätzchen. Denkt man so in Berlin?

Wenn Berlin jetzt Tornados nach Syrien schickt, wäre interessant zu erfahren, ob die deutsche Luftwaffe sich mit der russischen abspricht, um Zusammenstöße in der Luft zu vermeiden. Gerne wüsste man auch, ob die deutsche Luftwaffe die Ergebnisse ihrer Erkundungen in Syrien mit dem russischen Verteidigungsministerium teilt, damit russische Kampfflugzeuge ebenfalls effektiver wie die Flugzeuge der US-Koalition die Stellungen und Ölförderanlagen des IS bombardieren können. Weiterhin wüsste man gerne, wie die westlichen Kampfflugzeuge - ohne Absprachen mit Moskau - unter dem Schirm der S 400-Raketenabwehr agieren wollen? Wichtig wäre auch zu erfahren, was die deutsche Verteidigungsministerin mit zu schützender "ziviler Infrastruktur" meint, auch von der IS kontrollierte Ölförderanlagen?

Da es für den deutschen Einsatz in Syrien keine vernünftige Strategie zu geben scheint und es auch rechtliche Bedenken gibt, sollte die Bundesregierung den Syrien-Einsatz wieder absagen. Alternativ zu einem überstürzten Militärabenteuer könnte Berlin dem IS einen wirklich empfindlichen Schlag versetzen, indem auf Ankara Druck ausgeübt wird, damit in die Türkei kein Öl vom IS mehr verkauft werden kann. So könnte man die Terrororganisation finanziell treffen. Außerdem könnte die Bundesregierung auf Erdogan Druck ausüben, damit dieser nicht noch einmal ein russisches Kampfflugzeug im syrisch-türkischen Grenzgebiet abschießen lässt und so einen Konflikt zwischen der Nato und Russland riskiert.