Nebenwirkungen der Blockade der Flüchtlinge

Die neue "Seidenstraße" endet in Kilkis. Griechenland bleibt ohne Warenzulieferungen per Zug

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Die EJR Mazedonien errichtet aktuell einen vierzig Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Griechenland. Zudem werden Flüchtlinge, die nicht aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan stammen, nicht mehr ins Land gelassen. Der tatsächliche Grenzdurchlass, der für die Übrigen besteht, misst knapp 1,5 Meter und liegt direkt neben der Bahnlinie, welche Griechenland mit dem übrigen Europa verbindet. Vom Durchlass zur Bahnlinie sind es ungefähr 30 Schritte. Der Bahnhof des Grenzortes Eidomeni liegt 800 Meter von der Grenze entfernt.

Dort, in Eidomeni (auch Idomeni transkribiert), einem kleinen Dorf des Landkreises Kilkis, stauen sich seit dem Frühjahr 2015 die Flüchtlinge und Immigranten, die weiter reisen möchten. Im gesamten Landkreis leben ungefähr 110.000 Einwohner. Sämtliche staatliche oder private Infrastrukturen, wie ärztliche Versorgung, Straßenbau, Unterkünfte und Handel, die in den letzten wegen der anhaltenden Krise und dem enormen preislichen und fiskalischen Gefälle im Vergleich zur EJR Mazedonien massiv zurückgegangen sind, sind selbst für die ständigen Einwohner von Kilkis nicht ausreichend. Vielmehr bietet sich einem Besucher das Bild, dass Kilkis ärmer erscheint als die im Staatenvergleich zu Griechenland nominell ärmere EJR Mazedonien.

Flüchtlinge an der Bahnlinie Eidomeni. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Seit knapp einer Woche stecken alle, die entweder keinen syrischen, afghanischen oder irakischen Pass besitzen, oder aber so ehrlich sind, keine der zahlreichenden Fälschungen dieser Papiere zu kaufen, fest. In ihrer Frustration blockieren sie regelmäßig die Bahnlinie, so dass der Zugverkehr von Griechenland aus momentan gesperrt ist.

Alle, die den Weg aus Griechenland herausgefunden haben, sind hier durchgegangen. Der weitere Weg führt etwa 500 Meter an der Bahnlinie entlang hin zu einem provisorischen Bahnsteig, welchen die Behörden der EJR Mazedonien neben der Bahnlinie und einem Zeltlager installiert haben.

Der normale Bahnhof des Grenzortes Gevgelija liegt c.a. einen Kilometer hinter der Grenze. Die Flüchtlinge werden jedoch nicht dorthin gelassen, ebenso wie sie auf griechischer Seite nicht in einen Personenzug einsteigen können. Stattdessen liegen die Lager beider Seiten so dicht an der Bahnlinie, dass das neue Problem der Länder hausgemacht ist.

Die Reste der "Success-Story"

Die Blockade der Menschen, die nirgendwo hin können und schließlich auch unter Zutun des griechischen Staats und mit Mitteln der EU hierhin transportiert wurden, bedroht die "neue Seidenstraße". Der Zugverkehr vom an die chinesische COSCO verkauften Containerhafen Piräus war eines des wenigen Vorzeigeobjekte der "Memorandenepoche". So nennen die Griechen die Periode seit 2010, in der mittlerweile drei mit scharfen Auflagen belegte Kreditpakete das Leben im Land bestimmen.

Die lange umstrittene Privatisierung des Containerhafens Piräus brachte den Griechen neben mittelalterlich anmutenden Arbeitsrechten für die Hafenarbeiter zumindest ein merklich erhöhtes Frachtaufkommen im Hafen. Die Chinesen möchten Piräus zur Drehscheibe für Importe aus Asien ausbauen. Im Zusammenspiel mit dem noch staatlichen Bahnunternehmen TrainOSE sollen die Waren in den übrigen EU-Raum gelangen.

Die damalige Regierung Samaras, die Koalition aus Nea Dimokratia und PASOK, feierte es als unter dem Schlagwort "Success Story" verkaufte Frucht ihrer Arbeit, dass Hewlett Packard (HP) sein Europageschäft über Piräus und danach über die Bahnlinie Griechenlands koordinieren will.

Das in drei Teile zerschlagene, wegen zahlreicher Infrastrukturinvestitionen notorisch überschuldete Bahnunternehmen OSE, schien sich zu einem profitablen, für Privatisierungen vielversprechenden Zukunftsunternehmen zu entwickeln. Umso frustrierter ist nun der CEO von TrainOSE, Thanassis Ziliaskopoulos. Abwechselnd darf er am Telefon wütenden US-Amerikanern von HP erklären, dass mitten im Weihnachtsgeschäft die Nachlieferungen von Waren wegen "ein paar hundert Flüchtlingen" ausbleiben.

Danach sind die Verantwortlichen von COSCO an der Reihe, denn auch sie sind mit der Situation alles andere als zufrieden. Zumal COSCO wegen der wieder zahlreicher werden Streiks im Land auch ohne die aktuelle Blockade zahlreiche Ausfälle verbuchen muss.

Schließlich bleibt auch Griechenland ohne Warenzulieferungen per Zug. Die Containerzüge stauen sich hüben wie drüben an der Grenze. Besonders betroffen ist das nordgriechische Thessaloniki, wo neben den Handelsgeschäften auch die dort ansässigen Exporteure unter der Blockade leiden.

Gegenseitige Schuldzuweisungen, aber keine Lösung

Diese wirtschaftlich untragbare Situation führt natürlich zu Angriffen der Opposition auf die ihrer Meinung nach für das Dilemma verantwortliche Regierung. Kyriakos Mitsotakis von der Nea Dimokratia las daher der Regierung die Leviten. Der gute Mann übersieht jedoch, dass Gesinnungsgenossen seiner Partei, wie der Bürgermeister von Kos, Giorgos Kyritsis, das Chaos maßgeblich mit verursachen.

Beharrlich weigert sich der Bürgermeister auf seiner Insel ein Lager für Flüchtlinge zuzulassen. Allein mit einem der hinsichtlich der Flüchtlingsrechte durchaus umstrittenen Hotspots kann die Klassifizierung und Versorgung der Flüchtlinge im Sinn der EU-Vereinbarungen garantiert werden, meint der Immigrationsminister Giannis Mouzalas.