BND: Saudi-Arabiens Außenpolitik zu "impulsiv"

Us-Außenminister Kerry im Gespräch mit Mohammed bin Salman (Mai 2015). Bild: US-Außenministerium/gemeinfrei

Verteidigungsminister Bin Salman gefährde die Stabilität in der arabischen Welt

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Dass Saudi-Arabien kein Teil der Lösung ist, sondern Teil des Problems, ist in unzähligen Berichten über die Kriegsschauplätze im Nahen Osten zu lesen. Jetzt äußert auch der Bundesnachrichtendienst etwas in der Richtung. Der BND warne vor einer destabilisierenden Rolle Saudi-Arabiens in der arabischen Welt, wird heute berichtet:

Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt.

Hervorgehoben wird in der Analyse des deutschen Auslandsnachrichtendienstes, soweit sie von Medien übermittelt wird, der Verteidigungsminister und Sohn des Königs, Mohammed bin Salman. Die Machtkonzentration, die Bin Salman erlangt habe, berge "latent die Gefahr, dass er bei dem Versuch, sich zu Lebzeiten seines Vaters in der Thronfolge zu etablieren, überreizt".

Mohammed bin Salman ist als Verteidigungsminister die treibende Kraft für die saudi-arabischen Militäraktionen im Jemen und er ist die treibende Kraft hinter einem massiven wirtschaftlichen Reformprogramm. Nie zuvor in der Geschichte des Landes habe es in kurzer Zeit gedrängt eine solche Menge an königlichen Dekreten gegeben, mit der Folge neuer Postenvergaben in der Regierung, was auf ein Ziel hinauslaufe: eine große Machtansammlung in einer Hand, konstatiert die Financial Times.

Im Königshaus soll es eifern. Es regt sich Widerstand gegen den neuen, faktischen Machthaber, der in westlichen Medien veröffentlicht wird (vgl. Saudi royal calls for regime change in Riyadh).

Möglich auch, dass sich Unruhe in der Bevölkerung, besonders im Mittelstand, breitmacht, wittert die britische Finanzzeitung. Prinz Salman habe beschlossen die staatlichen Ausgaben um 80 Milliarden US-Dollar zu kürzen. Wegen der niedrigen Ölpreise, welche die Abhängigkeit vom Ölexport deutlich mache, setze Bin Salman eine tiefgreifende Wirtschaftsreform in Gang, die mehrere Jahre "Austerität" bedeuten könne.

Subventionen für Energie- Wasser- und Benzinpreisedeutlich gekürzt

Vor allem die Subventionen für Energie- Wasser- und Benzinpreise und andere finanzielle Annehmlichkeiten, mit denen das Haus Saudi die Bevölkerung ruhiggestellt hat, werden reduziert oder gestrichen. Ob die drastischen Einschnitte mit einer gleichzeitigen Erhöhung von staatlichen Unterstützungszahlungen für die Ärmeren kompensieren werden können, was das Unruhepotenzial angeht, wird sich zeigen.

Laut FT treffen die Einsparungen hauptsächlich den Mittelstand, der sich in den letzten Jahren darauf verlassen konnte, dass das Haus Saud für Jobs und niedrige Lebenskosten sorgt. Von Einsparungen verschont bleiben Prestigeobjekte wie Bau des 1,2 Milliarden Dollar teuren "höchsten Turms der Welt". Ebenso auch der Militäreinsatz im Jemen, siehe weiter unten.

Im Alphaville-Blog der FT war neulich die Rede davon, dass in Saudi-Arabien die Angst vor einem Zerfall ähnlich der Sowjetunion umgehe, weil Bin Salman zu den Einsparungen bei den Staatszuschüssen eine Liberalisierung vorantreibe, die moderat beginne und mit einem Auseinanderbrechen der gewohnten Ordnung ende.

Das ist Spekulation, ebenso wie der Begründung der Warnung des IWF, wonach Saudi-Arabien in fünf Jahren das Cash ausgehe. Das passiere, falls der Ölpreis bei Preisen von unter 50 Dollar pro Fass bleibt.

Der Krieg im Jemen

Die Warnung des BND vor einer zu "impulsiven Außenpolitik" Saudi-Arabien ist demgegenüber schönfärberisch, untertrieben und zynisch formuliert angesichts dessen, dass die saudischen Luftangriffe die jementische Haupstadt Sanaa in großen Teilen in Schutt und Asche gelegt haben.

Laut UN sind etwa 5.400 Zivilisten durch Luftangriffe ums Leben gekommen, seit Saudi-Arabien in den Krieg interveniert ist. Unterstützt wird das Königreich im jemenitischen Krieg, der von der Feindschaft zu Iran getrieben ist, von befreundeten Golfstaaten.

Militärisch steckt der saudi-arabische Militäreinsatz seit Wochen fest - trotz massiver US-Unterstützung mit Waffen und Munition (vgl. Yemen is turning into Saudi Arabia’s Vietnam), Treibstoff, Geheimdienstinformationen und "targeting assistance".

There's actually a small number of US military personnel sitting in Riyadh in a military capacity helping to coordinate airstrikes.

Sharif Abdel Kouddous

Das Internationale Rote Kreuz berichtete im Oktober von 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen. 82 Prozent der Jemeniten würden humanitäre Unterstützung brauchen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung habe keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Der Jemen schaue nach fünf Monaten (der saudischen Intervention) aus wie Syrien nach fünf Jahren, zitiert der Independent den Chef des ICRC, Peter Maurer. Das legt den Gedanken nahe, dass es auch im Jemen zu einer größeren Fluchtbewegung Richtung Europa kommen kann.

Ob der BND mit seiner Warnung auf diese Konsequenzen einer falschen Politik gegenüber Saudi-Arabien abzielt oder auf die deutschen Waffengeschäfte mit dem Königreich, bleibt offen.