Mehr Lohn oder wir wählen eine "Protestpartei"

Berliner Polizeibeamten verbinden Forderungen nach Lohnerhöhung mit einer politischen Drohung

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Dass die Berliner Polizeibeamten mehr Geld und schönere Gummiknüppel fordern, ist keine Neuigkeit. Seit dem 7. Dezember 2015 verbinden sie diese Forderung mit einer politischen Drohung. Vor dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses in der Niederkirchnerstraße erklärte der Kriminalbeamte André Grashof von der "Volksinitiative verfassungskonforme Alimentation für alle Berliner Beamten": "Wir wollen nach der Kürzungsarie der vergangenen Jahre endlich wieder mehr Geld!" Von "einem ordentlichen Nachschlag" war die Rede.

Zur Begründung hieß es, von 2004 bis 2009 habe es im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine Besoldungserhöhungen gegeben. So habe sich über die Jahre - gemessen an der Inflationsrate - ein Ausgleichsbedarf von 18 Prozent bzw. bis zu 78.000 Euro bei der Besoldung rechnerisch angehäuft. Demgegenüber habe Innensenator Frank Henkel (CDU) in den letzten vier Jahren nur Gehaltserhöhungen von insgesamt neun Prozent genehmigt.

Diese Gehaltserhöhung sei eine "Geringschätzung" der Polizeibeamten, beschwerte sich Grashof: "Möglicherweise ist es noch nicht allen Abgeordneten aufgefallen, dass hier ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch steht."

Grashof wies wenig dezent darauf hin, dass die 60.000 verbeamteten Staatsdiener (Polizeibeamte, Lehrer, Feuerwehrleute, Verwaltungsbeamte, etc.) und ihre Familienangehörigen bei der Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2016 ein Wählerpotential von insgesamt 110.000 Stimmen darstellen würden und dieses Potential "kann über Sieg oder Niederlage entscheiden". In einem Bericht der "Berliner Zeitung" heißt es ergänzend:

Der Sprecher setzte noch eins drauf: Frust und Wut unter den überaus belasteten und unterbezahlten Beamten auf die Politik sei so groß, dass etliche zur Wahl einer Protestpartei (gemeint war die rechtspopulistische AfD) neigten.

Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) machte zunächst keine Zusagen, dennoch versprach sein Parteifreund Stephan Lenz, über die Größe der Angleichungsschritte könne man noch reden. Schon die Anhörung vor dem Innenausschuss kann die "Volksinitiative" für sich als Erfolg verbuchen, da sie erst durch eine Unterschriftenkampagne mit 20.000 Unterzeichnern erzwungen wurde.

In der Petition war vom "Verdacht einer verfassungswidrigen Besoldung" die Rede. Die Polizeibeamten drohten daher mit der Initiierung von mehreren tausend Gerichtsverfahren:

Es kann weder im Interesse des Dienstherrn, noch der gesamten politischen Führung der Bundeshauptstadt sein, dass der gesamte öffentliche Dienst nicht nur unangemessen, sondern unrechtmäßig besoldet wird. Ebenfalls darf es nicht im Interesse dieser Verantwortlichen sein, dass das Land Berlin von seinem eigenen öffentlichen Dienst zigtausendfach verklagt werden muss, um eine rechtmäßige, verfassungskonforme Besoldung herzustellen. Dies ist NICHT mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums in Einklang zu bringen. Auf verschiedenen dienstlichen und rechtlichen Wegen wurde bereits versucht, eine Klärung mit dem Dienstherrn zu erreichen, jedoch waren sämtliche Bemühungen bislang erfolglos.

Volksinitiative / Petition

Offenbar hatten höhere Polizeibeamte versucht, ihre Untergebenen von einer Beteiligung an der Unterschriftenaktion abzuhalten. So beschwerten sich der Bund Deutscher Kriminalbeamten (BDK) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) am 18. August 2015 in einer gemeinsamen Erklärung:

Hinweise, dass Beamte eine Dienstpflichtverletzung begehen, wenn sie Unterschriften für eine Petition sammeln, sind daher ein Zeichen dafür, dass einzelne Vorgesetzte offenbar ein gestörtes Verhältnis zu unseren demokratischen Rechten haben. Begegnen wir ihnen souverän und weisen wir sie darauf hin, dass wir lediglich unsere Bürgerrechte wahrnehmen.

Der Paragraph 105 StGB "Nötigung von Verfassungsorganen" greift hier nicht, da die Wahl einer Oppositionspartei an sich keine Gewaltanwendung darstellt.