Langes Sitzen ist ungesünder als viel Trinken

Nach einer Langzeitstudie wächst das Mortalitätsrisiko mit der Kombination von riskanten Verhaltensweisen: Trinken und Rauchen ist schlecht, aber auch langes Sitzen und wenig Bewegung

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Die meisten Menschen sterben an Krankheiten, die ohne eine Infektion geschehen und die zum großen Teil auf Risiken zurückgeführt werden können, die sich dem Lebensstil verdanken und demnach "ausschaltbar" wie Rauchen, körperliche Untätigkeit oder schlechtes Essen wären.

Das ist zumindest die Meinung vieler Gesundheitsexperten, nach denen ein großer Teil der nichtinfektiösen Krankheiten wie Herzkreislauferkrankungen, Krebs, Diabetes oder chronische der Atemwege vermeidbar seien und damit auch in die Selbstverantwortung der Menschen fallen, wenn gesundheitsmoralisch argumentiert wird und soziale und genetische Faktoren als nicht so entscheidend erachtet werden. Würde man riskante Laster vermeiden, so die Annahme, würde man zwar auch sterben, aber später, also länger leben. Ob das wiederum den Anteil der nichtinfektiösen Todesursachen verschieben würde, ist eine andere Frage.

Für eine Studie, die in PLoS One erschienen ist, habe Wissenschaftler eine Langzeitstudie ausgewertet, an der über 230.000 Australier mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren zwischen 2006 und 2009 nach ihren Trink-, Essens- und Rauchgewohnheiten befragt wurden, aber auch nach ihren körperlichen Aktivitäten sowie den Zeiten, die sie sitzend und schlafend verbringen. Das sind die sechs Laster, die allein und kombiniert im Hinblick auf Mortalität untersucht wurden. Bis 2014 wurden die Teilnehmer verfolgt, während der Zeit starben über 15.000.

Die sitzende Lebensweise ist ungesund. Bild: New York Zoological Society 1907/gemeinfrei

Raucher gab es mit 7,2 Prozent relativ selten, ein Fünftel trank viel, 17 Prozent ernährten sich schlecht, 22,9 Prozent betrieben zu wenig Sport, ein Viertel verbrachte sieben Stunden und mehr im Sitzen und fast so viele schliefen zu wenig. Ein Drittel der Teilnehmer will keines der Laster ausgeübt haben, mehr als ein Drittel eines, ein Fünftel bekannte sich zu zwei dieser risikobehafteten Laster, 8 Prozent zu drei. Nur 2,1 Prozent wollen vier ungesunde Verhaltensweisen pflegen, 0,4 Prozent fünf und 0,04 Prozent alle abgefragten sechs.

Ein Laster ragt allerdings heraus, auch höherer Alkoholkonsum ist nach dieser Studie nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden, wohl aber vor allem Rauchen und körperliche Inaktivität. Langes Sitzen ist tödlicher als schlechte Ernährung. Allgemein steigt das Mortalitätsrisiko mit der Zahl der Laster an und ist bei denjenigen, die keinem dieser sechs Laster frönen, von denen das Sitzen wohl am wenigsten in der werktätigen Bevölkerung selbstverschuldet ist, am geringsten. Das würde heißen, ein asketisches Leben dauert länger, ob es glücklicher ist als eines, bei dem geschlemmt, geraucht und getrunken wird, ohne sich groß körperlich anzustrengen, ist eine andere Frage, die man quantitativ deutlich schlechter feststellen kann.

Interessant ist, dass bei denjenigen, die nur ein riskantes Verhalten pflegen, das lange Sitzen am stärksten mit der Mortalität verbunden ist, gefolgt von körperlicher Inaktivität. Bei zwei Risikofaktoren stehen körperliche Inaktivität und langes Sitzen ganz oben. Schaut man auf das Verhalten, das am riskantesten ist, so ist dies das Rauchen. In Kombination ist neben langem Sitzen und körperlicher Inaktivität letztere mit einer langen Schlafdauer riskant. Wer viel Alkohol trinkt, sich kaum bewegt und lange sitzt, schaut auch nicht gut aus. Das gilt auch für diejenigen, die sich kaum bewegen, lange sitzen und lange schlafen, also die körperlich Faulen. Ernährung scheint keine so große Bedeutung zu haben. Aber Rauchen und viel Alkohol ist ganz übel.

Das müßige Leben ist riskant

Für die Wissenschaftler folgt aus ihren Ergebnissen nicht überraschend, dass ein gesunder Lebensstil das längere Leben befördert, weswegen man am besten alle sechs Laster vermeidet. Aber es sei auch wichtig, dass die Risiken sehr unterschiedlich sind und die Kombinationen der Laster diese extrem verstärken können. So würden zwar nur 1,39 Prozent der Teilnehmer rauchen, aber Rauchen ist viermal häufiger als andere Verhaltensweisen mit anderen Risikofaktoren verbunden, vor allem mit dem Trinken von Alkohol, das selbst nur ein relativ geringes Risiko besitzt.

Zusammen mit Rauchen erhöht sich mit dem Trinken das Mortalitätsrisiko beachtlich, woraus Menschen, die gerne mal einen Wein oder Bier trinken, den Schluss ziehen könnten, auf das Rauchen zu verzichten, um ihr Mortalitätsrisiko zu senken, ohne gleich asketisch leben zu müssen. Sie müssten aber auch beachten, nicht zu kurz zu schlafen. Weil das Mortalitätsrisiko für die Kombination Rauchen, Alkohol und Kurzschlaf durch einen "synergistischen Effekt" beträchtlich ansteigt. Auch langes Sitzen ist als solches nicht sonderlich tödlich, wohl aber eben in Kombination mit auch sonst geringer körperlicher Aktivität. Und langes Schlafen scheint riskanter als eine kurze Schlafdauer zu sein.

Überhaupt ist das müßige Leben mit langen Schlafzeiten, vielem Sitzen und wenig Bewegung sehr riskant. Muss also asketisch gelebt und reichlich gejoggt werden, gemessen durch Apps, die Normen vorgeben, was richtig und gesund sein soll? Mag sein, dass Mortalität ein wenig später eintritt, wobei die Risiken des angeblich gesunden Lebens noch nicht wirklich gemessen wurden, aber ist ein etwas längeres Leben automatisch besser? Verkürzt derjenige, der Lastern nachgeht, zwar sein Leben, aber womöglich auch die Zeit, in der man nur noch dahinsiecht? Und sind diejenigen, die rauchen, trinken und sitzen, auch unglücklicher?