Putin und der "wirkliche Grund" für den russischen Krieg gegen den IS

Der russische Präsident Wladimir Putin erklärt im Verteidigungsministerium die Gründe und Erfolge der militärischen Intervention in Syrien. Bild: Kreml

Der russische Präsident hat den sofortigen Angriff auf alle Bedrohungen in Syrien angeordnet

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Nach dem russischen Verteidigungsminister Sergey Shoigu verfügt der Islamische Staat noch immer über 70.000 Kämpfer, 25-30.000 davon sollen Ausländer sein. Die islamistische Terrororganisation habe das von ihr kontrollierte Gebiet in Syrien weiter vergrößert. 70 Prozent des syrischen Territoriums würden vom IS kontrolliert. Die von ihm ausgehende Bedrohung werde auch Zentralasien und den Kaukasus erreichen, so Shoigu, was nicht zuletzt die militärische Intervention Russlands auf der Seite des syrischen Regimes rechtfertigen soll.

Russische Flugzeuge beim Abflug vom Stützpunkt Khmeimim in Syrien. Bild: mil.ru

Der Verteidigungsminister verbindet seine Aussagen natürlich auch mit der Meldung, welche Erfolge die russischen Bombardierungen erzielt hätten und dass der IS durch die russische Bombardierung "schwere Schäden" erlitten habe. Wie das Pentagon wird auch die von niemand nachprüfbare Zahl der zerstörten IS-Stellungen genannt. Shoigu spricht von 4000 Flügen seit 30. September, bei denen mehr als 8000 militärische Einrichtungen des IS zerstört worden seien. Addiert man dazu die Erfolgsmeldungen des Pentagon, dann müsste der IS eigentlich schon ziemlich am Boden liegen.

Überdies versuchte der Verteidigungsminister die Bedrohung durch die Nato deutlich zu machen, was auch damit zu tun hat, dass Putin den Ausbau der strategischen Atomwaffen als Priorität der russischen Rüstungspolitik bezeichnete. Shoigu wies auf die Erweiterung der Nato in kurzer Zeit hin, Montenegro, Mazedonien, Bosnien und Herzogwina, Georgien und die Ukraine würden sich auf den Beitritt zur Nato vorbereiten, Finnland, Schweden, Serbien und Moldawien stünden nun im Interesse der Nato

Die Nato habe in den baltischen Staaten, Polen und Rumänien in diesem Jahr die Zahl der Flugzeuge verachtfacht, es gebe 13 Mal mehr Soldaten, 300 Panzer und Kampffahrzeuge seien in die Länder verlegt worden, das Aegis-Raketenabwehrsystem werde in Rumänien und Polen installiert. Und die USA hätten ungefähr 200 Atombomben in Italien, Belgien, Deutschland, der Türkei und den Niederlanden stationiert, die modernisiert werden sollen. In Tallin sei das Cybersicherheitszentrum und in Riga das Strategische Propagandazentrum eingerichtet worden, um die Informationshoheit über Russland zu erreichen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat erstmals, wie staatliche Nachrichtenagentur Sputnik es interpretiert, den "wirklichen Grund für Russlands Militäreinsatz in Syrien" während einer Ansprache im Verteidigungsministerium genannt:

Zuallererst verteidigen die russischen Militärs in Syrien unser Land. Unsere Handlungen werden nicht von irgendwelchen unklaren, abstrakten geopolitischen Interessen und auch nicht von dem Wunsch, zu trainieren und neue Waffensysteme zu testen, diktiert - was allerdings an und für sich auch wichtig ist. Das Wesentliche ist aber, eine Bedrohung für Russland selbst abzuwenden.

Wladimir Putin

Immerhin räumte er damit in der Rede im Verteidigungsministerium auch ein, was die Amerikaner so nicht machen würden, dass man eben auch geopolitische Interessen verfolgt und neue Waffensysteme testet. Ansonsten wird eben auch Russland in Syrien verteidigt, so wie die Regierungen der USA, Deutschlands oder Frankreichs eben auch ihren Bevölkerungen den Kriegseinsatz erklären und nahe bringen wollen. Auch in Russland ist die Begeisterung für den Krieg in Syrien nicht gerade hoch, so dass Putin angesichts der Kosten und Risiken dafür werben muss.

Der erweiterte Rat des Verteidigungsministeriums. Bild: Kreml

Putin wies darauf hin, dass Angehörige vieler ethnischer Gruppen nicht nur aus dem russischen Nordkaukasus, sondern auch von anderen Regionen an den Kampfhandlungen teilnehmen und sich brüsten würden. Die Terroristen hätten einen "Brückenkopf" geschaffen, das Ziel sei es, "ihre Expansion zu neuen Regionen zu stärken und auszudehnen". Der Militäreinsatz in Syrien sei mit der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten in Russland koordiniert, der Geheimdienst FSB habe Terrorzellen, auch solche des IS, im gesamten Staatsgebiet aufgedeckt. Daher gebe es also eine "direkte Bedrohung".

Mit Blick vor allem auf die Türkei drohte Putin, er habe dem Miltär den Befehl gegeben, alle Ziele, die die russischen Streitkräfte in Syrien bedrohen, zu zerstören: "Ich befehle, sehr hart vorzugehen. Alle Ziele, die die russischen Streitkräfte oder unsere Infrastruktur auf dem Boden bedrohen, müssen sofort vernichtet werden." Überdies warnte er vor Provokationen. Man habe den Stützpunkt in Syrien ebenso wie die Sicherheit der Soldaten weiter durch Luftabwehrsysteme und mehr Kampfflugzeuge verstärkt, letztere dienen dem Schutz der bombardierenden Flugzeuge wie der SU-24, die von der Türkei abgeschossen wurde.

Die Luftangriffe und der Beschuss von Stellungen des IS und al-Nusra hätten zusammen mit den "neuesten Hochpräzisionswaffensystemen" der terroristischen Infrastruktur großen Schaden zugefügt und die Situation in Syrien "qualitativ verändert". Man wolle weiterhin mit allen Ländern kooperieren, erklärte der russische Präsident, die "wirklich daran interessiert sind, Terroristen zu zerstören". Es gehe etwa um Kontakte mit der israelischen Luftwaffe und der von der USA geführten Koalition.

Überdies erklärte Putin, dass Russland und das syrische Militär nun auch mit Teilen der vom Westen unterstützten Milizen der Freien Syrischen Armee kooperieren würden. Damit soll die Kritik zurückgewiesen werden, dass Russland alle Oppositionsgruppen, auch die "gemäßigten", bombardiert: "Ich muss besonders betonen, dass die Arbeit unserer Lufttruppen zur Vereinigung der Bemühungen zwischen den syrischen Regierungstruppen und der Freien Syrischen Armee beiträgt. Zurzeit führt ein Teil ihrer Kämpfer, mehr als 5.000 Mann, genauso wie die regulären Truppen Angriffe gegen Terroristen in den Provinzen Homs, Hama, Aleppo und Raqqa aus. Wir unterstützen sie außerdem der Luft, genauso wie die syrische Armee, und leisten ihnen Hilfe mit der Ausrüstung, Munition und materiellen Ressourcen."