Teile der Bevölkerung informieren sich aus unseriösen Quellen

Untersuchung setzt sich mit den zunehmenden Übergriffen auf Journalisten der "Lügenpresse" auseinander

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Journalisten gelten bei einem wachsenden Anteil der Bevölkerung nicht mehr als neutral, sondern werden zum Teil eines Feindbildes aus herrschender Politik und weltoffener Gesellschaft.

Zu diesem Fazit kommt Martin Hoffmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter des European Center For Press & Media Freedom (ECPMF) , der eine Untersuchung in Sachen Übergriffe auf Journalisten geleitet hat.

In diesem Jahr wurden nach dem Bericht mindestens 29 Journalisten auf Pegida-Aufmärschen und anderen rechtspopulistischer Veranstaltungen angegriffen. Neben den Übergriffen seien auch dutzende Journalisten bedrängt worden.

Das ECPMF hat Medienberichte bewertet und Interviews mit Experten und Journalisten, die Gewalt ausgesetzt waren geführt. Die bekannten Fälle wurden kategorisiert und "die Auswirkungen auf den Journalismus und die Pressefreiheit in Deutschland untersucht". Herausgestellt habe sich bei der Untersuchung auch, dass vor allem im Bundesland Sachsen Angriffe auf Journalisten zu verzeichnen sind.

Von einem Zusammenhang mit der Pegida-Bewegung wird ausgegangen. Allerdings heißt es in einer Pressemitteilung: "Die Datenlage zu Angriffen auf Journalisten ist jedoch lückenhaft, weil die Polizei die Fälle bisher nicht gesondert erfasst hat, aber auch weil die entscheidenden Szenen häufig nicht durch Fotos oder Videos dokumentiert sind."

Für die Teilnehmer an den Demonstrationen würden die Journalisten zur Provokation. So werden "überdurchschnittlich häufig Kameramänner und Fotografen Opfer von körperlichen Gewalt. Sicher auch, weil sie einfacher zu identifizieren sind als ihre Print-Kollegen. Aber auch, weil Fotografen und Kameramänner ihre Arbeitsgeräte gegen den Willen der Teilnehmer nutzen und 'draufhalten'."

Das ECPMF, das unter anderem von der Europäischen Kommission, dem Auswärtigen Amt und dem Freistaat Sachsen unterstützt wird, sieht Deutschland aufgrund der Vorfälle an einem "Scheideweg", was die Pressefreiheit angeht. Zwar würden "couragierte Journalisten" auch weiterhin von den Demonstrationen berichten, allerdings sieht das ECPMF Polizei und Sicherheitsbehörden "zunehmend überfordert von der Situation".

Interviews hat das ECPMF für seine Untersuchung unter anderem mit Andreas Loepki (Leiter Polizeidirektion Leipzig), Michael Hiller (Geschäftsführer des Deutschen Journalisten Verband Sachsen) und Helmut Schümann (Journalist, Der Tagesspiegel) geführt.

Dirk Birgel, Chefredakteur der Dresdner Neuste Nachrichten (DNN), der ebenfalls für die Untersuchung interviewt wurde, antwortete auf die Frage, welche Gründe er für den Vertrauensverlust der Presse sieht, mit den Worten: "Da gibt es viele Gründe. Einen wirklich wesentlichen Grund sehe ich darin, dass es Teile der Bevölkerung gibt, die sich mittlerweile nicht nur aus den seriösen Nachrichtenquellen informieren, sondern sich überwiegend über soziale Netzwerke informieren und kommunizieren." "Dort", so der Chefredakteur weiter, "bekommen sie ihre Einstellungen und Meinungen in einer Art und Weise bestätigt, wie das die Presse ihnen nie geboten hat und nie bieten wird können."

Für Birgel, der seit 1999 Chefredakteur der Dresdner Neusten Nachrichten ist und dessen Mitarbeiter selbst Angriffen ausgesetzt waren, handelt es sich bei denjenigen, die sich gegen die Presse stellen, um "Menschen, die sich aus dem öffentlichen Diskurs zurückgezogen haben". Man sehe solch ein Verhalten auch bei Pegida. "Man will sich nicht mit der Realität, der Presse, wem auch immer, auseinandersetzen. Man lebt sozusagen in seiner eigenen Pegida-Welt und alles, was dort kommuniziert ist, ist die Wahrheit und alles was dieser Wahrheit nicht entspricht, ist gelogen." Allerdings sagt er auch, dass die Gewalttäter relativ sicher sein können, ungeschoren davonzukommen: "Bei diesem Aggressionspotential von Einzelnen sind diese Demonstrationen zu schlecht abgesichert."