Zweifel an der MH17-Untersuchung mehren sich

Bild: DSB

In Australien und in den Niederlanden werden von Experten Bedenken am MH17-Untersuchungsbericht des DSB geäußert

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In Australien hat eine Anhörung in einem Verfahren über den MH17-Absturz und die Verantwortlichen begonnen. Der Coroner von Melbourne hörte gestern die Aussage des Detective Superintendent Andrew Donoghue, des leitenden australischen Polizisten in der internationalen Untersuchung, die vom Dutch Safety Board (DSB) geleitet wurde. Kern seiner Aussage war, dass man die Herkunft der Rakete, durch die die MH17 zerstört wurde, nicht ermitteln konnte.

Donoghue sagte, eine Untersuchung, die beweisen will, mit welcher Waffe das Flugzeug abgeschossen wurde und wer die Täter waren, müsse mit "strengeren Maßstäben" als der DSB-Bericht arbeiten (Nach dem niederländischen Abschlussbericht wurde MH17 mit einer 9M38M1-Buk-Rakete abgeschossen). Er und andere Untersuchungsbeamten seien nicht von den Berichten der amerikanischen und ukrainischen Regierungen und des DSB überzeugt, dass es sich um eine Buk-Rakete gehandelt habe. Die vorgelegten Hinweise würden nicht den internationalen Maßstäben für einen Beweis entsprechen. Die Untersuchung würde weitergehen, so berichten die meisten Medien verkürzt.

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Nach Donoghue, wie John Helmer, der allerdings prorussisch argumentiert, seine Aussage wiedergibt, habe die australische Regierung Vereinbarungen zur Untersuchung der Absturzstelle mit der ukrainischen Regierung und den Separatisten getroffen. Wer die Vereinbarung mit den Separatisten unterzeichnet hat, wollte er nicht sagen. Die internationalen Experten hatten aber "keine Möglichkeit, Teile des Flugzeugs oder anderes" zu sammeln, erst im Mai 2015 habe man mit der forensischen Untersuchung begonnen. Erst zehn Monate nach dem Absturz und nachdem der DSB erst die Hälfte der Wrackteile erhalten habe, seien "einige Fragmente" gefunden worden, "die nicht mit Teilen des Flugzeugs übereinstimmen". Er wollte aber nicht darauf antworten, ob diese Fragmente von einer Rakete oder einem Sprengsatz stammen.

Zweifel an dem DSB-Bericht gibt es aber auch in den Niederlanden selbst, zunächst allerdings aus anderen Gründen, die weiteres Misstrauen begründen können. So erklärte der Forensiker Theo de Roos gegenüber der Zeitung Telegraaf, dass die jüngsten Skandale um den ukrainischen Geheimdienst SBU die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen behindern oder unmöglich machen könne. Bislang stamme der Großteil der Beweise wie die abgehörten Telefongespräche der Separatisten eben vom SBU. Der Geheimdienst sei auch intensiv an der Bergung der Leichen, des Wracks und der mutmaßlichen Raketenfragmente beteiligt gewesen.

"Es gibt viel Rauschen", sagte De Roos der Zeitung. Das werde für die Verteidigung, aber auch für die Richter wichtig werden, die sich sehr kritisch jeden Beweis anschauen werden. Der Generalstaatsanwalt müsse sofort zusätzliche Untersuchungen über die Glaubwürdigkeit der Beweise beginnen, bevor alles im Gericht in der Luft zerrissen werde.

Der SBU ist mitsamt seinem bis Juni 2015 amtierenden Ex-Direktor Valentyn Nalyvaichenko in zahlreiche Korruptions-, Diebstahls- und Schmuggelfälle verwickelt. Allerdings ist nicht klar, ob seine Entlassung auf Antrag von Poroschenko nicht auch mit seiner Fehde mit dem Generalstaatsanwalt und schlicht auf Machtkämpfe innerhalb der herrschenden Elite zurückzuführen ist. Nalyvaichenko soll mit einem Kunstraub 2005 im Westfries Museum verbunden sein, die finnische Polizei verdächtigt ihn der Verwicklung in einem großen Schmuggel mit Antiquitäten. 22 SBU-Mitarbeiter wurden 2015 zu Gefängnisstrafen wegen Korruption und anderer Straftaten verurteilt. Auf den ukrainischen Chefermittler Oleksandr Ruvin, Direktor des Kyiv Research Institute of Forensic Expertise und leitender Forsensiker bei der MH-17-Untersuchung, war letzten Monat ein Anschlag verübt worden.

Die Oppositionspartei CDA, der Christlich-Demokratische Aufruf, fordert Antworten vom niederländischen Justizminister. Die SBU-Skandale seien ein großes Risiko für die strafrechtliche Untersuchung, zumal es nur wenige Beweise gibt, die zudem kompromittiert seien, so der CDA-Abgeordnete Pieter Omtzigt.