Zinswende in den USA

Zwar hat die US-Notenbank den Leitzins nur schwach gesteigert, doch erstmals seit fast 10 Jahren ging es wieder aufwärts

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es war immer und immer wieder angekündigt worden, doch am späten Mittwoch kam die US-Notenbank (FED) nicht mehr darum herum und hob wie lange erwartet den Leitzins erstmals seit fast zehn Jahren wieder an. Sogar eine "historische Zinswende" wollen einige Beobachter sehen, nur weil die bisherige Zinsspanne, die zwischen 0 und 0,25% lag, nun auf eine Spanne zwischen 0,25 und 0,5% angehoben wurde.

Nachdem der Zinssatz seit 2006 immer weiter gesenkt wurde, brachte ihn die FED im Dezember 2008 praktisch auf Null (Geldpolitik an der "zero bound"). 2009 kündigte die Notenbank sogar an, dass der Leitzins noch "für einen längeren Zeitraum außerordentlich niedrig" bleiben werde. Um das nach dem Crash der US-Investmentbank Lehman Brothers schwankende Banken- und Finanzsystem zu stützen, wurden der Geldmarkt zusätzlich weiter durch ein riesiges Programm zum Aufkauf von US-Staatsanleihen geflutet (Finanzkrise bedroht das weltweite Finanzsystem).

Weil sich die Wirtschaft in der USA stabilisiert habe, sie soll laut FED 2015 um 2,1% wachsen, und weil die Arbeitslosenrate auf 5% gefallen sei, habe man sich zu diesem Zinsschritt entschieden, erklärte die FED-Chefin Janet Yellen. Da sich auf den Finanzmärkten eine immer stärkere Blasenbildung zeigt, vor der auch FED im Sommer 2014 warnte), versucht sie seither langsam, die Geldschwemme zurückzunehmen. Der Ankauf von US-Staatsanleihen wurde ab Frühjahr 2014 monatlich um 10 Milliarden Dollar zurückgefahren und im Herbst dieses Jahres ganz eingestellt. Dass die Zeit des billigen Geldes "schneller" vorbeisein könnte, als bislang erwartet wurde, wie Yellen mehrfach gewarnt hatte, bestätigte sich nicht. Sie zog die Anhebung der Leitzinsen sogar noch deutlich länger als erwartet hinaus.

Das hatte mit Widerständen in Schwellen- und Entwicklungsländern zu tun. Denn für Länder, die Schulden in US-Dollar haben, bedeutet die Anhebung, dass ihre Schuldenlasten steigen. Dazu kommt, dass viel Kapital in der Nullzinsphase auch in Schwellenländer geflossen ist, wieder abfließt und diesen Ländern fehlt. Das war schon seit den Ankündigungen von Zinserhöhungen zu beobachten (Insider verabschieden sich aus Chinas Aktienmarkt). Zudem wird erwartet, dass der Dollar weiter aufwertet, womit sich Probleme für Schwellenländer noch vergrößern werden, die mit Dollars auf dem Weltmarkt einkaufen. Tatsächlich legte die US-Währung am Donnerstag gegenüber dem Euro, dem japanischen Yen, dem Schweizer Franken und auch gegenüber anderen Währungen zu.

China ist nicht begeistert

China ist alles andere als begeistert davon, dass die US-Geldpolitik sich in diese Richtung verändert. Das Reich der Mitte hatte schon im Sommer drohend den Finger erhoben und Druck auf die US-Notenbank gemacht. Die Chinesen machten sogar die einst für September erwartete Zinserhöhung für Verwerfungen an den chinesischen Finanzmärkten verantwortlich). Und das zeigte Wirkung. Die FED-Chefin Yellen begründete die im September ausgebliebene Anhebung auch mit Unsicherheiten in China.

Auch vor der Sitzung des für die Geldpolitik zuständigen Offenmarktausschusses am Mittwoch hatte China erneut Druck ausgeübt. Diverse Experten halten es für eine neue Warnung an die FED, dass China ausgerechnet am Wochenende die Dollarbindung aufgegeben hat. Die chinesische Währung Renminbi (Volksgeld) wird nun an einen Währungskorb gebunden. Es werden deshalb weitere Abwertungen erwartet, nachdem China angesichts der Konjunktur- und Exportschwäche im Sommer ebenfalls in den Währungskrieg einstieg, um seine Exporte billiger zu machen (China steigt wegen Konjunkturflaute in Währungskrieg ein). Das Land stelle sich auf eine "neue Runde im globalen Wettbewerb um die schwächste Währung ein", meint die Neue Zürcher Zeitung mit Bezug auf Analysten und warnt vor einer Eskalation im Währungskrieg.

Wie üblich wurde der Druck aus China aber getarnt. Natürlich wird die Anbindung an den Währungskorb auch in dem Rahmen verortet, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) kürzlich beschlossen hat, den Renminbi in den IWF-Währungskorb aufzunehmen, womit auch die chinesische Währung offiziell zu einer Reservewährung wird. Mit dem Weg dorthin hatte China auch schon die Abwertungen im August begründet. Peking versuchte zu suggerieren, man wolle damit nur den Vorgaben des IWF nachkommen, zu einem freien Wechselkurs zu kommen, um den Renminbi in den Währungskorb für die "Sonderziehungsrechte" (SZR) aufzunehmen.

EZB hält an Geldschwemme fest

Doch eigentlich müssen sich die Chinesen nicht sonderlich sorgen. Ob wir tatsächlich einer Zinswende beiwohnen, ist fraglich. Sogar die FED-Chefin ist vorsichtig, weshalb sie nur einen winzigen Zinsschritt gegangen ist. Sie kündigte an, die Leitzinsen "graduell" anheben zu wollen, um "Anpassungsschocks" zu vermeiden: "Hätten wir zu lange abgewartet, hätte die Gefahr einer Überhitzung der Konjunktur und einer stark überhöhten Inflationsrate bestanden." Dann hätte die FED die Zinsen abrupt mit der Gefahr erhöhen müssen, dass darüber die Konjunktur abgewürgt werde, meinte Yellen. Sollten die Wachstumsraten aber stärker als erwartet ausfallen, dann könnten die Leitzinsen auch schneller als bisher geplant angehoben werden. Angepeilt wird eine "Normalisierung" und damit bis Ende 2016 ein Leitzins von etwa 1,5%. Bis 2017 könnte er sogar auf bis zu 2,5% steigen meint die FED.

Ob es dazu kommt, darf bezweifelt werden. Die Erwartungen auf höhere Zinsen könnten sich genauso dämpfend auf die Konjunktur in den USA auswirken, wie ein stärkerer Dollar die Exporte verteuert. Und derweil drückt die Europäische Zentralbank (EZB) weiter den Euro mit ihrer Geldschwemme nach unten und ist auf diesem Kurs nicht allein. Das macht auch die japanische Zentralbank, der Kurs wird vermutlich von der chinesischen sekundiert, um die jeweiligen Exporte zu stärken. Deshalb sieht die New York Times die Gefahr, dass die US-Wirtschaft "stärker" durch die schwache Weltkonjunktur belastet wird als erwartet. Bleibe die "Inflation weiterhin unter dem Ziel von 2%", könnte die FED ihren schnell wieder korrigieren", meint die Zeitung.

Von einem "Akt der Verzweiflung" spricht die Börsen-Zeitung: "Jetzt bloß noch schnell die Zinsen anheben, bevor die Schwäche der US-Wirtschaft es nicht mehr zulässt." Die Zeitung vermutet, dass die FED nur versucht, das Gesicht zu wahren, nachdem Zinserhöhungen so lange angekündigt und nicht umgesetzt wurden. Sie habe nun handeln müssen, bevor es der Abwärtsmodus nicht mehr zulasse. Für sie ist eines klar: "Der Beginn der nächsten ausgeprägten Schwächephase der US-Wirtschaft liegt näher, als das Ende der vorigen Rezession entfernt ist."