Frankreich: 3,8 Millionen nur "notdürftig untergebracht"

Der Bericht der Fondation Abbé Pierre macht auf prekäre Lebenssituationen aufmerksam

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jedes Jahr zur Winterszeit bringt die Fondation Abbé Pierre einen Bericht heraus, der Unbehagen weckt. Es geht darin um die Wohnsituation der Nicht-Privilegierten. Die Zahlen bewegen sich stets in alarmierenden Größen.

So auch beim diesmal: 3,8 Millionen in Frankreich sind mal-logés, heißt es im aktuellen Bericht. Die Online-Übersetzungs-Webseite Leo bietet für mal-logés die deutsche Umschreibung "notdürftig untergebracht" an.

Für manche ist auch die notdürftige Unterbringung nur eine Episode. Rund 141.000 Personen in Frankreich haben gar keine Wohnung, wird berichtet. Sie sind auf Unterkünfte angewiesen, die ihnen die öffentliche Hand zur Verfügung stellt, auf billige Pensionen, provisorische Refugien oder sie nächtigen auf der Straße. Knapp unter einer Million, 907.500, haben "keine eigene Behausung". Gut zwei Drittel, 643.000, können entweder bei Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten unterkommen.

Fast drei Millionen Personen wohnen in "sehr schwierigen Bedingungen"

Fast drei Millionen Personen - 2.879.000 - wohnen laut der christlichen Stiftung in "sehr schwierigen Bedingungen". Den Unterkünften von knapp über 2 Millionen Personen in Frankreich fehlt es an "Komfort". Den vagen Begriff präzisiert der Bericht mit einer Aufzählung unterschiedlicher Basiseinrichtungen.

Die Unterkunft verfügt nicht über fließendes Wasser, kein WC in der Wohnung, keine Dusche, keine Heizung, keine Küchenecke, Wände mit Rissen und bröckelndem Putz. Man könne davon ausgehen, dass viele Wohnungen feucht sind, heruntergekommen, zum Teil mit lausigen Elektro-Installationen, zu klein.

Auf etwa 934.000 Personen schätzt die Fondation die Zahl derjenigen, die in beengten Verhältnissen lebt.

4,8 Millionen frieren in der Wohnung

Aufmerken lassen Zahlen, die zum ersten Mal in dieser Art in dem Bericht auftauchen, so sollen sich 2013 knapp 4,8 Millionen beklagt haben, dass sie in den Wohnungen frieren, weil sie kein Geld für die Heizung hatten. In dem Jahr betraf das 18,8 Prozent der Haushalte (1996 waren das noch 10,9 Prozent). Seit 2006 ist die Zahl derjenigen, die beim Heizen sparen, um 44 Prozent gestiegen.

5,7 Millionen würden mehr als 35% ihres Einkommens für die Miete ausgeben, der finanzielle Aufwand für die Miete wird im Bericht als zunehmendes Problem herausgestellt.

Insgesamt, so die Fondation Abbè Pierre, würden 12 Millionen Franzosen und Französinnen in zwar unterschiedlich schlechten, aber generell kritischen Miet-Umständen wohnen.

Die Zahlen

Was im Bericht erstaunt, ist, dass, obwohl er den Anscheint macht, er sei aktuell, manche Zahlen nicht aktuell sind - wie die 141.000, die gar keine Wohnung haben - schon im Bericht aus dem Vorjahr auftauchen (Frankreich: Sozialwohnungen werden vielen zu teuer). Die Erklärung hierfür ist, dass sich die Fondation auf Zahlen des französischen Statistikamtes Insee von 2013 stützt.

Dort hätten sich die Kriterien für prekäre Wohnverhältnisse geändert, gibt man als Info, weswegen man die 3,8 Millionen, die laut neuestem Bericht "notdürftig untergebracht" sind, nicht mit den 3,5 Millionen, die der Vorjahresbericht als "notdürftig untergebracht" verzeichnet, nicht auf dieselbe Vergleichsebene stellen könnte.

Es gibt keine genauen aktuellen Zahlen, heißt das - und dies in Zeiten der enormen Erfassung von persönlichen Daten und deren schneller Verarbeitung.

Der Bericht stellt in Ermangelung aktueller Zahlen eine Entwicklung zu schlechteren Verhältnissen in den Vordergrund. Die können bis zum Jahr 2013 anhand von Insee-Daten mit einiger Verlässlichkeit dargestellt werden, wie zum Beispiel die 42-prozentige Zunahme der Personen im Zeitraum von 2006 bis 2013 , die sich in einer Wohnsituation befinden, die "exzessive finanzielle Bemühungen" für die Miete erfordert.

Oder die 50-prozentige Zunahme der Personen, die keinen Wohnsitz haben, im Zeitraum von 2001 bis 2012. Ob es 2014 eine Verbesserung gab, wird dann - vielleicht - der nächste Winter zeigen.