Optimiertes Dating im Jahr 2040

Bild: Michael Crane/CC-BY-SA-2.0

Virtuelle Realität, Gen- und Verhaltensabgleich, Steuerung durch KI: Wie sich die Datingbranche die Zukunft der Partnersuche vorstellt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Dating-Seiten florieren. Zunehmend wenden sich Menschen, die auf Partnersuche gehen, ab von Orten wie Kneipen, Diskotheken oder Veranstaltungen, in denen gewartet, gehofft, viel Zeit und Aufwand investiert und geworben wird, um auf der Bühne der sexuellen Selektion im Live-Auftritt erfolgreich zu sein.

Früher waren es auch gerne Freunde von Freunden oder Studien- und Arbeitskollegen, mit denen Kontakte geknüpft wurden, die zu Beziehungen führen konnten. Aber die Begegnungen waren trotz manchen Einschränkungen etwa im Hinblick auf die soziale Klasse und geografische Nähe weitgehend durch den Zufall bedingt, die Auswahl war zudem knapp und das Unwissen groß.

Bild: Michael Crane/CC-BY-SA-2.0

Auch die beiden vermutlich dem IS verbundenen Attentäter von San Barardino, die am 2. Dezember 14 Menschen töteten, hatten sich zuerst online über eine Dating-Website getroffen, wie aus dem im Januar 2014 gestellten K1-Visa-Antrag hervorgeht, mit dem der US-Bürger Syed Rizwan Farook seine aus Pakistan stammende Verlobte Tashfeen Malik in die USA holte, um dort zu heiraten.

Nachdem sie online in Kontakt getreten waren, haben sie sich, so Farook, mehrere Wochen lang Emails geschrieben und sich während seiner Pilgerschaft nach Mekka, wohin Tashfeen mit Familie gefahren war. am 3. Oktober 2013 erstmals im Real Life gesehen. Dann scheint alles schnell gelaufen zu sein. Schon am ersten Tag fand die Verlobung statt. Möglicherweise hat die Datingseite richtig kombiniert oder die Liebe entzündete sich über die beiden schon zuvor gemeinsame Dschihad-Leidenschaft. Die Ermittler denken, es könnte sich auch um eine "Verschwörung" gehandelt haben, bei der Liebe nur vorgeschoben war. Allerdings hatten die beiden auch ein Baby, das sie freilich bei der Mutter von farook zurückließen, als sie auf Mordtour gingen. Im Juli 2014 kam Tashfeen in die USA, im August wurde geheiratet.

Der britische Dating-Dienst mit dem viel versprechenden Namen eHarmony.co.uk hat nun einen Bericht vorgelegt, wie die Menschen 2040 Bekanntschaften schließen werden. Verfasst wurde er im Rahmen eines Projekts von Studenten der Imperial College Business School mit Hinzuziehung von Experten. Klar ist natürlich, dass dies immer mehr über Dating-Sites geschehen soll, schon jetzt sei Online-Dating in den Alltag integriert, das Internet habe die Weise, wie die Menschen sich treffen und interagieren, "revolutioniert", ist es doch Singles möglich, "mit einem Knopfdruck eine Welt von gleichgesinnten Menschen zum Treffen" aufzuschließen.

2040 würden 70 Prozent der Menschen online Bekanntschaft schließen, wird prognostiziert und angepriesen, wie segensreich "Wissenschaft und Technik" seien, "Liebe schneller, leichter und genauer" zu finden. Es sei eben wichtig, nicht nur zufällig Menschen zu begegnen und kennenzulernen, sondern eben die "richtigen". Und weil es dazu einer genauen Selektion bedarf werden die Menschen bei dem Dating-Dienst nach "29 Dimensionen der Kompatibilität" nach ihren Einstellungen, Überzeugungen und wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen einander zugeordnet.

Man wird natürlich das "Matching" mitsamt den Algorithmen noch weiter verbessern, wobei die möglichen Erfolge erst einmal ebenso wissenschaftlich nachgewiesen werden müssten, wie die Kompatibilitäten wissenschaftlich begründet sein sollen. Vorausgesetzt ist sowieso, dass das Matching eine größtmögliche Auswahl voraussetzt - und im Prinzip die einzig richtige Kombination herauszufinden. Ob das der richtige Weg ist, ist eine andere Frage.

Wie wird Dating 2040 aussehen? Nach eHormony gibt es dann keine Fotos oder Filme mehr, sondern man begegnet sich in der Virtuellen Realität, wo man sich dann nicht nur sehen und miteinander sprechen, sondern auch berühren und riechen kann, weil es dann die erforderliche Bandbreite von 952.000.000.000 Bits pro Sekunde geben werde. Notwendig seien aber nur 2.850.000 kbits/s. Datin würde über VR noch zeitsparender und effizienter werden, kann man doch mögliche Partner weltweit in einem "global dating pool" abchecken, wobei versprochen wir, dass ein "vollsensorisches virtuelles Treffen genau wie ein wirkliches" sein werde.

Die Utopie der Datingbranche ist der größtmögliche Datenfluss von Seiten der Kunden

Dazu kommt dann die Möglichkeit, auch die Gencodes abzugleichen, da Gentests immer billiger werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass Menschen biologisch so programmiert seien, "möglichst starke Nachkommen" zu erzeugen, weswegen man von Menschen "mit dem Optimum an genetischer Variation im Vergleich zu uns" angezogen werde. Irgendwie, so wird suggeriert, checken wir die DNA des Anderen, nicht nur einige Epiphänomene, ab. Wie auch immer, die Autoren gehen davon aus, dass es bald mehr Kenntnisse darüber geben wird, warum Menschen genetisch manche andere Menschen attraktiv finden. Die genetischen Daten würden jedenfalls in die Algorithmen mit einfließen, um so die Erfolgsrate zu erhöhen. Dass zunehmend Reproduktion und Sexualität getrennt werden und nicht mehr wie einst zusammengehen, scheint man in der Wut des Optimierens nicht bedacht zu haben.

Und auch die Dauerüberwachung des Verhaltens durch das Internet der Dinge und die Wearables, die möglichst viele Daten erzeugen und zeigen, wie wir uns alltäglich verhalten, soll dann zur besseren Partnerwahl durch die Algorithmen beitragen. Schön ist so ein Open-Data-Einblick, so die Autoren, weil wir dann wirklich wissen, was der mögliche Partner so den ganzen Tag lang macht, was er mag oder meidet, wie er und sein Körper auf etwas reagieren: "The solution to this would be to match people based on how they actually behave. For example, what a person does everyday, where they spend their time, how their body reacts to specific events or their social patterns, rather than what they ‘think’ they want." Die Utopie der Dating-Branche wäre dann, die Charaktereigenschaften über "körperliche, chemische und neuronale Signale" bestimmen zu können. Dabei korrespondiert die absolute Transparenz der Kunden, die sich mehr als nackt ausziehen müssen, der Dunkelheit, in der sich das Unternehmen hüllt.

Die Zukunft aber hat noch mehr parat. Gegen das anvisierte Big Data hilft natürlich eine bessere Künstliche Intelligenz, die nicht nur die Daten analysiert, sondern den Partnerwilligen auch in Echtzeit mittels der "hyper connectivity unserer Geräte" in Echtzeit berät, wie die Partner das Dating weiter gestalten sollen, also über was sie sprechen, wo sie sich treffen und welche Scherze sie sich erzählen sollen. Optimiert ferngesteuert, so stellen sich die Autoren das dann kaum mehr selbstbestimmte Leben der Paarungswilligen vor, würde dann auch über die Reaktion des Körpers auf die Umgebung, was man machen, ob man etwas essen, Alkohol zu sich nehmen oder sich in eine kühlere Temperatur begeben soll. Paare könnten so ihre Beziehung verbessern und sehen, wann die beste Zeit zum Heiraten und Kinderkriegen gekommen ist.

Und das alles abhängig von den angeblich das Leben und die Paarung optimierenden Weisungen, die ein Unternehmen, dem alle persönlichen Daten geliefert, mit seinen für die Kunden undurchsichtigen Programmen natürlich völlig selbstlos ausbrütet.