Indulgenz hat einen Preis

Das Jubeljahr 2016 stellt in Italien die nationale Sicherheit auf die Probe

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Der Vatikan verspricht im auβerordentlichen Heiligen Jahr 2016 kostenlose Indulgenz, doch was bedeutet das für die nationale Sicherheit?

Am 8. Dezember hat Papst Franziskus das auβerordentliche "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" ausgerufen. Bis zum 20. November 2016 wird es Millionen von Pilgern aus aller Welt nach Rom und Italien lotsen. Rom hat Angst vor Terroranschlägen und verschärft daher drastisch alle gangbaren Sicherheitsmaβnahmen.

Wie schützt man 30 Millionen Besucher?

De facto steht nach den unseligen Anschlägen von Paris die gesamte westliche Welt unter Beschuss, doch wie will man, angesichts der bereits erfolgten Drohungen von Seiten des IS, die erwarteten 30 Millionen Besucher schützen?

Sicherheit vor Kirchen. Foto: Jenny Perelli

Innenminister Angelino Alfano setzt mit Hilfe des Nationalkomitees für Sicherheit und öffentliche Ordnung in den betroffenen 59 Provinzen einen intensivierten Security-Plan in die Tat um. Neben 5000 Soldaten werden 2.500 Polizisten zum Einsatz kommen. Zusätzliche Einheiten der Staatspolizei werden in Ancona, Foggia, Padua und Perugia herangezogen werden, wo sich wichtige religiöse Zentren befinden. Alle betroffenen Präfekturen sind unweigerlich bereits aktiviert.

Papstwappen. Foto: Jenny Perelli

Nicht nur potenzielle religiöse Anschlagsziele, wie etwa der Vatikan oder das jüdische Ghetto in Rom, unterliegen einer strengeren Kontrolle, sondern auch Luftraum, Flughäfen, Bahnhöfe, Stadien, Konzerthallen, Kinos, Ausgehviertel, Lokale - kurz alle risikobehafteten, und somit gefährdeten, Areale.

Ohne den Eindruck einer generellen Militarisierung erwecken zu wollen, reichen die Methoden vom Metalldetektor über die Patrouille bis zur Leibesvisite, Videoüberwachung, Verkehrsumleitung usw.

Sicherheitskontrolle mit Metalldetektor. Foto: Jenny Perelli

Für das Stadtgebiet Roms gilt ein Überflug-Verbot zur Vermeidung von Attacken mit bemannten oder unbemannten Luftfahrzeugen.

Maβgebend für die Sicherstellung des Luftraumes ist der Beitrag von Heer und Luftwaffe, die ihre normale Tätigkeit durch verstärkte Radarkontrollen sowie den Einsatz von Eurofighter-Abfangjägern und HH-212-Hubschraubern für das Abfangen von langsamen Luftfahrzeugen, sog. Slow Movers Interceptors, erweitern.

Polizei und Heer kontrollieren den Eingang zu Kirchen. Foto: Jenny Perelli

Die nationale Behörde für Zivilluftfahrt (ENAC) ist mit der Beaufsichtigung aller Flughäfen beauftragt. Im römischen Fiumicino haben sich durch die gründlichere Untersuchung des Gepäcks die Wartezeiten z.T. verdreifacht, was alle Passagiere in ihrer Reiseplanung berücksichtigen sollten. Die Akzeptanz von Seiten der Bevölkerung ist, entgegen aller Erwartungen, sehr groβ. Dankbar unterwirft man sich den verstärkten Sicherheitsvorkehrungen und was früher als unnötige Quälerei aufgefasst wurde, dient nun einem gesteigerten Sicherheitsgefühl.

Zur Bewertung der Szenarien in Echtzeit, ist auβerdem die kontinuierliche Verschaltung aller Kommunikationsmittel extrem wichtig.

Am vergangenen 23. Dezember ist in Imperia, fast zeitgleich mit dem im Bahnhof von Rimini ausgelösten Bombenalarm, ein Anti-Terror-Einsatz durchgeführt worden.

Angesichts dieser lästigen Zugluft, wünscht man sich fast die Schlieβung so einiger Pforten.

Erlass aller Sünden

Der Ritus der Eröffnung des Heiligen Jahres besteht aus der Öffnung der Heiligen Pforte in Sankt Peter, die es zu durchschreiten gilt, will man den vollständigen Erlass aller Sünden, sprich eine Indulgenz, erhalten. Papst Franziskus gewährt den Gläubigen in dieser Zeit unter bestimmten Bedingungen einen sog. Ablass.

Eine heilige Pforte. Foto: Jenny Perelli

Für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit hat der Papst allen Bischöfen die Möglichkeit gewährt, Portale nicht nur in Kathedralen, sondern auch in weiteren Kirchen zu Heiligen Pforten zu erklären. Der Papst will damit erreichen, dass das "Jubiläum der Barmherzigkeit" überall begangen werden kann. Das ist tourismustechnisch zwar sehr von Vorteil, aber eine regelrechte Tragödie für die Security-Strategen eines Staates.

Zielsicher gelangen also die Pilger in den Himmel - und das sogar gratis. Das war ja nicht immer so billig. Indulgenzen konnten bis zum Jahr 1562 nur erkauft werden. Es musste Martin Luthers Thesenanschlag erfolgen, um den Handel mit sog. Almosenablässen, für deren Gewinnung ein Geldbetrag gespendet werden musste, zu unterbinden.

Kirche und Geld. Foto: Jenny Perelli

Gewissermaβen hat diese Unsitte den Anlass zur Reformation in Deutschland dargestellt. Mit Einkünften aus dem Ablasshandel hatte die Kurie beträchtliche Summen aus ganz Europa nach Rom gelenkt, die unter anderem für den Bau des Petersdoms verwendet wurden.

Seit 1567 bestraft die katholische Kirche den Handel mit den Indulgenzen sogar mit der Exkommunikation.

Portiunkula in Assisi. Foto: Jenny Perelli

Es gibt allerdings eine hagiographische Vorgeschichte, auch bekannt unter "Vergebung von Assisi" oder "Portiunkula-Ablaβ". Franz von Assisi erlangte bereits im Jahr 1216 von Papst Honorius III. die Gewährleistung eines umfassenden Ablasses ohne Opfergaben für alle Gläubigen, die die Eingangspforte der von ihm eigenhändig erbauten Portiunkula-Kapelle reumütig durchschreiten würden. Die Kurie protestierte lautstark, denn dadurch verloren die mit der Pilgerfahrt ins Heilige Land und zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus gewährten Ablässe an Bedeutung. Aus diesem Grund kann man die "Vergebung von Assisi" nur an einem einzigen Tag des Jahres, dem 2. August, gewinnen.

Jubeljahre werden in der römisch-katholischen Kirche normalerweise alle 25 Jahre verkündet. Das letzte vollzog sich unter Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000; das letzte auβerordentliche Heilige Jahr 2008/2009 unter Benedikt XVI. Der Abstand zwischen den Party-Time-Jahren wurde aber nicht immer strikt eingehalten, bzw. verkürzte sich im Lauf der Zeit stetig.

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