Griechenland: Aufstand im Lager der abgewiesenen Flüchtlinge

Das Lager Korinth gleicht mehr einem Gefängnis, denn einer Unterbringung. Täglich kommen noch immer 4.000 Flüchtlinge in Griechenland an

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Im Zug eines Aufstands gelang es sechs Algeriern und Marokkanern aus einem gefängnisartigen Lager in Griechenland zu fliehen. Während CSU-Chef Horst Seehofer vor der Klausurtagung seiner Partei eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen fabuliert laufen die Dinge dort, wo die Flüchtlinge ankommen, aus dem Ruder.

Mehr als eine Million Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr nach Europa, die meisten davon, mehr als 800.000, kamen bis zum 21.Dezember über die Ägäis nach Griechenland. Selbst die Begrenzung des Flüchtlingsstatus auf Syrer und Afghanen würde an der hohen Anzahl nur marginal etwas ändern. Von den mehr als 800.000 Ankömmlingen in Griechenland waren 455.000 Syrer und 186.000 Afghanen.

Der Aufstand und eine Alternativroute

Im Lager Korinth, in dem die von der EJR Mazedonien abgewiesenen und per Kollektivbeschluss als Migranten eingestuften Flüchtlinge untergebracht sind, kam es am Samstag zu einem Aufstand. Das Lager gleicht mehr einem Gefängnis, denn einer Unterbringung für Flüchtlinge. Und tatsächlich wurden von hier bereits zwanzig Personen wieder abgeschoben. 350 Insassen in dem Lager wollten sich nicht widerstandslos mit ihrem Schicksal abfinden.

Räumung des wilden Flüchtlingslagers in Idomeni (Eidomeni) Anfang Dezember 2015. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Sie zettelten einen Aufstand an. Während der turbulenten Kämpfe mit der Polizei, die per Video aufgezeichnet wurden, konnten sechs der Insassen entkommen. Sie werden es vermutlich nicht mehr über die EJR Mazedonien, sondern diesmal über die alternative Route über Albanien versuchen. Denn hier zeichnet sich nach der Blockade der Polizeikräfte am griechischen Grenzort Eidomeni eine Alternativroute nach Europa ab.

Keine Infrastruktur für die Ankömmlinge

Die Situation der Flüchtlinge im Land und auf See wird indes immer dramatischer. Trotz der Vereinbarung der EU mit der Türkei und der damit verbundenen Zahlung von jährlich drei Milliarden Euro sowie dem versprochenen schnellen EU-Beitritt für die Türkei bleibt die Situation in der Ägäis wie gehabt. Täglich kommen nach Angaben des Ministeriums für Immigration 4.000 Flüchtlinge ins Land.

Obwohl Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble keinen Zusammenhang der Finanzkrise mit den fehlenden Versorgungsmöglichkeiten für Flüchtlinge in Griechenland erkennen mag, hat das unter Geldknappheit leidende Land keine Infrastruktur, um die Ankömmlinge, deren Ziel meist Deutschland ist, im Land zu halten.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Außer an Arbeitsplätzen fehlt es überall an Unterbringungsmöglichkeiten. Dem maroden Staat zur Seite stehen neben privaten Initiativen, anarchistischen Gruppen auch internationale Hilfsorganisationen. So mietete der schweizerische Zweig der katholischen Caritas in Athen und auf Lesbos Hotels zur Unterbringung von Flüchtlingen an. Im Dezember, dem ersten Monat des bis April terminierten Hilfsprogramms, konnten somit 1.850 Übernachtungen bezahlt werden. Zu wenig, um das Problem der Unterbringung nachhaltig zu lösen.

Minusgrade in Eidomeni

Zudem können sämtliche Helfer nur denjenigen Obdach gewähren, die entweder minderjährig, schwanger, gebrechlich oder sonst in irgendeiner Weise schutzbedürftig sind. Für die anderen bleibt nur das Überleben auf den winterlichen Straßen Athens.

Die Temperaturen in Eidomeni, dem Grenzort der Weiterreise nach Europa lagen in der vergangenen Woche bei bis zu minus neun Grad Celsius. In und um Athen wurden Temperaturen im Bereich von null bis zwei Grad registriert. Das feuchte Klima Athens macht die obdachlosen Nächte gefühlt noch kälter.

Todesopfer

Die mittlerweile täglich registrierten Unfälle bei der Überfahrt aus der Türkei führten am Sonntag zum ersten registrierten Todesopfer für 2016. Ein Kleinkind verstarb, als ein Schlauchboot gegen einen Felsen prallte. 39 weitere Insassen konnten gerettet werden.

Wenige Stunden später wurden zwei bereits verwesende, unbekleidete Leichen an den Küsten der Inselgruppe Fourni angeschwemmt.

Doch auch die mit einem zehn Kilometer langen Zaun abgesperrte Nordgrenze Griechenlands zur Türkei ist nicht so dicht, wie es die Befürworter des Zauns gern verlauten lassen. Auch hier werden wieder Grenzübertritte registriert. Die lokale Bevölkerung gibt sich den Neuankömmlingen gegenüber gastfreundlich.