Sachbücher des Monats: Januar 2016

Die Top Ten unter den Sachbüchern nebst einer persönlichen Empfehlung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jeden Monat neu präsentiert von der Süddeutschen Zeitung, dem Norddeutschen Rundfunk, Buchjournal, Börsenblatt und Telepolis. (Die Jury )

Massimo Livi Bacci

Kurze Geschichte der Migration

Den Ort zu wechseln, anderswo zu leben, in einer anderen Gegend als der angestammten heimisch zu werden, sichert dem Menschen seit seinen frühesten Entwicklungsstufen das Überleben. Im Unterschied zu den Migrationsströmen der vergangenen zweitausend Jahre geschieht Migration allerdings heute oft nicht mehr legal, sondern illegal. Migranten werden als Bedrohung empfunden und kriminalisiert. Dabei brauchen wir Einwanderung nach Europa dringender denn je, und zwar in allen Lebensbereichen. Massimo Livi Bacci beginnt seine Geschichte der Migration in der Ur- und Frühzeit, beschreibt die Besiedlungsgeschichte des Mittelalters ebenso wie die großen transozeanischen Migrationsströme der Neuzeit und analysiert die Gegenwart mit aktuellen Zahlen und Fakten. Zudem wagt Livi Bacci einen Ausblick ins Jahr 2050: Wenn wir das hohe Lebensniveau in Europa halten wollen, müssen wir Einwanderung erleichtern und befördern. Aus dem Italienischen von Marianne Schneider.

Verlag, Klaus Wagenbach, 176 Seiten, € 10,90

Carl Schmitt

Glossarium

Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 - 1958

Das Tagebuch "Glossarium" enthält die Gedankenwelt von einem guten Jahrzehnt des späten Carl Schmitt. Entstanden in einer Zeit, die ihn aus der Lebensbahn eines bürgerlichen Gelehrten warf, nahm Carl Schmitt mit den Ressentiments, aber auch mit der Tocquevilleschen Hellsichtigkeit des Besiegten die neue Lage wahr. Gegen die Interpretation der Sieger, die die Niederlage als Befreiung deuteten, sprach Schmitt von "falscher Befreiung" und meinte, dass zwar der Sieger die Geschichte schreibt, aber der Gescheiterte der Gescheitere ist. Herausgegeben von Gerd Giesler und Martin Tielke.

Verlag Duncker & Humblot, 557 Seiten, € 69,90

Daniel Bax

Angst ums Abendland

Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten

Die Debatte um den Islam in Europa, um Moscheen und Mohammed-Karikaturen hört nicht auf, und von Michel Houellebecq bis Thilo Sarrazin, von Alice Schwarzer bis Marine Le Pen kommt es dabei zu ungewöhnlichen Allianzen. Rechtspopulistische Parteien wie die "Alternative für Deutschland" und Bewegungen nutzen die Abneigung gegenüber dem Islam als Reibstoff. Aber Vorurteile gegenüber Muslimen und ihrer Religion sind in allen Schichten und über alle politischen Lager hinweg verbreitet - in ganz Europa. Denn die Angst vor dem Islam ist tief in der europäischen Geschichte verwurzelt. Aber eine übersteigerte Angst vor Muslimen droht die Grundlagen dessen zu zerstören, was Europa ausmachen sollte.

Westendverlag, 288 Seiten, € 17,00

Ahmed Mansour

Generation Allah

Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen

Warum zieht es Jugendliche in den Dschihad? Ist der Islam verantwortlich für den Terror? Und wie können wir uns dem religiösen Extremismus stellen? Bislang stehen Politik, Gesellschaft und besonders die Schulen diesen Fragen hilflos gegenüber. Kein Wunder, denn die Debatten werden falsch geführt, wie der Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour zeigt. Bevor er den mühsamen Ausstieg schaffte, war er selbst radikaler Islamist. Jetzt arbeitet Ahmad Mansour in Berlin als Psychologe und betreut Familien von radikalisierten Jugendlichen. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen und seiner konkreten Präventionsarbeit zeigt er, dass eine Deradikalisierung möglich ist und plädiert für eine Reform des praktizierten Islam.

S. Fischer Verlag, 270 Seiten, € 19,99

Rudyard Kipling

Von Ozean zu Ozean

Unterwegs in Indien, Asien und Amerika

Obwohl er es mit seinen Dschungelbüchern zu Weltruhm brachte und obwohl ihm 1907 der Nobelpreis zugesprochen wurde, ist ein entscheidender Teil von Rudyard Kiplings Werk weitgehend unbekannt: seine Reisebriefe und Reportagen, die er in den Jahren 1887 bis 1889 aus Indien, Fernost und Amerika schrieb. Von den Geisterstädten Rajasthans zu den Hafenspelunken Kalkuttas, von den Handelszentren im Indischen Ozean und Südchinesischen Meer zu den Naturwundern Japans, von der Pazifikküste ins Herz des Wilden Westens: Anlässlich seines 150. Geburtstags liegen diese Texte Kiplings erstmals in einer vollständigen deutschen Übersetzung vor. Herausgegeben und übersetzt von Alexander Pechmann.

Mare Verlag, 796 Seiten, € 48,00

Jean-Henri Fabre

Pilze

Jean-Henri Fabre war Zeit seines Lebens der ebenso faszinierenden wie geheimnisvollen Welt der Pilze verfallen. Von 1872 an aquarellierte er insgesamt fast 700 naturwissenschaftlich genaue und wohlkomponierte Pilzstudien, vornehmlich, um den Reichtum der Pilzwelt für die Nachwelt zu erhalten, da er zu Recht, wie wir heute wissen fürchtete, dass viele Arten aussterben würden. Dieser Folioband versammelt erstmals alle erhaltenen Pilz-Aquarelle Fabres und beweist, dass dem Naturforscher Jean-Henri Fabre neben seinem herausragenden Rang in der Literatur auch ein besonderer Platz in der Kunstgeschichte gebührt. Herausgegeben von Judith Schalansky.

Verlag Matthes & Seitz, Reihe Naturkunden, 615 Seiten, € 148,00

Kurt Flasch

Der Teufel und seine Engel

Die neue Biografie

Der Teufel stammt nicht aus Europa, sondern aus dem Orient. Aber jahrhundertelang lag sein Schatten auf dem Kontinent und nahm von da aus den Weg in die neue Welt. Die Europäer erlitten Satan, aber sie verwandelten ihn auch, veränderten den Teufel nach ihrem Bild und Gleichnis. Er nahm die Form an, die gebraucht oder gefürchtet wurde. Er wechselte sein Gesicht und passte sich den Europäern an, die ihn riefen. Kurt Flasch beschreibt die biblischen Anfänge und die Ausgestaltung der Satanologie durch die Kirchenväter und im Mittelalter, die verhängnisvolle Verbindung von Satan und Sexualität und von Teufelsglauben und Hexenwahn, es macht einen Besuch in der Hölle und widmet sich dem dortigen Personal, den Engeln des Bösen, aber es geht darüber hinaus bis in die Gegenwart. Der Teufel hat sich gründlich in den Alltag der Menschen eingemischt, bis endlich im Zeitalter der Aufklärung seine Macht beschnitten wurde. Trotzdem reden heute evangelikale Kreise, fundamentalistische Gruppen und das Römische Lehramt wieder viel und realistisch von Satan.

C. H. Beck Verlag, 462 Seiten, € 26,95

Tim Marshall

Die Macht der Geographie

Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt

Weltpolitik ist auch Geopolitik. Alle Regierungen, alle Staatschefs unterliegen den Zwängen der Geographie. Berge und Ebenen, Flüsse, Meere, Wüsten setzen ihrem Entscheidungsspielraum Grenzen. Um Geschichte und Politik zu verstehen, muss man selbstverständlich die Menschen, die Ideen, die Einstellungen kennen. Aber wenn man die Geographie nicht mit einbezieht, bekommt man kein vollständiges Bild. Zum Beispiel Russland: Von den Moskauer Großfürsten über Iwan den Schrecklichen, Peter den Großen und Stalin bis hin zu Wladimir Putin sah sich jeder russische Staatschef denselben geostrategischen Problemen ausgesetzt, egal ob im Zarismus, im Kommunismus oder im kapitalistischen Nepotismus. Die meisten Häfen frieren immer noch ein halbes Jahr zu. Nicht gut für die Marine. Die nordeuropäische Tiefebene von der Nordsee bis zum Ural ist immer noch flach. Jeder kann durchmarschieren. Russland, China, die USA, Europa, Afrika, Lateinamerika, der Nahe Osten, Indien und Pakistan, Japan und Korea, die Arktis und Grönland: In zehn Kapiteln zeigt Tim Marshall, wie die Geographie die Weltpolitik beeinflusst und beeinflusst hat. Aus dem Englischen von Birgit Brandau.

Deutscher Taschenbuch Verlag, 304 Seiten, € 22,90

Saskia Sassen

Ausgrenzungen

Brutalität und Komplexität in der globalen Wirtschaft

Zunehmende Ungleichheit, krasse Einkommensunterschiede, Flüchtlinge, Zerstörung von Land, Wasserknappheit: Die aktuellen Verwerfungen in der globalisierten Welt können nicht mehr mit den üblichen Begriffen von Armut und Ungerechtigkeit verstanden werden. In ihrem neuen Buch schlägt die Soziologin Saskia Sassen vor, dass man sie viel besser als Ausgrenzungen verstehen muss: aus dem Berufsleben, dem Wohnort, aus der Biosphäre. Erst dieser gemeinsame Gesichtspunkt macht eine luzide politische Analyse möglich, welche die grundlegende Logik und den Zusammenhang dieser scheinbar getrennten Effekte sichtbar macht.

S. Fischer Verlag, 320 Seiten, € 24,99

Frank Adloff/Volker M. Heins (Hg.)

Konvivialismus

Eine Debatte

Das "Konvivialistische Manifest" hat die globale Debatte um die Frage neu formatiert, wie wir das Zusammenleben angesichts von Klimakatastrophe und Finanzkrisen gestalten wollen und müssen. Die Beiträge dieses Bandes eröffnen nun die Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen des Manifests im deutschsprachigen Raum: Wo liegen seine Stärken, wo die Schwächen? Was hieße es, eine konviviale Gesellschaft anzustreben in Politik, Kultur, Zivilgesellschaft und Wirtschaft? Welche neuen Formen des Zusammenlebens sind wünschenswert und welche Chancen bestehen, sie durchzusetzen? Ein Buch nicht nur für Sozial- und Kulturwissenschaftler, sondern auch für zivilgesellschaftliche Akteure und die interessierte Öffentlichkeit. Mit Beiträgen u.a. von Micha Brumlik, Christian Felber, Naika Foroutan, Silke Helfrich, Claus Leggewie, Stephan Lessenich, Steffen Mau, Franz Walter und Gesa Ziemer.

transcript Verlag, 264 Seiten, € 19,99

Besondere Empfehlung des Monats Januar von Stefan Zweifel:

Donatella di Cesare

Heidegger, die Juden, die Shoah

(Heidegger Forum 12)

Donatella Di Cesares Buch "Heidegger, die Juden, die Shoah" zeigt, dass Heidegger im Kontext einer langen Tradition des Antisemitismus in der Philosophie zu lesen ist, zu der auch Kant, Hegel und Nietzsche gehören. Der Philosoph schreibt dem Judentum eine spezifische Bedeutung in der Geschichte zu. Diese Bedeutung stellt sich als eine Anordnung von Stereotypen dar, die metaphysisch gerechtfertigt werden. Indem Heidegger die "Judenfrage" in sein Denken aufnimmt, fällt er also in ein metaphysisches Denken zurück. Di Cesare spricht deshalb von einem "metaphysischen Antisemitismus". Zuletzt aber bildet die Shoah das Zentrum, auf das Heideggers Äußerungen bezogen werden. Das Buch ist auch ein Beitrag zur Frage nach der Verantwortung der Philosophie für die Vernichtung der Juden in Europa.

Verlag Vittorio Klostermann, 406 Seiten, € 29,80

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