Weise: Mehr als 350.000 nicht entschiedene Asylanträge

"Der Berg unbearbeiteter Asylanträge wächst." Innenminister de Maizère besucht das Bamf und schweigt

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Die Informationspolitik der Bundesregierung in Sachen Asylbewerber bleibt suboptimal. Heute fuhr der Bundesinnenminister im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg vor und blieb dort fünf Stunden, um sich ein Bild der Lage zu verschaffen. Behördenchef Frank-Jürgen Weise und weitere Führungskräfte waren anwesend, um de Maizière über den Stand der Dinge zu unterrichten.

Angesichts der vielen Fragen und des Mondscheins der Verallgemeinerungen, die sich in der Bevölkerung und in der Öffentlichkeit zur Behauptung "Wir schaffen das, denn Deutschland ist ein starkes Land" (Neujahrsansprache Merkel) herausbilden, wäre es angebracht gewesen, die Allgemeinheit mit ein paar gewonnenen Fakten zu informieren.

Hat de Maizière aber nicht. Kein Wort vom Minister nach dem Besuch, konstatiert der BR-Bericht. Weil die Wahrheit der Bevölkerung nicht zuzumuten ist?

Auch wenn das Informationsverhalten des Bundesinnenministers bei einer Bombendrohung (vgl. "Bittere Gründe" für Länderspielabsage) nicht auf eine Ebene zu bringen ist mit Problemen, bei denen es um administrative Zahlen geht, so ist das Sich-Bedeckt-Halten de Maizières auffällig. Als Verteidigungsminister agierte er ebenfalls informationspolitisch wie in altvorderen Zeiten, als Politiker darauf setzten, dass Vertuschungen nicht ans Licht kommen (Drohnendesaster für den Verteidigungsminister).

"Der Rückstand ist aber noch mal leicht gestiegen"

Von Bamf-Chef Weise wird aktuell mitgeteilt, dass der Aktenberg in der Behörde wächst. Konkrete Zahlen gab es von ihm auch nicht, was wohl am fehlenden Überblock liegt, nur eine Schätzung über den Daumen. Die Tagesschau zitiert ihn so:

Bis November 2015 hatten sich mehr als 350.000 nicht entschiedene Anträge aufgestaut. Zwar arbeiteten die Asyl-Entscheider effektiver als noch vor ein paar Monaten. Doch durch "den hohen Zugang im letzten Jahr ist der Rückstand aber noch mal leicht gestiegen".

Ein wachsender Berg unbearbeiteter Asylanträge heißt es im Bericht. De Maizère und die Bamf-Führungsmanager müssen darüber gesprochen haben, wie das Ziel, diesen Berg noch in diesem Jahr abzuarbeiten (Weise), erreicht wird.

Anhand dessen, was die Öffentlichkeit Anfang November durch einen empörten Brief von Personalvertretern über die Arbeitsbedingungen im Bamf erfahren hat (Asyl: Beschleunigtes Verfahren mit systematischen Mängeln) und angesichts dessen, dass aus Griechenland trotz der widrigen Jahreszeit noch immer täglich 4.000 ankommende Flüchtlinge berichtet werden (Griechenland: Aufstand im Lager der abgewiesenen Flüchtlinge), die sich wahrscheinlich auf den Weg nach Mitteleuropa machen, stellt sich die Frage, wie der Aktenberg abgearbeitet werden soll.

Die Betroffenen werden alle noch mal befragt

Zumal die Kriterien verändert wurden. Galt im November im Bamf noch das Arbeitsprinzip "beschleunigtes Verfahren" für Asylbewerber aus Syrien, dem Irak und Eritrea, was in der Praxis dazu führte, dass der Antrag einfach an die nächste Stelle weitergeleitet wurde, ohne allzu viel Mühe auf die Überprüfung der Herkunftsangaben zu verwenden ("die Aussage des Dolmetschers genügt"), so soll jetzt wieder die Einzelfallprüfung auch für Asylbewerber aus diesen Ländern angewendet werden.

Seit 1. Januar sei das "beschleunigte Verfahren" für "Syrer, Eritreer und einige Bevölkerungsgruppen aus dem Irak" abgeschafft, wird Bamf-Chef Weise zitiert. Das bedeutet zusätzlichen Zeitaufwand - nicht nur für die neuen Anträge, sondern auch für alte. Weise: "Denn da liegen Akten an verschiedenen Stellen, die jetzt alle noch mal angesehen werden müssen." Auch müssten die Betroffenen alle noch mal befragt werden, zitiert ihn der Tagesschau-Bericht.

Neue Stellen, alte Fragen

Im vergangenen Jahr kamen 1.000 Stellen hinzu, bis Ende 2016 sollen 4.000 neue Stellen im Bamf besetzt werden. Die Bamf-Belegschaft soll auf 7.300 Mitarbeiter anwachsen. An Bewerbern mangele es nicht, wird berichtet.

Allerdings ist nur ein Teil davon Asylentscheider - derzeit geht man von einer Aufstockung von 600 auf 1.700 aus. Laut BR werden viele Monate vergehen, bis sie eingesetzt werden können.

Auf die Frage Weises - "Wie holen wir den großen Rückstand von Asylentscheidungen auf und wie organisieren wir, dass Flüchtlinge nicht in langen Schlangen vor irgendwelchen Behörden stehen, sondern gut bearbeitet werden?" - gibt es anscheinend noch keine Antwort, die der Öffentlichkeit zugemutet werden kann. Zumindest lässt das Verhalten des Innenministers nach seinem Bamf-Besuch darauf schließen.