Kölner Polizei: "Wir haben bisher noch keinen Tatverdächtigen"

Über die Täter gibt es bislang nur Vermutungen, möglicherweise handelt es sich um organisierte Banden, Sorge besteht vor Wiederholungen im Karneval

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Die Pressekonferenz der Stadt und der Polizei zu den Ausschreitungen in der Silvesternacht (Köln: "Völlig neue Dimension der Gewalt") brachte keine neuen Erkenntnisse, aber auch ein etwas ausdifferenzierteres Bild der Lage. Das eignet sich auch weniger für rechte Hetzer, die unmittelbar eine Verknüpfung zwischen Flüchtlingen und den kriminellen Banden herstellen wollen.

Nach Darstellung der Polizei haben sich am Silvesterabend bis 21 Uhr etwa 400-500 junge Männer auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt, die offenbar schwer Alkohol konsumierten und bereits mit Feuerwerkskörpern um sich schossen. Bis 23 Uhr war die Gruppe auf 1000 angewachsen. Die Männer seien bereit alkoholisiert, aggressiv und "völlig enthemmt" gewesen und hätten direkt mit Feuerwerkskörpern auf andere Menschen geschossen. Diese Menge aus "vorwiegend jungen Männern" dürfte dann wohl aus Menschen bestanden haben, die von Polizisten "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammend beschrieben wurden.

Um Schlimmeres vor dem Silvesterfeuerwerk zu verhindern, habe dann die Polizei begonnen, den Platz zu räumen und die Menge aufzulösen. Das sei schwierig gewesen. Ab 1 Uhr habe die Polizei dann erste Hinweise auf Straftaten und sexuelle Übergriffe erhalten. Es habe drei Notrufe und entsprechende Einsätze gegeben, Polizisten hätten Frauen gewarnt und begleitet. Einen Zusammenhang zwischen der Räumung des Platzes, wodurch sich die Menge in kleinere Gruppen auflöste, und den darauf folgenden Straftaten wies Polizeidirektor Michael Temme zurück.

Screenshot aus der Phoenix-Live-Übertragung der Pressekonferenz mit der Oberbürgermeisterin Henriette Reker, dem Polizeipräsidenten Wolfgang Albers und dem leitenden Polizeidirektor Michael Temme.

Unmissverständlich machte Polizeipräsident Wolfgang Albers klar, dass es natürlich keine 1000 Tatverdächtige gebe. Es seien aus der Menge heraus von kleineren Gruppen Angriffe erfolgt. Die Methode des "Antanzens", um Taschendiebstahl zu begehen, sei bekannt. Zuvor seien durch entsprechende Banden dadurch vorwiegend Männer zum Opfer geworden. Neu sei in der Silvesternacht gewesen, dass sich die Angriffe vorwiegend auf Frauen richteten und sexuelle Übergriffe erfolgten. "Wir haben bisher noch keinen Tatverdächtigen", erklärte Albers, also keinen einzigen. Das sei auch schwierig, weil die Opfer die Täter nicht identifizieren können. Zwar seien wohl bei der Auflösung der Menge in 100 Fällen die Personalien überprüft worden, wobei viele keine Ausweise bei sich hatten, aber bei diesen habe es keinen Strafverdacht gegeben. Warum kein einziger der Tatverdächtigen festgenommen werden konnte, obgleich angeblich die Polizeipräsenz groß genug war, bleibt im Dunklen.

Albers rief daher weiter auf, dass sich Zeugen melden oder Aufnahmen zur Täteridentifizierung eingereicht werden sollen. Die Polizei werte noch Videos von Überwachungskameras aus. Oberbürgermeisterin Henriette Reker stellte klar, dass es bislang auch keine Hinweise darauf gebe, dass es sich bei den Tätern um Flüchtlinge handelt.

Albers wollte sich auch nicht dazu äußern, ob die Taten geplant gewesen seien. Da es ähnlich Vorfälle in der Silvesternacht auch in Hamburg und in Stuttgart gegeben hat, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um organisierte Banden handeln könne, die verabredet gezielt aus der Menge heraus Raub und Diebstahl begehen und sich womöglich vornehmlich mit sexuellen Übergriffen gegen Frauen richten sollten, weil diese leichter überwältigt und beraubt werden können. Aus Hamburg wurden bislang 10 Vorfälle berichtet, in denen Frauen sexuell belästigt und beraubt wurden. Die Täter sollen "südländisch oder arabisch" ausgesehen haben. "Die haben alle kein Deutsch gesprochen", sagte eine 25-jährige Hamburgerin, die in Begleitung von Freundinnen von den Tätern sexuell belästigt wurde. Nach ihr hätten diese nicht beabsichtig, sie zu berauben.

Da nun der Karneval ansteht, wäre zu erwarten, sollte es sich tatsächlich um eine neue Strategie der organisierten Kriminalität - möglicherweise gleichzeitig in mehreren Städten - handeln, dass es weitere Angriffe geben wird. Das Umfeld wäre noch günstiger, die Massen auf den Straßen größer und kaum von der Polizei zu überblicken, die Alkoholisierung bei großen Teilen der Narren hoch, die zudem noch meist verkleidet und damit nicht identifizierbar sind. Albers kündigte eine höhere Polizeipräsenz und eine verstärke mobile Videoüberwachung von oben, also etwa von Masten, an, um so frühzeitig Vorfälle erkennen und entsprechend präventiv einschreiten zu können.

Reker kündigte an, dass ein Verhaltenskatalog mit Handlungsempfehlungen für Frauen und Mädchen aktualisiert und online veröffentlicht werden soll. Empfohlen wird Frauen, in Gruppen zusammen zu bleiben und sich nicht aufzutrennen, nicht zu nahe an Fremde heranzugehen (eine Armlänge Distanz) oder Anwesende um Hilfe zu bitten. Auch für Karnevalsteilnehmer "aus anderen Kulturkreisen" will man Anleitungen herausgeben, "damit hier nicht verwechselt wird, was ein fröhliches Verhalten ist in Köln und was mit Offenheit, insbesondere sexueller Offenheit überhaupt nichts zu tun hat". Allerdings ist Karneval in unserer "Leitkultur" eine enthemmte Zeit, in der die Ordnung ein wenig aufgehoben ist ...