Ha'aretz wirft israelischen Behörden Folter vor

Verdächtiger der Hügeljugend offenbarte Täterwissen erst nach Einsatz "besonderer Verhörmethoden"

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Die Tageszeitung Ha'aretz wirft den israelischen Sicherheitsbehörden vor, dass es sich bei der als "besonders" umschriebenen Verhörmethode, nach der der 21-jährige Religionsstudent Amiram B. Täterwissen zu einem Brandanschlag offenbarte, tatsächlich um physische Folter gehandelt hat, deren Genehmigung der Oberste Gerichtshof 1999 verbot. Die Genehmigung dieser Folter soll in der Form erfolgt sein, dass Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein dem Shin Bet garantierte, es werde wegen des Einsatzes keine Anklagen geben.

Das israelische Justizministerium wollte die Vorwürfe weder bestätigen noch dementieren und verlautbarte lediglich, die "Entscheidungen bezüglich des Verhörs" seien von der Führung des Inlandsgeheimdiensts Shin Bet getroffen worden. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Moshe Ya’alon sollen über die "besonderen Verhörmethoden" erst nach deren Anwendung informiert worden sein.

Amiram B. gehört einer radikalen Splittergruppe der so genannten Noar HaGva'ot an, der "Hügeljugend", die sich zu einem großen Teil aus jungen Männern rekrutiert, die in Siedlungen in der Westbank aufwuchsen (welche meist auf Hügeln liegen). Sie propagieren so genannte Tag-Mechir-Anschläge, die Zugeständnisse der israelischen Regierung an die Palästinenser "verteuern" sollen. Das "Tag Mechir" ("Preisschild") sprühen sie an die Tatorte. Der etwa 100 Personen umfassende radikalere Teil dieser Jugendbewegung lehnt den Erkenntnissen des Shin Bet nach außerdem die Demokratie ab und wünscht sich ein jüdisches Königreich ohne Moslems und Christen. Etwa 30 von ihnen gelten als akut gewaltbereit.

Noar HaGva'ot-Vandalismus. Foto: Oren Rozen. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Bei dem Anschlag, der durch die "besonderen Verhörmethoden" aufgeklärt wurde, kamen im Juli ein eineinhalb Jahre altes Kind und zwei Erwachsene ums Leben, nachdem ein Brandsatz in ihrem Schlafzimmer im Dorf Duma landete. Die beiden Erwachsenen starben erst nach ein- beziehungsweise mehrwöchiger Qual im Krankenhaus. Ein Vierjähriger erlitt so schwere Brandverletzungen, dass er immer noch in einer Klinik behandelt werden muss. An dem Gebäude hinterließen die Täter in Hebräisch die Botschaften "Rache" und "Lang lebe der Messias".

Nachdem B. zusammen mit einem 17-jährigen mutmaßlichen Helfer A. und mehreren anderen Verdächtigen festgenommen wurde, verweigerte er sich den Vernehmungsbeamten anfangs, indem er betete, anstatt auf Fragen zu antworten. Erst unter Einsatz der "besonderen Verhörmethoden" offenbarte er Details der Tat, die nicht in den Zeitungen standen und die nur der Täter wissen konnte. Als Motiv nannte er Vergeltung für einen zuvor verübten Mord an einem Juden in der Nähe von Duma.

Mehrere andere jüdische Extremisten sitzen derzeit in Untersuchungshaft oder Sicherungsverwahrung - unter ihnen der extremistische Sektenführer Meir Ettinger, dessen Großvater die verbotene Kach-Gruppe gründete. Ettinger soll den "neuen jüdischen Terroristen", die in unabhängigen Zellen operieren, ein Manifest geschrieben haben. Von diesem Programm sollen unter anderem der mutmaßliche Dormition-Kloster-Brandstifter Mordechai M. und der Khirbet-Abu-Falah-Brandstiftungsverdächtige Eviatar S. zu den Taten inspiriert worden sein, die man ihnen vorwirft. Werden sie verurteilt, drohen ihnen Haftstrafen, aber - anders als palästinensischen Terroristen - keine Zerstörungen ihrer Häuser.

In der Nähe der Siedlung Gush Etzion erschossen israelische Sicherheitskräfte gestern einen Palästinenser, der sie mit einem Messer angriff. Ein Soldat erlitt dabei Stich- und Schnittverletzungen im Gesicht und an der Hand. Zu solchen Angriffen kommt es seit mehreren Monaten regelmäßig. Seit Oktober starben dabei 23 Juden, 140 Araber und ein Eritreer.

Der 29-jährige israelische Araber Nashat M. aus dem nordisraelischen Arara, der am Freitag in einer Bar im Zentrum von Tel Aviv mit einer automatischen Waffe zwei Menschen ermordet und sieben weitere verletzt haben soll, wird weiterhin gesucht. Auf seiner Flucht soll er auch einen arabischen Taxifahrer ermordet haben.

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