Nordkorea will erfolgreich eine "kleine" Wasserstoffbombe getestet haben

Experten bezweifeln, ob es sich wirklich um eine Wasserstoffbombe gehandelt habe - UN-Sicherheitsrat droht mit scharfen Sanktionen

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Nordkorea (DPRK) holt sich immer wieder mit angeblichen Atomwaffentests weltweite Aufmerksamkeit. Gestern erklärte eine Sprecherin im nordkoreanischen Fernsehen überraschend, es habe am Mittwoch um 10 Uhr lokaler Zeit den ersten, von Kim Jong Un angeordneten Test mit einer Wasserstoffbombe gegeben. Es sei ein "voller Erfolg" gewesen. Das wäre dann der vierte Atomwaffentest seit 2006 gewesen.

Gemessen wurde von Südkorea ein Erdbeben im Nordosten Nordkoreas in der Stärke 4,8 auf der Richter-Skala. U.S. Geological Survey registrierte eine Stärke von 5,1 in der Nähe von Sungjibaegam und diagnostizierte eine "unterirdische Atomexplosion". Natürliche Erdbeben können von menschlich verursachten anhand der seismischen Daten unterschieden werden. Eine Wasserstoffbombe wäre deutlich stärker als die bislang getesteten Atomwaffen.

Am 10. Dezember berichtete KCNA, dass Nordkorea eine Wasserstoffbombe besitzen soll.

2009 hatte Nordkorea die Sechs-Parteien-Gespräche über atomare Abrüstung abgebrochen. Im letzten September wurde erklärt, die in den 1960er Jahren begonnene Atomwaffenproduktion wieder aufgenommen und die Atomanlage Yongbyon wieder in Betrieb genommen zu haben. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA warnte im September, dass das nordkoreanische Atomwaffenprogramm ein Grund großer Besorgnis sei, zumal man keine Einsicht habe. IAEA-Direktor Yukiya Amano forderte nach dem Bericht über den Atomwaffentest Nordkorea auf, alle Resolutionen voll umzusetzen. Der Test sei eine klare Verletzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, die letzte wurde erst im September beschlossen.

Nordkorea erklärt, die Entwicklung von Atomwaffen sei wegen der feindlichen Politik der USA und der alliierten Staaten notwendig, man würde aber keine Atomwaffen einsetzen, wenn nicht die Souveränität des Landes bedroht ist, und auch die Technik nicht weitergeben, das Land sei friedensliebend. "Die USA sind eine Bande von grausamen Räubern, die sich bemüht hat, der DPKR eine atomare Katastrophe zu bringen, und der es nicht reicht, eine furchtbare und bislang unbekannte politische Isolation, eine Wirtschaftsblockade und militärischen Druck aus dem einzigen Grund auszuüben, dass sie eine andere Ideologie und ein anderes soziales System besitzt und sich der Aggression widersetzt. Die koreanische Halbinsel und ihre Umgebung werden zum größten Konfliktort, an dem ein Atomkrieg ausbrechen kann", wofür die Aufrüstung der USA in der Region verantwortlich gemacht wird.

Kim Jong Un im Dezember bei der Ankündigung, im Besitz einer Wasserstoffbombe zu sein.

Nordkorea verfügt über Langstreckenraketen und soll Material für 10-15 Atombomben haben. Mit dem neuen Test schließe man sich "stolz den fortgeschrittenen Reihen der Atomwaffenstaaten, die sogar eine Wasserstoffbombe besitzen". Der Test sei "sicher" durchgeführt worden und würde die Umwelt nicht beeinträchtigen, meldete die nordkoreanische Nachrichtenagentur. Mit dem Test rücke der "Endsieg der revolutionären Juche", der kommunistischen Ideologie, näher. Man werde weiter stetig die nukleare Abschreckung verstärken, wird gedroht.

Die in Wien ansässige CTBTO meldete ein "ungewöhnliches seismisches Ereignis". Es habe in derselben Region wie der letzte Atomwaffentest 2013 stattgefunden. Die Organisation, die den Kernwaffenteststopp-Vertrag (CTBT) überwachen soll, wenn er in Kraft tritt, und dazu ein Kontrollnetz aufgebaut hat, betrachtet den nordkoreanischen Test als endgültiges Warnsignal, das Abkommen nun umzusetzen.

Bild: CTBTO

War es eine Wasserstoffbombe?

Nach Experten könne es sich bei dem Test allerdings nicht um eine übliche Wasserstoffbombe handeln. Es bestehen wie auch bei den vorhergehenden Tests Zweifel. Nach Auskunft von No Hee Cheon vom Korea Advanced Institute of Science and Technology sei die seismische Welle geringer gewesen wie beim letzten Atomwaffentest 2013: "Die Größe ist weitaus geringer, als diejenige, die man erwarten würde, wenn tatsächlich eine Wasserstoffbombe zur Explosion gebracht wird." Die Stärke sei noch geringer als die einer "normalen Atombombe".

Nach Li Bin vom Carnegie Endowment for International Peace habe die Explosion einer Stärke von 30.000 Tonnen TNT betragen, ähnlich groß wie 2013 und vergleichbar der Atombombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde, aber deutlich weniger als bei einer Wasserstoffbombe, die eine Sprengkraft von mindestens 50.000 Tonnen TNT habe. Nordkorea selbst sprach von einer "kleineren Wasserstoffbombe".

Das südkoreanische Militär geht davon aus, dass es keine Wasserstoffbombe war, weil die Sprengkraft dafür zu klein gewesen sei. Gleichwohl sprach das Verteidigungsministerium von einer "schweren Bedrohung" durch den Test. Die Stärke des Atomwaffentests 2013 habe nach dem südkoreanischen Geheimdienst 7.900 Tonnen TNT betragen, jetzt sei nur 70 Prozent davon erreicht worden, es hätten aber viele Kilotonnen sein müssen.

Unklar ist freilich auch, in welcher Tiefe die Explosion ausgelöst wurde. Die US-Luftwaffe wird eine WC-135 Constant Phoenix einsetzen. Das Flugzeug soll durch die Analyse von Luftproben erkunden, ob es sich tatsächlich um eine Wasserstoffbombe gehandelt hat.

Das Weiße Haus erklärte, man könne nicht bestätigen, ob es sich um einen Wasserstoffbombentest gehandelt habe. Josh Earnest, der Sprecher des Weißen Hauses, sagte, die ersten Daten würden die Behauptung von Nordkorea nicht unterstützen. Man werde aber alle Alliierten in der Region beschützen und verteidigen und angemessen auf die Provokationen reagieren.

Auch wenn noch darüber gerätselt wird, ob es sich wirklich um eine Wasserstoffbombe gehandelt oder ob Nordkorea eine solchen Test nur simuliert hat, ist man in China, dem einzigen Verbündeten von Nordkorea, verärgert. Die chinesische Regierung verurteilte den Test, von dem man zuvor nicht informiert worden war, und forderte Nordkorea auf, wieder die Sechs-Parteien-Gespräche aufzunehmen, die koreanische Halbinsel atomwaffenfrei zu halten und alles zu vermeiden, was die Region destabilisiert.

Auch Russland ist in Sorge. Das Atomwaffenprogramm Nordkoreas gefährdet nach Konstantin Kossatschow, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrates, die nationale Sicherheit Russlands: "Dieses Atomprogramm wird von einem Staat umgesetzt, das eine gemeinsame Grenze mit Russland hat. Wladiwostok ist weniger als 700 km von Pjöngjang entfernt. Beliebige Aktionen Nordkoreas auf diesem Gebiet tangieren unmittelbar die nationale Sicherheit unseres Landes." Das russische Außenministerium rief Nordkorea zur Zurückhaltung auf.

Südkorea versetzte das Militär in Alarmbereitschaft und erklärte, man werde gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft Nordkorea für den Test bestrafen. Die südkoreanische Präsident Park Geun-hye drohte, Nordkorea müsse einen "entsprechenden Preis" bezahlen und forderte weitere strenge Sanktionen.

Auf einer eilig einberufenen Sitzung des UN-Sicherheitsrats wurde der Test verurteilt, der die Resolutionen verletzte und eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit darstelle. Betont wird, dass die Mitglieder des Sicherheitsrats schon zuvor ihre Entschlossenheit angekündigt hatten, im Fall eines weiteren Atomwaffentests "weitere wichtige Maßnahmen" zu ergreifen. Angesichts der Schwere des Tests werde man sofort solche Maßnahmen für eine neue Sicherheitsresolution ausarbeiten.