Kölner Polizeipräsident will im Amt bleiben

Der in der SPD bestens vernetzte Wolfgang Albers sieht sich gerade in der "schwierigen Situation" des bevorstehenden Karnevals "gefragt"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Morgen nach der Silvesternacht, in der viele Frauen durch nordafrikanisch (beziehungsweise arabisch) aussehende Männer teils massiv sexuell belästigt und dabei beraubt wurden, erschien bei der Kölner Polizei eine Pressemitteilung, in der es hieß, der Jahreswechsel sei "entspannt" und "weitgehend" friedlich" verlaufen. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Frauen bereits Anzeige erstattet. Inzwischen gingen über 100 Strafanzeigen ein - in zwei Fällen wird wegen Vergewaltigung ermittelt. Eine Betroffene berichtete, sie habe fremde Hände "in jeder Körperöffnung" gespürt und eine Engländerin meinte gegenüber der BBC, sie sei zwar einiges gewohnt, aber so etwas habe sie noch nie erlebt.

Warum die Polizei in ihrer Pressemitteilung die Nacht als ruhig darstellte, ist bislang unklar. Polizeipräsident Albers hatte dies auf der Pressekonferenz als falsch bezeichnet, aber keine Gründe dafür genannt. Auch ARD und ZDF berichteten erst am Montag - vier Tage nach dem Ereignis, das in Blogs und Sozialen Medien vorher breit diskutiert wurde.

Viele Beobachter zogen dort Parallelen zum englischen Rotherham, wo eine Bande von Sexualverbrechern pakistanischer Herkunft jahrelang elf-, zwölf- und dreizehnjährige Mädchen missbrauchen konnte. Ein Grund dafür war offenbar die Angst der britischen Polizisten, von Vorgesetzten wegen Verstößen gegen "Diversity"-Richtlinien bestraft oder kritisiert zu werden. (vgl. Neuer Straftatbestand für Sozialarbeiter und Kommunalpolitiker). Einen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Innenministeriums, der die Führung der Polizei von Rotherham darauf aufmerksam gemacht hatte, sagte man, er solle so etwas nicht noch einmal machen und stellte ihn anschließend kalt.

Viele der Personen, die damals so reagierten, sitzen heute immer noch auf ihren Posten. Auch in Köln verlautbarte Polizeipräsident Wolfgang Albers gestern in einem Interview mit dem Radiosender WDR 5, er wolle trotz des Skandals im Amt bleiben und glaube, er sei gerade in der "schwierigen Situation" des bevorstehenden Karnevals "gefragt". Das ist insofern bemerkenswert, als die Kölner Polizei unter seiner Führung nicht das erste Mal Schlagzeilen macht.

Der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers. Bild: Polizei NRW

Im letzten Jahr kam zum Beispiel heraus, dass ein Kölner Sondereinsatzkommando 109 Schüsse auf einen Gemüsehändler abgab. Die Behauptung, die Polizei habe in Notwehr gehandelt, weil der Gemüsehändler zuerst geschossen habe, konnte nach dem Bekanntwerden von Videoaufnahmen nicht mehr aufrechterhalten werden. Diese Videoaufnahmen widerlegten die Aussagen zahlreicher Beamter - "doch niemand im Kölner Polizeipräsidium nahm daran Anstoß", wie der Focus formulierte.

Auch eine teure Jux-Hubschrauberfahrt für ein Abschiedsfoto eines Dienststellenleiters, eine Mobbing-Affäre und nur sechsprozentige Aufklärungsquoten bei Einbruch und Taschendiebstahl blieben für Albers folgenlos. In der Mobbing-Affäre warf ihm die Anwältin Gabriele Jansen vor, er verheize Dutzende Elitepolizisten mit Disziplinarverfahren, um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen und sei "nicht tauglich für sein Amt". Andere Strafverteidiger sprachen von "klarem Rechtsbruch".

Dass Albers gestern so selbstbewusst verlautbarte, er werde trotz öffentlicher Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Amt bleiben, könnte damit zusammenhängen, dass der Kölner Polizeipräsident in der SPD bestens vernetzt ist. Als sein politischer Beschützer gilt vor allem der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger, der der Presse sagte, es gehe "nicht um Personen, sondern um eine ganze Behörde". Albers war für Fragen dazu, ob man ihm aus dieser Partei signalisiert hat, man werde ihn nicht fallenlassen, gestern nicht erreichbar.

Die am Dreikönigstag bekannt gegebene "Identifikation" von vier verdächtigen Nordafrikanern könnte ebenfalls dazu beitragen, dass der sechzigjährige Hutsammler einen Rücktritt nicht für nötig hält. Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt zweifelt allerdings, ob bei den Ermittlungen viel herauskommt, weil er die Beweisführung als schwierig erachtet. In Köln ermittelt die Staatsanwaltschaft mittlerweile auch gegen "organisierte Täterstrukturen".

Seit einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag (Kölner Polizei: "Wir haben bisher noch keinen Tatverdächtigen") steht auch die von der CDU, den Grünen und der FDP aufgestellte Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker unter Druck: Ihr Ratschlag an Frauen, sie sollten sich mindestens eine Armlänge von Fremden fernhalten, weckte Mutmaßungen, dass das Herumkutschiertwerden in Dienstlimousinen zu einer gewissen Weltfremdheit von Politikern führt, und erinnerte regelmäßige Bus- und Bahnfahrer an die der letzten französischen Königin Marie Antoinette zugeschriebene Äußerung, das Volk solle doch Kuchen essen, wenn es kein Brot mehr habe.

In Hamburg, wo es zu ähnlichen Vorfällen wie in Köln kam, haben inzwischen 73 Frauen Anzeige erstattet. Hier ist bislang noch nichts über Ermittlungserfolge bekannt geworden. Gleiches gilt für die ebenfalls betroffenen Großstädte Düsseldorf und Stuttgart. Auch dort müssen sich Kommunalpolitiker und Behördenleiter nun fragen, warum es gerade ihre Städte traf - und ob es bestimmten Tätern dort vielleicht zu einfach gemacht wird, sich faktisch rechtsfreie Räume zu schaffen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.